Seit der ersten Runde der Ersatzwahl für den St. Galler Ständeratssitz gilt Esther Friedli (SVP) als so gut wie gewählt. Einzige Konkurrentin ist Barbara Gysi (SP). Am 30. April wird entscheidend sein, wie gut das Anti-SVP-Lager mobilisieren kann.
Das Resultat des ersten Wahlgangs am 12. März war eindeutig: An der Spitze lag Esther Friedli mit 55’660 Stimmen. Dahinter folgten mit grossem Abstand Susanne Vincenz-Stauffacher von der FDP mit 26’938, Barbara Gysi von der SP mit 22’167 und Franziska Ryser von den Grünen mit 21’791 Stimmen.
Danach wurden die Karten neu verteilt. Ryser und Vincenz-Stauffacher zogen sich zurück. Ein parteiloser Überraschungskandidat meldete sich zwar an, gab danach aber bekannt, dass er eine Wahl gar nicht annehmen würde. Übrig blieb der Zweikampf zwischen SP und SVP um den Sitz im Ständerat.
Früheres CVP-Mitglied
Der Wahlkampf für die Entscheidung am 30. April verlief seither ohne Überraschungen. Gerechnet wird mit einem Sieg Friedlis. Die Politologin kann nicht nur auf die SVP-Wählerschaft bauen. Bis 2010 war sie Mitglied der CVP und trat erst 2016 in die SVP ein. Schon am 12. März erhielt sie viele Stimmen aus der Mitte-Wählerschaft. Unterstützt wird sie zudem vom einflussreichen Bauernverband, von der FDP und – der Industrie und Handelskammer (IHK).
Gegnerinnen und Gegner versuchten immer wieder, sie als Hardlinerin darzustellen. «Nicht nur unwählbar – sondern auch gefährlich», hiess es etwa von den Juso. An den Wahlveranstaltungen vermied Friedli provokative Aussagen. Auf den Plakaten ist die SVP-Programmchefin beim Servieren eines Café Crème im eigenen Landgasthof in Ebnat-Kappel abgebildet.
Esther Friedli ist die Lebenspartnerin von Toni Brunner. Sie gilt auch als Gewerbevertreterin, weil sie Geschäftsführerin und Patentinhaberin im Landgasthof Sonne, Haus der Freiheit ist. Die Politologin führt seit 2015 ein Büro für politische Kommunikation. Im vergangenen Herbst verzichtete sich auf eine Kandidatur als Nachfolgerin von Bundesrat Ueli Maurer.
Bei dieser Ausgangslage ist eine Wahl Friedlis im bürgerlich-konservativen Kanton St. Gallen nicht viel mehr als der Normalfall. Dies belegen etwa die Mehrheitsverhältnisse im Kantonsparlament: SVP (35 Sitze), Mitte (29) und FDP (22) besetzen 86 der 120 Mandate. Die SP (19) zusammen mit Grünen (9) und GLP (6) halten 34 Sitze.
Nur mit bürgerlichen Stimmen
Barbara Gysi versuchte in den letzten Wochen bei denjenigen Wählerinnen und Wählern zu punkten, die wie bisher mit Paul Rechsteiner eine soziale Stimme nach Bern schicken wollen.
Die Nationalrätin und Gewerkschafterin hofft, dass sie das Anti-SVP-Lager in den Städten und grösseren Agglomerationen mobilisieren kann. Gelingt ihr dies, ist zumindest ein respektables Resultat möglich. Für mehr bräuchte sie allerdings viele Stimmen aus dem bürgerlichen Lager auch auf dem Land. Anzeichen für eine solche Bewegung gibt es nicht.


