Angesichts der jüngsten Preisentwicklung für Agrargüter sei zwar Wachsamkeit angebracht, eine weltweite Nahrungsmittelkrise gäbe es derzeit allerdings nicht.
Das hat José Graziano da Silva, der Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), vergangene Woche in Rom unterstrichen. Graziano da Silva erklärte anlässlich der Veröffentlichung des FAO-Nahrungsmittelpreisindex für August, die Weltgemeinschaft könne und müsse Schritte unternehmen, um die Märkte weiter zu beruhigen. Wie aus den Zahlen der UN-Organisation hervorgeht, blieb eine weitere Erhöhung des Preisindex aus, nachdem im Juli ein Ausschlag um 6 % nach oben gemessen worden war. Zuvor war die Kennzahl drei Monate in Folge gesunken. Gleichzeitig appellierte die FAO gemeinsam mit dem Internationalen Fonds für Ländliche Entwicklung (IFAD) und dem Welternährungsprogramm (WFP) an die Weltgemeinschaft, schnell zu handeln, damit sich die Krise von 2007/08 nicht wiederhole. Die drei in Rom angesiedelten UN-Agenturen fordern sowohl kurzfristige Maßnahmen, um akute Versorgungsprobleme wegen hoher Nahrungsmittelpreise abzumildern, als auch mehr Mittel für Investitionen in den langfristigen Aufbau der Landwirtschaft in Entwicklungsländern.
Konstante Getreidepreise
Der FAO-Index lag im August bei 218 Punkten; das waren 25 Punkte weniger als der im Februar 2011 erreichte Rekordwert und 18 Punkte weniger als vor einem Jahr. Der FAO-Getreidepreisindex wurde mit 260 Punkten angegeben und blieb damit mit Monatsvergleich ebenfalls konstant. Eine gewisse Verteuerung von Weizen und Reis wurde dabei von geringeren Maispreisen aufgefangen. Nachdem die Getreidepreise Anfang August weiter im Aufwind waren, entspannte sich die Lage zum Monatsende. Die FAO führt dies insbesondere auf lange erwartete Niederschläge in den USA Ende August zurück sowie auf die Ankündigung Russlands, keine Exportbeschränkungen für Getreide einzuführen. Nichtsdestotrotz geht die FAO von einer spürbar knapperen Versorgungslage für 2012/13 aus. Gegenüber der Julischätzung korrigierte sie ihren Ausblick auf die Welt-Getreideproduktion um 4 % nach unten. Es dürften jetzt noch insgesamt 2 295 Mio t von den Feldern geholt werden - 52 Mio t oder 2,2 % weniger als im vergangenen Jahr. Der Bedarf wird dagegen auf 2 317 Mio t veranschlagt.
Bestände schrumpfen
Die Ernte wird laut FAO also wahrscheinlich nicht ausreichen, um die erwartete Nachfrage zu decken; die Bestände dürften stärker sinken als zuvor erwartet. Während sich die Weizenproduktion im laufenden Wirtschaftsjahr bei deutlichen Verlusten in Osteuropa sowie Zugewinnen in den USA, Indien und China auf 668 Mio t belaufen dürfte, wird das globale Grobgetreideaufkommen mit 1 148 Mio t angegeben. Das wären 17 Mio t oder 1,8 % weniger als 2011. Dabei müssen Maiserzeuger überproportionale Einbußen hinnehmen: Laut FAO dürfte die Produktion um 20 Mio t auf 864 Mio t fallen. Daneben meldete die Organisation im Monatsvergleich ein unverändertes Preisniveau von Ölen und Fetten, eine Verteuerung von Fleisch um durchschnittlich 2,2 % sowie 1,6 % höhere Preise für Milchprodukte. Für Zucker hingegen wurde ein spürbarer Fall des Preisindex um 8,5 % festgestellt. Das sind sogar 25 % weniger als vor einem Jahr. Die FAO führt dies auf verbesserte Ernteaussichten in Brasilien und Indien zurück.
Wider Exportbeschränkungen
In ihrem Aufruf werten FAO, IFAD und WFP ausreichende soziale Sicherungssysteme als zentralen Schutzmechanismus gegen hohe Nahrungsmittelpreise - hier gebe es in zahlreichen armen Ländern enormen Nachholbedarf. Ferner appellieren sie an die Vernunft der Regierungen, von Panikkäufen und Exportbeschränkungen Abstand zu nehmen. Solche Maßnahmen sorgten allenfalls für kurzzeitige Erleichterungen daheim, seien aber insgesamt ineffizient und erschwerten die Lage für den Rest der Welt. Gleichzeitig stellen die UN-Einrichtungen klar, dass hohe Nahrungsmittelpreise nur das Symptom, aber nicht die Ursache des Problems seien. Neben Dürren und Überflutungen machen sie auch die staatlich forcierte Biokraftstoffförderung sowie den Anstieg der Finanzspekulation mit Agrarprodukten für Preisspitzen verantwortlich. Bereits in einem guten Jahr reiche die Welt-Getreideernte von heute kaum noch aus, um die Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Futter und Biokraftstoffen zu bedienen. Lediglich eine Handvoll Staaten produziere das Gros der Grundnahrungsmittel; deren Ernteschwankungen schlügen auf den Weltmarkt durch. Es sei eine Herausforderung, aber auch eine Gelegenheit, dieses Risiko zu verteilen und zu verringern.