Die schwächelnde Konjunktur unterbricht die Serie von Zinserhöhungen im Euroraum vorerst nicht: Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt den Leitzins um weitere 0,25 Punkte auf 4,5 Prozent an. Der EZB-Rat beschloss damit am Donnerstag die zehnte Zinserhöhung in Folge seit Juli 2022.
So hoch war der Zins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der EZB besorgen können, zuletzt im August 2001. Der Einlagenzins, den Banken für geparkte Gelder bei der EZB erhalten, erreicht mit nun 4,0 Prozent sogar das höchste Niveau seit Bestehen der Währungsunion 1999. Sparerinnen und Sparer dürfen auf bessere Angebote von Banken und Sparkassen hoffen. Kredite könnten sich dagegen weiter verteuern.
Zinsgipfel erreicht?
Mit der Entscheidung vom Donnerstag könnte die EZB ihren Zinsgipfel erreicht haben. Auf die Frage, ob die Tür für weitere Anhebungen offen bleibe, verwies EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf die im obersten Entscheidungsgremium der Notenbank abgestimmte Erklärung: «Auf Grundlage seiner aktuellen Beurteilung ist der EZB-Rat der Auffassung, dass die EZB-Leitzinsen ein Niveau erreicht haben, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird.»
Der EZB-Rat werde dafür sorgen, dass die Leitzinsen «so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden», betonte Lagarde. Die Französin sagte aber auch: «Wir wollen damit nicht sagen, dass wir jetzt den Höhepunkt erreicht haben.» Mit der beispiellosen Serie von Zinserhöhungen seit Juli 2022 stemmt sich die EZB gegen die hartnäckig hohe Teuerung.
Hohe Inflation geht langsamer zurück
Die Notenbank rechnet damit, dass die Inflation langsamer zurückgehen wird als noch vor drei Monaten erwartet. Für dieses Jahr rechnet die EZB nun mit einer Teuerungsrate von 5,6 Prozent. In ihrer Juni-Prognose war sie von 5,4 Prozent ausgegangen. Für 2024 sagt die Notenbank ebenfalls eine höhere Teuerungsrate von 3,2 (Juni: 3,0) Prozent voraus. 2025 wird eine etwas niedrigere Rate von 2,1 (2,2) Prozent erwartet.
Mit der beispiellosen Serie von Zinserhöhungen versucht die EZB, die hartnäckig hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken. Weil teurere Kredite zugleich eine Last für die Wirtschaft sind, waren zuletzt Forderungen nach einer Zinspause lauter geworden.
Konjunkturschwäche im Euroraum
Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 0,7 Prozent wachsen und damit etwas weniger als die im Juni vorhergesagten 0,9 Prozent. Auch die Aussichten für das kommende Jahr sind mit 1,0 (Juni-Prognose: 1,5) Prozent gedämpfter.
Die Inflation bremst den privaten Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur, weil die Menschen sich für ihr Geld weniger leisten können. Die jüngsten Daten zeigten, «wie hartnäckig das Biest Inflation» sei, hatte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel kürzlich dem «Handelsblatt» gesagt. «Wir sind zwar ein gutes Stück bei der Inflationsbekämpfung vorangekommen. Unseren Zielwert für die Inflation haben wir aber längst noch nicht erreicht.»
Immerhin gab es in den jüngsten Inflationsdaten einen Hoffnungsschimmer: Die Kernteuerung im Euroraum – das ist die Rate ohne schwankungsanfällige Preise für Güter wie Energie und Lebensmittel – ging von 5,5 Prozent im Juli auf 5,3 Prozent im August zurück. Bei der Kernteuerung erwartet die EZB für das Gesamtjahr 2023 einen Wert von 5,1 Prozent und 2,9 Prozent im Jahr 2024.