Ob Haustiere, ein Alpabzug mit geschmückten Kühen oder kämpfende Eringerkühe, der gebürtige Emmentaler Ruedi Hulliger hat ein Händchen für das Schnitzen von Tieren. Und ein Auge für Formen und Farben der Natur.
Das Uhrmacherdorf Les Ponts-de-Martel, im Neuenburger Hochmoortal Vallée de la Sagne gelegen, strahlt Ruhe und Beschaulichkeit aus. Das einzige Züglein, welches das kleine Dorf mit La Chaux-de-Fonds verbindet, steht vor dem kleinen Bahnhof und wartet auf seine Gäste. Vor neun Jahren zogen Ruedi und Silvia Hulliger in diese Oase der Ruhe und sie haben es keinen Tag bereut. Denn hier kann der 71-jährige Ruedi Hulliger seiner Passion, dem Holzwerkschnitzen, nach Lust und Laune nachgehen.
Vom Stall zur Krippe
Tritt man ein in das kleine Atelier des gebürtigen Emmentalers, schauen alle Ziegenrassen der Schweiz schön gruppiert vom Holzgestell herunter, zwei Rückepferde ziehen schwer an einem Baumstamm in der Nachbarvitrine und tiefschwarze gedrungene Eringer Kühe ringen auf einem Holztisch um den Sieg. Was erstaunt, ist die Detailtreue der geschnitzten Figuren, sowohl in Form als auch in Farbe.
«Angefangen hat alles mit dem Schnitzen eines Stalles für meinen Göttibueb», sagt der gelernte Konstrukteur. Aus einem fünf Meter langen Lindenholzstamm und mit dem Küchenmesser seiner Frau sei er damals zu Werke gegangen. Dann kamen geschnitzte Tiere hinzu, was in seinem Bekanntenkreis dazu führte, dass er Aufträge für weitere Arbeiten erhielt. Vor allem Weihnachtskrippen seien ein richtiger Renner gewesen.
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Jobverlust als Chance
«Als ich mit 62 Jahren meine Stelle verlor, sah ich dies auch als Chance, meinen Lebenstraum, mich an einem schönen Ort der Schnitzerei hinzugeben, zu verwirklichen», erzählt Hulliger, denn es sei klar gewesen, dass er in seinem Alter nur sehr schwer wieder eine Arbeitsstelle finden würde. Bei einem Besuch des Bauernhofs, der ehemals von seinem Onkel bewirtschaftet wurde, im Vallée de la Sagne, entdeckte das Ehepaar Hulliger das Dörfchen Les Ponts-de-Martel und war sogleich begeistert von der Ruhe und Beschaulichkeit des Ortes. Also zügelte das Paar von Pratteln BL in das französischsprachige Dorf, ohne ein Wort Französisch zu sprechen.
«Der Anfang hier war schwer. Die Kommunikation mit den Einheimischen existierte fast nicht.» Es habe schon seine Zeit gedauert, bis er sich getraut habe, französisch zu sprechen. In der Zwischenzeit, nach nun bald neun Jahren, hat Hulliger einen guten Draht zu den Einheimischen und trifft sie oft auf ein Schwätzchen bei einem Apéro.
Hulliger studiert die dreidimensionalen feinen Nuancen seiner Tiere sehr genau. Bleistiftskizzen von Schwalbenflügeln sind an die Wand ob der Werkbank gepinnt. Ein fast fertiges Schwalbennest mit den weit aufgerissenen gelben Schnäbeln von Jungvögeln klebt am Ausschnitt einer Holzwand, die Mutterschwalbe füttert mit weit offenen Flügeln. Täuschend echt und massstabgetreu. Daneben ein angefangenes Schottisches Hochlandrind, das zottige Fell und die riesigen Hörner bereits herausgearbeitet. «Das Hochlandrind ist eine Auftragsarbeit. Ich mache aber nicht nur Auftragsarbeiten, ich schnitze einfach, weil es meine Leidenschaft ist», sagt er.
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Papageien im Tropenhaus
15 seiner geschnitzten Papageien in Originalgrösse hat Ruedi Hulliger dem Tropenhaus in Frutigen BE zur Verfügung gestellt. Verteilt zwischen der üppigen Pflanzenwelt, erfreuen die bunten Vögel die Besucher. Für das Schnitzen und die Kolorierung eines Papageis mussten rund 40 bis 50 Arbeitsstunden investiert werden. Inzwischen hat das Küchenmesser seiner Frau ausgedient.
«Mit einem Dremel kann ich die Nuancen viel besser aus dem weichen Lindenholz herausarbeiten», sagt Hulliger. Proportionengerechtes Schnitzen ist das eine, die naturgetreue Bemalung der Figuren etwas anderes, bedenkt man, dass eine Vogelfeder bis zu 40 Farbnuancen haben kann. Dazu benutzt Hulliger Acryfarbe und Lein- oder Olivenöl.
Sind die Figuren fertig, geht Ruedi Hulliger in die freie Natur und fotografiert sie in ihrer natürlichen Umgebung. Täuschend echt und lebensgross erscheinen die Tiere auf diese Weise. «Mein Traum, mich ganz dem Schnitzen zu widmen ist hier wahr geworden», sagt Hulliger. So habe sich scheinbares Unglück doch noch in Glück verwandelt.