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«Erträge im Biolandbau müssen steigen»

FiBL-Chef Jürn Sanders sagt im Interview, dass sich der Biolandbau weiterentwickeln muss. Nur dann werde dieser weiterhin eine relevante Perspektive für die Landwirtschaft sein. An Bedeutung gewinnen dürften nach seinen Worten die Themen Agrarökologie und die generative Landwirtschaft. Mehr dazu im Interview.

Jürn Sanders, Sie waren viele Jahre in der Forschung tätig. Welche neuen Akzente werden Sie in der Arbeit des FiBL setzen?

Die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme ist für die Landwirtschaft, aber auch für die Agrarforschung eine grosse Herausforderung. Das gilt auch für das FiBL. Es ist wichtig, dass wir bei unserer Arbeit verstärkt das gesamte Ernährungssystem berücksichtigen. Nachhaltiger muss also nicht nur die Produktion, sondern auch der Konsum und damit die gesamte Wertschöpfungskette werden. Zudem werden sich die Rahmenbedingungen für die Bioforschung spürbar verändern. Künftig wird es deutlich mehr private und öffentliche Mittel geben, um Lösungen für die Bewältigung der grossen agrarökologischen Herausforderungen zu erarbeiten. Davon wird die Bioforschung profitieren. Gleichzeitig wird aber auch die Konkurrenz um diese Mittel zunehmen. Hier gilt es, das Profil des FiBL als eine systemorientierte Forschungseinrichtung mit einem starken Praxisbezug zu stärken. Dabei möchte ich mithelfen.

Der Biolandbau ist eine systemorientierte Produktionsform.

Jürn Sanders, 

Welche Aufgaben hat das FiBL bei der Weiterentwicklung des Biolandbaus?

Ich teile die Einschätzung, dass sich der Biolandbau weiterentwickeln muss, wenn er weiterhin eine relevante Perspektive für die Landwirtschaft sein soll. Wir sehen beispielsweise, dass die Themen Agrarökologie oder regenerative Landwirtschaft an Bedeutung gewinnen. Auch werden technologische Innovationen wie bessere chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel einen nennenswerten Beitrag zum Umweltschutz leisten.

In welchen Bereichen braucht der Biolandbau am dringendsten Innovationen?

Mit unserer systemorientierten, interdisziplinären Arbeit wollen wir am FiBL dazu beitragen, dass das grosse Potenzial der biologischen Wirtschaftsweise, gesunde Lebensmittel zu produzieren ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten, besser genutzt werden kann. Dabei geht es uns nicht nur darum, durch unsere Forschung neues Wissen über Ertragssteigerungen oder mehr Klimaresilienz zu generieren. Durch Beratung, Bildung und Vernetzung ist es uns auch ein Anliegen, dass dieses Wissen zielgerichtet und schnell in der Praxis umgesetzt werden kann.

Wie stehen Sie zum Einsatz der neuen genomischen Techniken im Biolandbau?

Der Biolandbau ist eine systemorientierte Produktionsform. Das Ziel ist dabei, die ökologischen Zusammenhänge zwischen Boden, Pflanze, Tier und der weiteren Umwelt gezielt zu nutzen. Insofern sind die neuen Züchtungstechnologien, die ja eine sehr punktuelle Innovation darstellen, nicht mit dessen Prinzipien vereinbar. Ich halte es grundsätzlich für zielführend, dass wir nicht alles auf eine Karte setzen, sondern dass es für Landwirte und Landwirtinnen, Konsumenten und Konsumentinnen und die Gesellschaft insgesamt eine Wahlmöglichkeit zwischen den bisherigen und den neuen genomischen Züchtungstechnologien gibt.

Bei Produktivität und Flächenertrag hinkt der Biolandbau nach wie vor hinter dem konventionellen Landbau her. Muss das so bleiben?

Im Durchschnitt liegt das Ertragsniveau bei Ackerkulturen in Mittel- und Westeuropa zwischen 10% und 40% unter dem der konventionellen Landwirtschaft. Wenn der Biolandbau weiter ausgedehnt werden soll, ist es wichtig, dass die Erträge im Biolandbau gesteigert werden und die Ertragsdifferenz vermindert wird.

An welchen Schrauben muss vor allem gedreht werden?

Wir am FiBL erforschen in diesem Zusammenhang beispielsweise an verschiedenen produktionstechnischen Ansätzen wie weitere Fortschritte in der ökologischen Züchtung, besseres Nährstoffmanagement, Mischanbau von Kulturen oder die Entwicklung neuer Düngemittel. Zudem können IT-Anwendungen und Weiterbildungsangebote zu ökologischen Praktiken eine wichtige Rolle spielen. Wichtig ist dabei: Ertragssteigerungen im Biolandbau sollen nicht zulasten der Umwelt gehen, sondern unter Berücksichtigung der planetaren Grenzen erfolgen.

Zielführend wäre es, Betriebsmittel mit einer negativen Umweltwirkung stärker zu besteuern.

Jürn Sanders, 

Die Inflation ist im Lebensmittelbereich weiterhin hoch, die Energiekosten belasten viele Verbraucher, und in den Medien dominieren Krisen und Kriege die Nachrichten. Sind das gerade schlechte Zeiten für den Biolandbau?

Vergessen Sie nicht, dass jedes Jahr neue Hitzerekorde vermeldet werden und der Verlust der Biodiversität weiterhin zunimmt. Laut einem Expertenbericht der Food System Economics Commission verursacht der globale Agrar- und Ernährungssektor mittlerweile mehr Umwelt- und Gesundheitsschäden, als er an Wertschöpfung einbringt. Was ich damit sagen möchte: Wir brauchen eine umfassende Problemanalyse. Nur auf die gegenwärtigen Energiekosten und die Inflation zu schauen, reicht nicht aus, um die Perspektiven für den Biolandbau zu beurteilen. Unabhängig davon, scheint die Schwächephase des Jahres 2022 wieder überwunden zu sein; denn erste Marktzahlen deuten auf ein weites Wachstum hin.

Ohne ins Detail zu gehen, worauf wird es aus Sicht des Biolandbaus bei der Reform ankommen?

Um die ökologischen Probleme gezielter angehen zu können, ist es wichtig, dass die heutige Flächenförderung genutzt wird, um konkrete Leistungen der Landwirtschaft im Bereich Umweltschutz und Tierwohl stärker zu fördern. Davon würde auch der Biolandbau profitieren. Zudem wäre es zielführend, Betriebsmittel mit einer negativen Umweltwirkung stärker zu besteuern. Solche marktwirtschaftlichen Instrumente könnten auch dazu beitragen, dass der bürokratische Aufwand für die Landwirte und Landwirtinnen abnimmt. 

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