Jahrelang hielt die ETH nach einem Tiergenetikprofessor Ausschau. Nun will sie den Lehrstuhl nicht mehr besetzen. Die Tierzuchtverbände fürchten, bei ihrer strategischen Arbeit bald vom Ausland abhängig zu sein.
Der an der ETH seit vielen Jahren verwaiste Lehrstuhl für Tiergenetik wird nicht neu besetzt. Das hat ETH-Präsident Ralph Eichler beschlossen.
Im Frühjahr lief eine letzte Findungsrunde. Eichler führte mit einem der Kandidaten Verhandlungen. Leider kam die Verpflichtung dann aber doch nicht zustande. Der Kandidat hat aus privaten Gründen und auch wegen Bedenken bezüglich der Entwickung des Stellenwertes der Landwirtschaft an der ETH abgelehnt.
ETH: Konzentration auf Tierphysiologie
Nun soll das Profil der offenen Professorenstelle Richtung Physiologie angepasst werden. Dabei spielt offenbar auch Agrovet Strickhof eine Rolle, soll doch der neue Professor einen Teil seiner Forschung mit den dortigen Stoffwechselkammern durchführen. Den Unterricht in Tierzucht und -genetik soll ein Dozent geben. Die ETH betont auf Anfrage, dass man sich zurzeit auf ein Profil für Tierphysiologie konzentriere, eine Tiergenetik-Professur aber nicht für alle Zeit vom Tisch sei.
Andreas Hofer, selber Tiergenetiker, stellvertretender Geschäftsführer der Suisag und Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Tierproduktion (SVT), bedauert diesen Meinungsumschwung: «Die SVT und die Zuchtorganisationen befürchten, dass die ETH tierzüchterisch bald keine Rolle mehr spielt.» Nun werde auch noch die verbliebene Tiergenetik-Gruppe mit dem DNA-Typisierungslabor per September 2012 aufgelöst, weil der Vorsteher in Pension gehe.
Abhängigkeit von ausländischem Know-how schwächt
Die Schweinezüchter haben die Forschung dieser Gruppe seit mehr als 30 Jahren finanziell unterstützt und im Labor Proben analysieren lassen. Hofer: «Wir wollen nun Gespräche mit der Universität Bern, Agroscope und der Schweizerischen Hochschule SHL betreffend Ausbau der Kapazitäten im Bereich Tiergenetik führen.»
Wahrscheinlich müssten sich die schweizerischen Zuchtverbände, insbesondere bei der Suche nach qualifizierten Fachkräften, in Zukunft noch stärker Richtung Ausland orientieren. «Die zunehmende Abhängigkeit von ausländischem Know-how schwächt längerfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Zuchtprogramme.»
Das Departement für Agrar- und Lebensmittelwissenschaften wird per Ende 2011 aufgeteilt.
Betrifft gesamte Landwirtschaftsbranche
Zudem hat Bernard Lehmann die ETH verlassen. «Obwohl diese das Gegenteil beteuert, führen diese Entwicklungen zu einer entscheidenden Schwächung der Agronomie an der ETH», befürchtet Hofer. «Wir machen uns grosse Sorgen um die Ausbildung zukünftiger Agronomen. Das betrifft nicht mehr nur die Tierzüchter, sondern die gesamte Landwirtschaftsbranche.»