Die EU-Kommission hat am Montag in Brüssel im Rahmen eines Massnahmenpakets für Gesundheits- und Sicherheitsstandards bei Lebensmittel ihre Saatgut-Verordnung vorgestellt, deren Entwurf bereits im Vorfeld stark umstritten war. Die Verordnung sieht Ausnahmen für die Nutzung traditioneller Sorten sowie für Kleinunternehmen vor.
Für althergebrachte Sorten würden weiter abgeschwächte Registrierungsvorschriften gelten, die Erfordernis nach Tests entfalle für sie, sagte der zuständige Konsumentenschutz-Kommissar Tonio Borg.
Nischenanbieter müssen nicht zwingend Saatgut registrieren
Ausserdem könnten Mikrounternehmen Saatgut «jeden Typs als für Nischenmärkte bestimmtes Material» ohne Registrierung auf den Markt bringen. Sie bräuchten zudem keine Registrierungsgebühren zu bezahlen, sagte Borg weiter. Konkret sieht die EU-Kommission vor, dass Unternehmen bis zu zehn Angestellten und einem jährlichen Umsatz von bis zu zwei Millionen Euro das für Nischenmärkte bestimmte Saatgut ohne Registrierung auf den Markt bringen können.
Borg sprach von «Missverständnissen» im Zusammenhang mit der im Vorfeld geäusserten Kritik an den Plänen der EU-Kommission für traditionelle Sorten von Saatgut. Nichtregierungsorganisationen hatten befürchtet, dass die neuen EU-Regelungen den grossen Agro-Chemiekonzerne zu sehr in die Hände spielten. Sie machten ausserdem auf die heute bestehende dominante Position einiger wenigen Konzerne auf dem Saatgutmarkt aufmerksam.
Hobbygärtner von Regelung ausgenommen
Ausgenommen von dem Anwendungsbereich der Verordnung ist nach Angaben der EU-Kommission der Einsatz von Saatgut für private Zwecke. Hobbygärtner könnten weiterhin jede Art von Pflanzenvermehrungsmaterial erwerben und ihr Saatgut in kleinen Mengen auf dem Markt bereitstellen, erklärte die Kommission.
Das Gesetzespaket besteht insgesamt aus fünf Rechtsakten, welche die Tier- und Pflanzengesundheit regeln. Bevor es in Kraft treten kann, müssen der EU-Ministerrat und das Europaparlament darüber entscheiden. Borg begründete den Vorstoss der Brüsseler Behörde mit einer angestrebten Vereinfachung und Modernisierung der geltenden Regelung, die aktuell aus rund 70 Rechtsakten bestehen.
Im Agrarabkommen geregelt
Das Thema Saatgut ist im Agrarabkommen zwischen der Schweiz und der EU geregelt. Die beiden Vertragspartner erlauben auf ihrem Gebiet den Verkauf jener Sorten, die in die jeweiligen Sortenkataloge aufgenommen sind. Dazu müssen die neuen Sorten gewisse Bedingungen erfüllen - etwa, dass die aus dem Samen erwachsene Pflanze über mehrere Generationen hinweg «stabil» bleibt.
Ist die Sorte erst einmal im Katalog eingetragen, darf das in der EU produzierte Saatgut in der Schweiz zu kommerziellen Zwecken frei verkauft werden - und umgekehrt.
Die so genannten traditionellen Sorten sind weder in der EU noch in der Schweiz im Sortenkatalog enthalten, da sie die vorgegeben Bedingungen nicht erfüllen. Damit sind diese wie bisher nicht über die Grenze handelbar. Innerhalb der Schweiz darf Saatgut von traditionellen Sorten aber verkauft werden.
Lehren aus dem Pferdefleisch-Skandal
Die EU-Kommission wolle ausserdem die Lehren aus dem jüngsten Pferdefleischskandal ziehen, sagte er. So könne die EU-Kommission mit den neuen Vorschriften künftig den EU-Staaten entsprechende DNA-Tests vorschreiben, nicht nur empfehlen.
Zu der von verschiedenen EU-Staaten verlangten Herkunftskennzeichnung von verarbeitetem Fleisch zeigte sich Borg zurückhaltend. Bis Sommer werde die EU-Kommission eine Folgenabschätzung vornehmen, und dann entscheiden, ob die Kennzeichnung erweitert werden soll.
«Ich bin offen in dieser Frage», sagte der EU-Kommissar. Er betonte aber, dass auch ein System von Herkunftskennzeichnung für verarbeitetes Fleisch den jüngsten Skandal nicht verhindert hätte, weil es sich dabei um Betrug gehandelt habe.


