Der Klimawandel hat auch heuer wieder voll zugeschlagen und er hat sich in der Steiermark im Ackerbau mit einem neuen grimmigen Gesicht gezeigt. «Haben im Vorjahr Hitze und Trockenheit die Ernte wichtiger Kulturen erheblich dezimiert, stand sie heuer durch den anhaltenden Dauerregen und den viel zu tiefen Temperaturen teils auf Messers Schneide», analysiert Landwirtschaftskammer (LK) Steiermark-Präsident Franz Titschenbacher die bisher noch nie so herausfordernde Anbau- und beginnende Vegetationszeit wie im Jahr 2023.
Diese extreme Witterung hat massive Spuren bei wichtigen Kulturen hinterlassen. Sie führte zu einer Ertragsmisere bei Mais. Bei den wärmeliebenden Kürbiskulturen hat die Kombination aus nass-kühler Witterung und fehlendem Beizschutz die Kernerträge drastisch einbrechen lassen.
Schlecht ausgefallen ist auch die Gerstenernte, bei Erdäpfeln gab es teils Totalausfälle. Einmal mehr haben Spätfröste die Apfelernte um 40% reduziert. Vom vielen Regen profitiert hat hingegen das Grünland, das in den vergangenen fünf Jahren ständig unter starker Trockenheit gelitten hat, allerdings war die Heuernte und Silage-Bereitung meist in nur kleinen Zeitfenstern möglich. Auch gentechnikfreies Soja hat die Witterung erfreulicherweise gut verkraftet.
Winter viel zu warm, Frühjahr viel zu kalt und dazu anhaltender Dauerregen
Noch nie waren die österreichischen Bäuerinnen und Bauern mit derart lange anhaltenden Niederschlagsphasen konfrontiert wie heuer. Das Problemfenster hat sich erweitert: Im Grossraum Bad Radkersburg zogen sich die anhaltenden Niederschläge über die Monate April, Mai, Juni und Juli - es fiel mehr als die doppelte Niederschlagsmenge verglichen mit dem langjährigen Schnitt. Im Raum Fürstenfeld waren es im April und Mai um 70% mehr Regen.
«In den Hauptackerbauregionen konnten folglich die Äcker vielfach nicht befahren werden, eiskalter Regen beeinträchtigte Aufgang und Wachstum der Kulturen, vielfach müsste kostenintensiv nachgesät werden oder die Kulturen wurden teuer neu angebaut», gibt Titschenbacher Einblick in die sehr schwierige Anbau- und Vegetationszeit im gesamten Frühjahr.
Im Schnitt war es im Winter um rund 4°C zu warm sowie im April und Mai um rund 2°C zu kalt. Auch die Zahlen der Österreichischen Hagelversicherung bescheinigen diese Problematik: 2.538 Überschwemmungsmeldungen haben ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht. Der Gesamtschaden durch Wetterkapriolen lag 2023 in der Steiermark bei 39 Mio. Euro, wovon 23 Mio. durch Frost (Obst) und 16 Mio. durch Hagel entstanden sind.
Bauern steuern gegen Klimawandelfolgen: Schlüsselrolle Boden - auf gutem Weg!
«Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Boden ein. Hier sind die steirischen Bäuerinnen und Bauern auf einem guten Weg, die Widerstandskraft der Böden gegen Niederschläge zu verbessern», betont Titschenbacher und verweist in diesem Zusammenhang auf das von der Landwirtschaftskammer in Feldbach (Bezirkskammer Südoststeiermark) eingerichtete Kompetenzzentrum für Acker, Humus und Erosionsschutz. Und weiter: «Unsere Humusberater unterstützen die Ackerbauern beim Humusaufbau beispielsweise durch Begrünungen. Mehr Humus am Acker schützt Pflanzen und Böden vor Regen und Trockenheit, unterstützt die Bodenfruchtbarkeit und verhindert Abschwemmungen von wertvollsten, obersten Bodenschichten, Erosionen sowie Erdanlandungen auf Strassen». Im Jahr 2023 haben sich 2.638 steirische Ackerbauern mit 25.906 ha sich besonders dem Humusaufbau durch Begrünungen von Ackerflächen verschrieben.
Immer mehr Betriebe erzeugen deutlich mehr Eiweiss am hofeigenen Grünland
Eiweiss selbst zu erzeugen, um die internationale Abhängigkeit zu reduzieren und damit Klimaschutz zu betreiben, ist ein wichtiges Ziel der steirischen Grünlandbauern. Auch hier tragen die Anstrengungen der Grünlandfachberater und Experten im von der Landwirtschaftskammer geschaffenen Kompetenzzentrum «Grünland» in der Bezirkskammer Murtal (Judenburg) wichtige Früchte. Seit 2017 läuft das Projekt «Mehr Eiweiss vom Grünland durch abgestufte Wiesennutzung». Kammerdirektor Werner Brugner: «Die Grünlandfachberatung und die Arbeitskreise Milch und Rinder zeigen, dass die Landwirtschaft mit gezielten Weichenstellungen die Eiweissproduktion vom hofeigenen Grünland erhöhen kann.» Gleichzeitig wird die Biodiversität erhöht, indem magere Wiesen gezielt extensiviert und gute Standorte intensiver bewirtschaftet werden. So werden Wildinsekten gefördert, Kräuter und Gräser können versamen.
Herbert Lebitsch, Ackerbauer und Direktvermarkter, Altenmarkt: «Meine Äcker sind das ganze Jahr über mit Pflanzen bedeckt. Nach der Getreide-, Kürbis- sowie Ackerbohnen-Ernte säe ich rasch Begrünungssaatgut, sodass auch im Herbst und Winter die Flächen mit Pflanzen begrünt sind - eine wichtige Nahrung für das vielfältige Bodenleben.» Und weiter: «So wird Humus aufgebaut, der Boden kann bei Dauer- oder Starkregen das Wasser besser aufnehmen, bei Trockenheit die gespeicherte Feuchtigkeit besser den Pflanzen zur Verfügung stellen und die Bodenfruchtbarkeit erhöht sich.» Weitere Vorteile sind, so Lebitsch: «Die nährstoffreiche Erde wird bei Dauer- und Starkregen nicht abgeschwemmt, der Humus bleibt am Feld und landet nicht auf der Strasse.»