In Frankreich wirft das von der Regierung angekündigte Gesetz zur Stärkung der Position der Landwirte in der Lebensmittelkette seine Schatten voraus. Nicht zuletzt durch die Bauernproteste sind die landwirtschaftlichen Einkommen wieder stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Der oftmals in diesem Zusammenhang diskutierte Einfluss des Lebensmitteleinzelhandels ist zumindest aus Sicht der Handelsunternehmen aber viel geringer als üblicherweise angenommen.
Laut einem Positionspapier des Gross- und Einzelhandelsverbandes (FCD) ist die aktuelle Krise in der Landwirtschaft in erster Linie eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit. Die Branche sei mit grundlegenden strukturellen Problemen konfrontiert, heisst es. Genannt werden hohe Produktionskosten, der Verlust von Exportmärkten sowie der Wandel zu nachhaltigeren Wirtschaftsmodellen.
Einzelhandel nicht einziger Abnehmer
Wie der FCD betont, ist der Einzelhandel keinesfalls der einzige Abnehmer der Produzenten. Neben dem Auslandsabsatz spielten auch die Lebensmittelhersteller und die Ausser-Haus-Verpflegung bedeutende Rollen. Nicht gelten lassen will man beim Verband das Argument der Konzentration von Marktmacht aufseiten des Handels.
Diese entspreche in Frankreich dem europäischen Durchschnitt, erklärt der FCD und verweist auf die Lebensmittelhersteller. In diesem Sektor entfielen auf die grossen Konzerne lediglich 2% der Beschäftigten, aber 86% des Umsatzes und 92% der Gewinne. Die Vormachtstellung weniger Hersteller zeige sich auch bei den führenden Marken im Lebensmittelmarkt, die in ihrem jeweiligen Segment oftmals Anteile von mehr als 50% erreichten.
Nettomargen vergleichsweise gering
Zumindest bei Milch und Rindfleisch machen die Einnahmen aus Verkäufen an den Lebensmitteleinzelhandel laut FCD nur einen vergleichsweise geringen Anteil an den landwirtschaftlichen Betriebseinkommen aus. Gemäss dem Papier erhält ein durchschnittlicher Milchviehbetrieb zwar 71% seiner Einkünfte aus dem Verkauf von Milch.
Allerdings soll der Anteil des Handels nur 25% betragen. Ähnlich sieht es beim Rindfleisch aus. Hier erwirtschaften die Betriebe nach den Zahlen des FCD 49% ihrer Einnahmen mit Fleisch, wobei aber nur 23% der diesbezüglichen Erlöse vom Verkauf an den Einzelhandel stammen sollen.
Geringe Margen
Die Margen der Handelsunternehmen sind den Angaben des FCD zufolge im Lebensmittelbereich oftmals gering oder sogar negativ. Für Frischfleisch weist die Branchenorganisation für das Jahr 2021 eine durchschnittliche Nettomarge von Minus 1,4% aus. Gut doppelt so viel soll es bei Backwaren sein. Bei Milchprodukten sollen im Mittel 0,6% erreicht werden, bei frischem Obst und Gemüse 2,9%.
Aus Sicht des Handels lohnender sind Geflügel und Wurstwaren, bei denen Nettomargen von 5,9% beziehungsweise 6,4% erreicht werden. Das schlägt sich auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene nieder. Gemäss dem Papier haben die grossen französischen Einzelhandelskonzerne 2022 in ihren Unternehmensbilanzen Nettomargen von 0,7% erreicht. Internationale Lebensmittelkonzerne brachten es hingegen auf 11,9%, die dominierenden französischen Hersteller auf 8,6%.