Mit gleich zwei führenden Industrienationen strebt die EU eine Liberalisierung des Handels an. Noch in diesem Jahr soll entschieden werden, ob sich der schwierige Verhandlungsprozess auch lohnt.
Über die Lage der Weltwirtschaft werden die Regierungschefs der acht führenden Industrieländer auf ihrem Gipfeltreffen ab dem kommenden Donnerstag in den USA beraten. In den abgeschiedenen Gesprächen von Camp David wollen die USA, Japan, Kanada und Russland wissen, wie die EU ihre Schuldenkrise in den Griff bekommt. Um Wachstum und neue Arbeit splätze zu schaffen, wird auch eine transatlantische Freihandelszone angedacht. Entscheidungen sind aber vom G-8-Gipfel nicht zu erwarten.
Die Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO ruht in diesem Jahr. Das war wegen der anstehenden Wahlen in den USA und den Präsidentschaftswahlen in Frankreich schon vorher klar. Inzwischen schwindet aber auch die Hoffnung auf Wiederbelebung der multilateralen Handelsgespräche bei der WTO in Genf. Immer mehr Länder bemühen sich deshalb eigenständig um Handelsabkommen mit einzelnen Partnern. Das klingt wegen der geringen Anzahl der Beteiligten einfacher, ist es aber in der Praxis kaum. Besonders die USA haben zahlreiche Initiativen für die Einrichtung von Freihandelszonen gestartet, mit bisher nur mäßigem Erfolg. Kürzlich haben auch die EU und die USA ein solches Projekt ins Auge gefasst. Die beiden alten Handelsgiganten verlieren stetig Anteile auf dem Weltmarkt, vor allem an China.
Handel zwischen EU und USA gebremst
Die Schwäche der EU und der USA lässt einen Zusammenschluss sinnvoll erscheinen. Doch vor dem angestrebten transatlantischen Freihandel steht eine Fülle von Problemen: Die Durchschnittszölle sind mit 5 bis 7% des Warenwertes zwar schon recht niedrig, doch wird der Handel zwischen der EU und den USA durch zahlreiche rechtliche Hindernisse behindert. Immer wieder gehen die Meinungen über die richtige Qualität, Hygiene und die Bezeichnung von Lebensmitteln auseinander. So hat keine deutsche Molkerei die Erlaubnis, Frischeprodukte wie Topfen oder Joghurt in den USA zu verkaufen. Die europäischen Anbieter von Wein- und Spirituosen beklagen sich ebenfalls über zahlreiche offene Punkte, die den Handel erschweren. Ganz zu schweigen von den großen Streitpunkten wie der Gentechnik und dem hormonbehandelten Fleisch. Außerhalb des Agrarsektors benachteiligen die USA bei öffentlichen Ausschreibungen ausländische Anbieter, und die Dienstleister der EU würden gerne zu besseren Bedingungen a uf dem amerikanischen Markt Fuß fassen.
Die Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen, bei dem die Zölle kaum eine Rolle spielen, dafür aber eine Fülle von Einzelfallregelungen zu treffen sind, werden sicherlich mühsam. Man geht deshalb auf beiden Seiten vorsichtig an die Sache heran. Eine transatlantische Arbeitsgruppe wird zunächst die Vor- und Nachteile eines Abkommens ausloten. Ende Juni soll die Arbeitsgruppe einen Zwischenbericht vorlegen und endgültige Empfehlungen bis zum Jahresende aussprechen. Vor den Präsidentschaftswahlen in den USA im November können die Verhandlungen ohnehin nicht beginnen.
Zunehmende Fleischimporte befürchtet
Sorgen machen sich die EU-Mitgliedstaaten auch im Landwirtschaftsbereich. Vor allem zunehmende Fleischimporte werden nach einer Öffnung der Grenzen befürchtet. Deshalb ist mit heftigen Widerständen gegen ein Freihandelsabkommen vor allem in Irland und Frankreich zu rechnen. Viel einfacher für den EU-Agrarsektor ist das geplante Abkommen mit Japan. Hier hat die EU fast ausschließlich das Interesse, mit seinen Qualitätsprodukten besser auf den japanischen Markt zu kommen. Zunehmende Lebensmittelimporte sind aus diesem Land kaum zu erwarten. Hier fürchtet eher der Industriesektor die starke Konkurrenz der leistungsfähigen japanischen Fahrzeug- oder Elektronikbranche. Am 28.05. wird sich auf dem Gipfeltreffen EU-Japan in Brüssel zeigen, was möglich ist.
Schweiz wichtiger Markt für USA
Die USA sind der grösste Absatzmarkt für EU-Agrarprodukte, noch vor Russland und der Schweiz; 2011 wurden nach Angaben der Europäischen Kommission Waren im Wert von 14,6 Milliarden Euro aus der EU dorthin ausgeführt. Die Schweiz als kleines Vergleichsland sei tatsächlich ein wichtiger Exportmarkt für die EU, bestätigt Beat Röösli, der beim Schweizerischen Bauernverband (SBV) den Bereich Internationales leitet. Durch eine Marktöffnung mit den USA wäre wohl auch die Schweiz betroffen, indem die Importpreise eventuell sinken würden. «Wie gross dieser Einfluss sein könnte, ist kaum abzuschätzen», meint er.
Jedoch gehe er davon aus, dass das Abkommen keine grossartigen Liberalisierungen mit sich bringe und daher der Einfluss auf die Schweiz insgesamt gering wäre. Je nach Produktsegment würde es mehr oder weniger ausmachen. Man dürfe aber die mutmasslichen Auswirkungen auf die Schweiz nicht überschätzen, betont Röösli. Denn eigentlich gehe es nicht um ein umfassendes Freihandelsabkommen, sondern um ein Handelsabkommen über Regeln und partielle Liberalisierungen beim Marktzugang. «Die USA und die EU würden sich aber nie auf eine völlige Liberalisierung einigen», gibt er sich überzeugt. Die Unterschiede zwischen den beiden Märkten seien enorm und beide haben auch eine identifikatorische Beziehung zu ihrer Landwirtschaft: «Beides sind zudem wichtige Agrarexporteure, die ihre Inlandpreise teilweise über Exportsubventionen steuern.» Nichtsdestotrotz gebe es mit Sicherheit da und dort Optimierungspotenzial, welches die Unterhändler finden und in das Abkommen integrieren möchten. Bedeutender für die Schweiz könnten Harmonisierungen von Handelsregeln und Rahmenbedingungen sein, die mit einem Agrarabkommen verbunden werden. «Automatisch wäre die Schweiz dann betroffen, da wir mit der EU zahlreiche diesbezügliche Vereinbarungen haben und bei unserem kleinen Markt und unseren intensiven Handelsflüssen auf kompatible Regeln angewiesen sind», fügt Röösli an.


