Gegen 700 Personen haben am Sonntag in Sarnen des vor 600 Jahren geborenen Mystikers Niklaus von Flüe alias Bruder Klaus gedacht. Festredner Peter von Matt und auch Bundespräsidentin Doris Leuthard fanden ehrenvolle Worte für den Obwaldner Asketen.
Der offizielle Staatsakt, die nationale Gedenkfeier für Niklaus von Flüe, fand auf dem Landenberg oberhalb Sarnen statt. Schön war das Wetter, symbolträchtig der Ort: Von 1646 bis 1998 tagte dort nämlich - jeweils am letzten Sonntag im April - die jährliche Landsgemeinde. So pilgerten an diesem letzten April-Sonntag rund 300 geladene Gäste nach Sarnen. Um Punkt 9.30 Uhr bewegte sich die Festzug vom Dorfplatz auf den Landenberg. Voraus ging die Feldmusik, am Strassenrand applaudierte die Bevölkerung.
Eine Stimme, die gehört wurde
«Das Jahrhundert, in dem Bruder Klaus lebte und eine rätselhafte Ausstrahlung weit über den Raum der heutigen Schweiz hinaus gewann, war genau jenes Jahrhundert, in dem die Eidgenossenschaft sich darüber klar werden musste, wer und was sie eigentlich war», sagte der aus dem Kanton Nidwalden stammende Literaturwissenschaftler Peter von Matt in seiner Festrede.
«Die Kräfte des Chaos und die Kräfte der Ordnung wirkten unberechenbar durcheinander», sagte er. In dieser Situation brauchte es eine Stimme, die über den Fronten stand, die gehört wurde. «Diese Stimme kam aus der tiefen Schlucht im Melchtal.» Bruder Klaus sammelte keine Jünger um sich, er gründete keine Gemeinschaft, er trat nicht als Führer auf und nicht als Prophet. Aber die Rolle des Sehers, der wisse, was in der Not zu tun sei, wuchs im zu, sagte von Matt.
Man hat ihm geglaubt
Man habe ihm geglaubt, weil niemand, der ihm persönlich begegnete, ihm misstrauen konnte. «Ganz verstehen kann man diesen Vorgang nur vor dem Hintergrund der politischen Selbstsuche und Selbstvergewisserung der damaligen Eidgenossenschaft», sagte von Matt.
Bruder Klaus verstand den Frieden nicht einfach als einen glücklichen Zustand, «der einmal da ist und dann wieder vergeht», wie von Matt es formulierte. Vielmehr sei der Friede für ihn ein Element des täglichen politischen Handelns, genauso wie auch die politische Kommunikation es sei. Wer sich mit ihm befasse, habe zu tun. Auch heute noch.
Leuthard: Für Vertrauen kämpfen
Grussworte überbrachte auch Bundespräsidentin Doris Leuthard. «Bruder Klaus war der rechte Mann zur rechten Zeit am rechten Ort», sagte sie. Er habe mit seinen Wertvorstellungen das vorgelebt, was er von den anderen erwartete. «So wurde er glaubwürdig», sagte Leuthard. Er konnte den Streithähnen in Stans, in Bern oder in Konstanz die Köpfe mit seinem Rat zurecht rücken.
Bruder Klaus habe für Vertrauen und gegen Misstrauen gewirkt, sagte sie und rief dazu auf, für Vertrauen zu kämpfen. Vertrauen beflügle, bewege und führe zu konstruktiven Lösungen. Der Bundesrat hatte auf die Ausrichtung einer eidgenössischen Feier zu Ehren von Flües verzichtet.
In einer szenischen und sehr wohl humorvollen Darstellung setzte sich der in Sarnen aufgewachsene Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart mit Niklaus von Flüe auseinander und erntete für seinen Auftritt zahlreiche Lacher und grossen Applaus Nach dem offiziellen Akt waren die Gäste und die Bevölkerung zum Apéro auf dem Dorfplatz eingeladen. Am Nachmittag standen verschiedene kulturelle Angebote rund um Niklaus von Flüe auf dem Programm. In aller Ruhe konnte man sich mit dem Mystiker auseinandersetzten, sich auf ihn einlassen.
Erst Bauer, dann Einsiedler
Niklaus von Flüe wurde 1417 als Sohn wohlhabender Obwaldner Bauern in Flüeli bei Sachseln geboren. Er gehörte dem höchsten Führungszirkel der Obwaldner Politik und Justiz an. Bruder Klaus verliess mit 50 seine Familie und wurde Einsiedler. 20 Jahre bis zu seinem Tod lebte er laut Legende fromm, allein, ass nichts mehr und schlief auf einem Stein.
Freunde hatten ihm eine Kapelle und eine Klause gebaut, die noch heute eine wichtige Pilgerstätte ist. Er gilt als erster Heiliger der Schweiz. Historisch verbürgt ist seine Rolle als Ratgeber. 1481, am Tag des «Stanser Vorkommnisses», bewahrte er die Schweiz vor dem Untergang, indem er im Streit zwischen den Stadtkantonen Zürich und Bern und den Urschweizer Landkantonen vermittelte.