Trotz leeren Kirchenbänken: Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung glauben an einen einzigen Gott oder an eine höhere Macht. Auch der Glaube an Engel, Heiler und Hellseher ist weit verbreitet, besonders bei Frauen.
Zum ersten Mal erlaubt eine gross angelegte Erhebung einen vertieften Einblick in die religiösen und spirituellen Gewohnheiten der Schweizerinnen und Schweizer. Demnach geben über 20 Prozent von ihnen an, keine Religion zu haben. Aber nur jede achte Person ist überzeugt, dass es keinen Gott gibt, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) am Freitag ausführte.
Am häufigsten zu Hochzeiten oder Beerdigungen
Fast jeder und jede Zweite glaubt an einen einzigen Gott und jeder Vierte an eine höhere Macht. Von den katholischen und protestantischen Befragten gaben 59 respektive 46 Prozent an, an einen einzigen Gott zu glauben. Bei den anderen evangelikalen und bei den muslimischen Gemeinschaften sind es mit je rund 90 Prozent deutlich mehr.
Die Religionsumfrage wurde vom BFS 2014 im Rahmen der Volkszählung durchgeführt. Fast ein Drittel der 16'500 Teilnehmer wohnt nach eigenem Bekunden nie einem Gottesdienst bei, gut 40 Prozent tun es maximal fünf Mal pro Jahr. Der Grossteil (87 Prozent) der Gelegenheitsbesucher geht aus gesellschaftlichem Anlass hin, sei es zu Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen.
Evangelikalische Gemeinden am frömsten
Fast jedes zweite Mitglied der muslimischen Gemeinschaften gibt an, in den letzten zwölf Monaten vor der Erhebung keinen Gottesdienst besucht zu haben. Das ist der zweithöchste Wert hinter jenem der Konfessionslosen. Bei den Muslimen ist auch der Anteil der Personen, die nie beten, mit 40 Prozent deutlich höher als bei Protestanten und Katholiken.
Als am frömmsten erweisen sich die Mitglieder anderer evangelikaler Gemeinden und Sekten. So besuchen gemäss BFS fast drei Viertel von ihnen mindestens einmal wöchentlich einen Gottesdienst, ein Drittel betet mehrmals täglich und die Hälfte täglich oder fast täglich.
Frauen häufiger gläubig oder spirituell
Frauen beten häufiger als Männer. 35 Prozent von ihnen geben an, täglich oder fast täglich zu beten. Bei den Männern sind es 20 Prozent. Die Mehrzahl der Frauen (58 Prozent), aber nur ein gutes Drittel der Männer (37 Prozent) glaubt auch eher oder sicher an Engel oder an «übernatürliche Wesen, die über uns wachen».
Mehr als jede zweite Frau (56 Prozent) ist sich zudem gewiss, dass es Personen gibt, die über die Gabe des Heilens oder Hellsehens verfügen. Auch bei den Männern glaubt das noch ein beachtlicher Teil (42 Prozent). Am häufigsten suchen die Romands Heilerinnen oder Heiler auf, mit 13 Prozent rund dreimal öfter Deutschschweizer.
Schwindsucht bei den Landeskirchen
Die Religionslandschaft der Schweiz hat sich stark gewandelt. Der Anteil der katholischen Kirche nahm seit 1970 um einen Fünftel ab, jener der protestantischen Kirche halbierte sich nahezu. Bereits ein Fünftel der Bevölkerung gibt heute an, keiner Religion anzugehören.
Der Anteil der Konfessionslosen schnellte von 1,2 Prozent im Jahr 1970 auf 22 Prozent in den Jahren 2012 bis 2014 hoch, wie kürzlich veröffentlichte Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) zeigten. Heute gehört die Bevölkerung ab 15 Jahren noch zu 38 Prozent der katholischen und zu 26 Prozent der protestantischen Kirche an.
5,7 Prozent bekennen sich zu anderen christlichen Gemeinschaften wie den orthodoxen Kirchen und christkatholischen Gemeinden, 5 Prozent zu den muslimischen Gemeinschaften. Die Mitglieder der anderen evangelikalen Gemeinden machen 1,7 Prozent aus, jene der übrigen Religionen 1,5 Prozent. Unter Letzteren sind Buddhisten und Hinduisten am stärksten vertreten. sda