SVP-Grossrat Thomas Knutti ist Präsident des Vereins zum Schutz von Wild- und Nutztieren vor Grossraubtieren im Kanton Bern. Er hat am Donnerstag in Bern die gesammelten Unterschriften für die Wolfsinitiative übergeben.
«Schweizer Bauer»: Wieso hatten Sie die Idee einer Initiative?
Thomas Knutti: In der Schweiz gibt es mehrere Vereinigungen, die aktiv gegen die Wolfsproblematik ankämpfen. In den Kantonen Uri und Wallis wurden bereits Initiativen durchgeführt. Dort wurde das Ganze durch Ständerat Beat Rieder angestossen. Wir haben diesen letztes Jahr zu unserer Hauptversammlung eingeladen, damit er uns alles erläutern konnte. Das Gespräch mit ihm hat uns bestärkt, und die Hauptversammlung hat einstimmig den Entschluss gefasst, dass die Vereinigung aktiv werden und eine Initiative starten muss. Wir haben den Initiativtext von Rieder übernommen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir auf Bundesebene nur etwas bewirken können, wenn von allen Kantonen Druck kommt. Unsere Vereinigung ist schweizweit die grösste, und wir waren und sind der Auffassung, dass wir zusätzlich als grösster Agrarkanton der Schweiz etwas gegen die Wolfsproblematik unternehmen müssen.
Schadstiftende Wölfe konnten doch bereits bisher geschossen werden?
Bisher war es ein riesengrosser Aufwand, um Schaden verursachende Wölfe schiessen zu können. Erst jetzt findet eine gewisse Lockerung statt. Bis vor kurzem konnte gemäss Jagdverordnung des Bundes ein Wolf nur geschossen werden, wenn nachweislich 15 Risse innerhalb von vier Monaten vorgefallen waren. Die Verordnung wurde jetzt auf 10 Risse angepasst, was immer noch zu viel ist. In den letzten Jahren war es unter diesen Vorgaben fast unmöglich Wölfe zu schiessen. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat konsequent alle Gesuche abgelehnt. Erst durch den Druck von aussen hat der Bund begonnen die Verordnung anzupassen. Mit dem neuen Bundesrat Albert Rösti haben wir nun endlich jemanden, der die Wolfsproblematik kennt und Verständnis dafür hat und uns seine Unterstützung innerhalb seiner Möglichkeiten zugesichert hat.
Was sind die wichtigsten Änderungen bei der Initiative?
Dass die Wolfsregulierung beziehungsweise die Regulierung und Beschränkung von Grossraubtieren in der Berner Verfassung im Artikel 51 verankert wird. Im Moment gibt es in der kantonalen Gesetzgebung keine solche Massnahme.
Wieso braucht es diese gesetzliche Verankerung?
Mit der Revision, der Anpassung des Jagdgesetzes auf Bundesebene ist es nun möglich, dass die Kantone beim Bund ein Gesuch stellen können, um Wölfe in der Zeitperiode vom 1. September bis zum 31. Januar schiessen zu können. Es braucht aber auch auf kantonaler Ebene einen gesetzlichen Auftrag. Wenn die Regulation und Beschränkung von Grossraubtieren kantonal nicht in der Verfassung niedergeschrieben ist, kann es passieren, dass unter Umständen – wenn zum Beispiel der Regierungsrat des jeweiligen Kantons kein Interesse hat, die Wölfe zu regulieren – gar nichts unternommen wird und der Kanton beim Bund keinen Antrag für einen allfälligen Wolfsabschuss stellen wird, weil er gesetzlich nicht dazu verpflichtet ist. Sie sehen, mit der Anpassung des Jagdgesetzes auf Bundesebene bekommt die Initiative immer mehr Gewicht. Es ist wichtig, dass sich alle Bergkantone mit dieser Thematik auseinandersetzen.
«Die Förderung von Grossraubtieren soll ausdrücklich verboten werden», heisst es in der Initiative. Was verstehen Sie unter Förderung?
Wir sind überzeugt, dass regelmässig Wölfe ausgesetzt werden. Wir haben dazu verschiedene Hinweise und Beobachtungsmeldungen aus der Bevölkerung bekommen. Es kann nicht sein, dass die Wolfspopulation in den letzten Jahren nur durch Zuwanderung und Vermehrung dermassen angestiegen ist und wir vorher jahrzehntelang keine Wölfe in der Schweiz hatten. Wer die Wölfe aussetzt, entzieht sich unseren Kenntnissen, und es lässt sich bisher leider auch nicht beweisen. Aus diesem Grund fordern wir, dass das Aussetzen von Wölfen gesetzlich verboten wird.
Sie sagten selbst im vergangenen Oktober, dass vorläufig der Bund für die Wolfsregulierung zuständig ist. Was bringt eine Initiative denn überhaupt?
Die Zuständigkeit bleibt beim Bund. Damit das Jagdgesetz vom Bund umgesetzt wird, braucht es wie bereits erwähnt auf kantonaler Ebene einen gesetzlichen Auftrag. Es ist nicht anzunehmen, dass der Regierungsrat vom Kanton Bern ohne gesetzlichen Auftrag Regulierungen angehen wird. Mit der gesetzlichen Verankerung liegt ein klarer Verfassungsauftrag vor.
Braucht es noch eine Initiative, da ja nun auf eidgenössischer Ebene das Jagdgesetz gelockert wurde?
Unbedingt. Die Lockerung des Jagdgesetzes hat der Initiative noch mehr Gewicht gegeben. Der Kanton braucht jetzt einen gesetzlichen Auftrag, damit er das Bundesgesetz auch wirklich umsetzt. Wir haben den Weg über die Initiative unter anderem auch gewählt, damit andere Kantone vielleicht ebenfalls auf das Pferd aufspringen. So wie ich gehört habe, wurde im Kanton Schwyz auch eine Initiative gestartet. Im Kanton Graubünden fanden Gespräche statt – die Bündner haben vielleicht den Vorteil, dass der Regierungsrat ziemlich auf der Seite der Nutztierhalter ist.
Der Berner Bauernverband sieht Ihre Initiative kritisch. Sie könne gar kontraproduktiv sein und die Fortschritte auf nationaler Ebene gefährden.
Ich sehe keine Gefahr, dass die Initiative kontraproduktiv sein könnte. Hätte die Berner Wolfsvereinigung in den letzten fünf Jahren die Wolfsproblematik nicht ständig thematisiert, wäre in Bezug auf die Grossraubtierregulierung bis heute wohl nicht viel passiert. Wir sind der Meinung, dass der Berner Bauernverband die Problematik unterschätzt und daher verschlafen hat. Die Tatsache, dass die Unterschriften zusammengekommen sind, gibt der ganzen Thematik mehr Gewicht. Wenn es in den Abstimmungskampf geht, werden wir sicher erneut das Gespräch mit dem Berner Bauernverband suchen. Wir streben eine Zusammenarbeit an und hoffen, dass der Berner Bauernverband den Abstimmungskampf mit uns zusammen führen wird.
Haben die Wölfe Platz in der Schweiz?
Wenn Wölfe nicht Nutztiere reissen würden, hätten sie vielleicht schon Platz. Die Problematik besteht darin, dass die meisten Wölfe in der Schweiz Wolfshybriden sind (Wolf-Hund-Mischling). Hybride sind weniger scheu gegenüber dem Menschen und dringen daher bis in die Wohnsiedlungen vor. Die Resultate unserer regelmässig durchgeführten DNA-Analysen haben ergeben, dass es sich bei den Wolfsrissen bisher immer um Wolfshybriden gehandelt hat. In der Schweiz leben wir nahe aufeinander und sind dicht besiedelt, es ist schwierig, dass der Wolf unter diesen Umständen seinen Platz finden kann.
Oder möchten Sie den Wolf lieber ausrotten?
Das wird nicht möglich sein, da es bereits zu viele hat. Als Landwirt und Nutztierhalter mit Alpwirtschaft würde ich sagen: Grundsätzlich ja, dann hätten wir diese Probleme nicht und müssten nicht alle diese Massnahmen ergreifen. Unser Ziel muss es sein, die Risszahlen möglichst tief zu halten und den Wolf unkompliziert zu regulieren.
Wie wollen Sie Städter von der Initiative überzeugen?
Es wird eine ganz klare Stadt-Land-Graben-Abstimmung geben, das ist uns bewusst. Beim Sammeln der Unterschriften haben wir jedoch festgestellt, dass auch bei der städtischen Bevölkerung immer mehr ein Umdenken stattfindet. Die Leute merken langsam, dass es mit einer jährlichen Zunahme der Wolfspopulation von rund 25 Prozent in Zukunft wohl doch nicht ohne eine Regulierung gehen wird. Das Risiko, die Wölfe in den Siedlungsgebieten zu haben, will man dann doch nicht tragen.
Was für Chancen rechnen Sie sich aus?
In Anbetracht, dass die Problematik in den letzten Alpsommern rasant zugenommen hat und in den nächsten Jahren auch nicht abnehmen wird, ist es möglich. den Abstimmungskampf zu gewinnen. Es wird entscheidend sein, wann das Abstimmungsdatum gewählt wird, dadurch lässt sich natürlich noch einiges steuern. Fakt ist: Die Wölfe sind da und werden aktiv bleiben. Es wird ein emotionaler und heisser Abstimmungskampf, der grundsätzlich nicht chancenlos ist.
Beenden Sie die Sätze …
Die Wolfsinitiative ist … wichtig für den Kanton Bern, damit man den Wolf regulieren kann.
Der Wolf ist … gefährlich für die Alpwirtschaft im Kanton Bern.
Landwirtschaft ist … wichtig für die Ernährungssicherheit und für die Bewirtschaftung der Alpgebiete.