Die Meinungen in der Schweizer Landwirtschaft zu den neuen EU-Verträgen gehen (weit) auseinander. Mutterkuh Schweiz hat sich für die Verträge ausgesprochen.
Lorena Gutknecht
Am 13. Juni hat der Bundesrat die neuen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU genehmigt. Bis Ende Oktober haben Parteien, Verbände und Organisationen die Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen. Wird das Referendum ergriffen kommt es frühestens 2027 zu einer Volksabstimmung.
Auf die Schweizer Landwirtschaft haben diese Verträge zentrale Auswirkungen. Auf der einen Seite steht ein gesicherter und verbesserter Zugang zum EU-Markt. Auf der anderen Seite werden Befürchtungen über einen Souveränitätsverlust und einen erhöhten Preisdruck geäussert.
Gegen die Verträge stellt sich vor allem die SVP, die auch als «Bauernpartei» bezeichnet wird. Für die Verträge haben sich hingegen bereits einige Landwirtschaftsverbände ausgesprochen. Wie aber werden sich letztlich die einzelnen Bauern und Landwirtinnen entscheiden? Die «Sonntagszeitung» vermutet, dass sich der Konflikt zwischen den Bauern, der SVP und den Landwirtschaftsverbänden ausweiten wird.
Sollen Verbände bestraft werden?
Einen Vorboten dieses Konflikts erkennt die «Sonntagszeitung» in einem Vorstoss von Nationalrat Nicolas Kolly (SVP/FR). In einer Motion fordert er, dass Milchproduzenten die Branchenverbände nicht mehr finanziell unterstützen müssen. Dies Motion habe den Charakter einer Strafaktion, heisst es im Bericht. Sie richte sich gegen die Branchenorganisation Milch (BOM), die sich Anfang des Jahres für die neuen Verträge mit der EU ausgesprochen hat. Diese Verträge seien jedoch schlecht für die Milchproduzenten, so Kolly. Diese dazu zu verpflichten eine Organisation zu unterstützen, die nicht ihre Interessen vertrete, sei nicht sinnvoll.
-> Zahlen Milchbauern in den falschen Topf ein?
Kolly wolle die BOM dafür zwar nicht bestrafen, aber man müsse reagieren «wenn landwirtschaftliche Organisationen Entscheidungen fällen, die unseren Interessen entgegenlaufen», wird Kolly in der «Sonntagszeitung» zitiert.
Auf der einen Seite sprechen sich immer mehr Landwirtschaftsverbände für die Verträge aus. Die SVP, angeführt von Landwirt Marcel Dettling, stellt sich jedoch vehement gegen die Verträge. Wie sollen sich also Bauern und Landwirtinnen positionieren?
«Gut für die Schweizer Agrarwirtschaft»
Die Interessengemeinschaft Agrarstandort Schweiz (IGAS) betrachtet das neue Vertragspaket mit der EU als zentral für die Sicherung der Interessen der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft. Nur durch eine Erneuerung und Stabilisierung der Verträge können die bestehenden Vorteile der bilateralen Beziehungen erhalten bleiben.
Laut offizieller Darstellung bleibt die Unabhängigkeit der Schweiz gewahrt und die Landwirtschaft profitiert weiterhin von Marktzugang, Grenzschutz und günstigen Beschaffungsmöglichkeiten. «Vom Verhandlungsergebnis des Bundesrats hätte sich die Landwirtschaft kaum mehr wünschen können», wird Christof Dietler, Geschäftsführer der IGAS, in der «Sonntagszeitung» zitiert.
Agronom Christof Dietler ist Geschäftsführer der IG Agrarstandort Schweiz IGAS.
zvg
-> Neue EU-Verträge: «Gut für die Schweizer Agrarwirtschaft»
Die Reaktion von SVP-Präsident Marcel Dettling auf die Stellungnahme der IGAS sei «heftig» ausgefallen. «In der Demokratie darf man sich auf den Deckel geben. Aber das war zu viel», sagt Dietler. Auch die Mitglieder der IGAS hätten wütende Reaktionen von Seiten der Bäuerinnen und Landwirte erhalten. IP-Präsident Andreas Stalder ist sich laut dem Bericht der «Sonntagszeitung» sicher, dass sich dieser Konflikt noch ausweiten werde.
-> Coop und Migros sind für EU-Paket (auch Bio Suisse und Mutterkuh Schweiz)
Wer ist IGAS?
IG Agrarstandort Schweiz (IGAS) ist eine Plattform und ein Verein, der Organisationen und Unternehmen der gesamten Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft zusammenbringt. Sie versteht sich als Sprachrohr für Landwirte, Verarbeiter, Händler, Konsumenten und weitere Akteure entlang der Wertschöpfungskette.
Zu den bedeutendsten Mitglieder gehören: IP-Suisse, Bio Suisse, Mutterkuh Schweiz, Thur Milch, Suisseporcs, Fromarte, Swisscofel, Biscosuisse, Ökostrom Schweiz, Schweizer Hagel, Emmi, Cremo, Bell, Nestlé Suisse, Elsa, Migros, Coop, GastroSuisse, Stiftung für Konsumentenschutz. ome
SVP-Präsident Dettling warnt
Die SVP, die grösste Partei der Schweiz, nehme für sich in Anspruch, zu wissen, was die Bauern brauchen und wollen, heisst es weiter. Der «Schweizer Bauer» hat SVP-Präsident Dettling in einem Interview zu seiner kritischen Haltung gegenüber den EU-Verträgen befragt. Marcel Dettling äussert sich darin sehr kritisch über die breite Unterstützung des neuen Vertragspakets aus den Reihen der Land- und Ernährungswirtschaft.
Er wirft diesen Akteuren Naivität und mangelndes Verständnis für die langfristigen Konsequenzen vor und sieht das Wohl der Bauernfamilien gefährdet. So warnt Dettling vor einer enormen Zunahme der Bürokratie durch die Verträge. Er sieht die Gefahr, dass bisherige Schweizer Sonderregelungen durch spätere EU-Entscheide aufgehoben werden könnten. Für Dettling und die SVP sei klar: Solange die Schweiz automatisch EU-Recht übernehmen und sich dem EU-Gerichtshof unterwerfen müsste, lehnen sie das Vertragspaket ab.
-> Lesen Sie hier das vollständige Interview: «An das Wohl der Bauern wird nicht gedacht»
Schweizer Bauernverband nimmt sich Zeit
Für den Schweizerischen Bauernverband (SBV) sei die Situation heikel, schreibt die «Sonntagszeitung». Dies sei auch ein Grund, weshalb der SVB bisher so zurückhaltend war. Gemäss SVB-Sprecherin Sandra Helfenstein sei es für den SVB wichtig, einen sauberen Prozess zu wahren.
Für Sandra Helfenstein, SBV-Mediensprecherin, sind «heisse Diskussionen» vorprogrammiert.
zvg
Konkret heisst das, dass sich zurzeit neun SVB-Experten mit dem Vertragswerk auseinandersetzen. Anschliessend findet eine verbandsinterne Vernehmlassung statt. Bis spätestens Ende Oktober (zur Erinnerung: Die Vernehmlassung endet am 31. Oktober) wolle der SVB Stellung beziehen. «Es wird auf jeden Fall heisse Diskussionen geben», wird Helfenstein von der «Sonntagszeitung» zitiert.
"Die Europäische Kommission plant, den Geldtopf für die Agrarpolitik mit anderen Politikbereichen zusammenzulegen und die Förderkriterien zu ändern. Landwirte protestieren gegen mögliche Kürzungen, während finanzstarke EU-Staaten wie Deutschland nicht mehr zahlen wollen."
Ausser einige, die noch mehr Bürokratie und Kontrollen wollen.
Die "dynamische Rechtsübernahme" bedeutet die Aufgabe einer schweizerisch angepasster Gesetzgebung bzw. Landwirtschaftspolitk. Kurzfristige Vorteile werden durch die EU Dynamik mittelfristig eingedampft, sie geniessen danach keinen Rechtsanpruch mehr.