Seit 2018 musste die Landwirtschaft jedes Jahr um ausreichende Niederschläge im Sommerhalbjahr bangen. Der Dürremonitor des Helmholzentrums verzeichnet auch in diesem Jahr eine nahezu flächendeckende Dürre in Deutschland. Die Niederschläge der vergangenen Tage haben nach Einschätzung des DRV für etwas Entspannung gesorgt. Es müssten aber weitere folgen.
Gefahr durch Fröste
«Die Witterungsverhältnisse der vergangenen Wochen haben eines gezeigt: Frühere Ausnahmen sind heute die Regel. Es gibt keine ‚normalen‘ Jahre mehr. Wir erleben immer häufiger stärkeren Frost und milde Temperaturen in direktem Wechsel. Zudem bleiben ausreichende Niederschläge oft aus – dies gilt auch in diesem Jahr. Das bedeutet Stress für die Pflanzen», erklärt der Getreidemarktexperte des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), Guido Seedler.
Durch das warme Frühjahr sind die Raps- und Getreidebestände aktuell erneut deutlich weiterentwickelt als im Mittel der Jahre. Das erweist sich in diesem Jahr als Herausforderung in vielen Anbauregionen. Durch die Nachtfröste sind in verschiedenen Regionen Deutschlands die Rapsblüten und Getreideähren teilweise erfroren. Seedler: «Der Raps kann Frostschäden im weiteren Wachstum durch Blüten an Seitentrieben kompensieren. Anders das Getreide: Es bildet nur eine Ähre aus. Erfriert sie, bleibt der Ertrag aus.»
Nahrungsmittelversorgung sicherheitspolitisch
Für die Landwirtschaft werde es immer wichtiger, sich auf Trockenphasen vorzubereiten. «Die Praxis zeigt, dass die Aussaat von tief wurzelnden Sorten und Direktsaatverfahren eine Antwort auf die zunehmende Trockenheit sein können. Bei der Direktsaat wird das Saatgut ohne vorhergehende Bodenbearbeitung ausgesät. Dies schont den Bodenwasserhaushalt, geht aber einher mit einem erhöhten Unkrautdruck, da die Samen nicht untergepflügt werden», erklärt der DRV-Getreidemarktexperte.
Beim Raps erwartet er aktuell 3,8 Millionen Tonnen. Das entspricht einem Plus von knapp 6 Prozent zum Vorjahr. Beim Getreide reduziert der Verband seine Erwartungen um rund 1,2 Millionen Tonnen auf 40,7 Millionen Tonnen. Sollten diese Menge geerntet werden, wäre die deutsche Versorgung rechnerisch gedeckt. Allerdings ist offen, welche Mengen für den Drittlandexport zur Verfügung stehen. In den vergangenen Jahren exportierte Deutschland jeweils mehrere Millionen Tonnen Weizen.
Seedler hebt hervor: „Exporte schaffen zusätzliche Einnahmen für die Landwirtschaft und leisten gleichzeitig einen Beitrag zur Sicherung der weltweiten Ernährung. Eine ausreichende Welternährung hat auch sicherheitspolitische Bedeutung.» Bei einer weiterhin wachsenden Weltbevölkerung steige die Gefahr von Kriegen um Wasser und Nahrung. «Wir müssen daher nachhaltig mehr agrarische Rohstoffe erzeugen», macht Seedler deutlich.