Das neue Asterix-Heft sei eines der besten und lustigsten seit Jahren, heisst es in der «Sonntagszeitung» vom 29. Oktober. Das kann man so sehen. Wer die Comic-Serie kennt, weiss, dass die Abenteuer von Asterix und Obelix aus dem gallischen Widerstandsnest immer, wenn auch recht spöttisch, den aktuellen Zeitgeist widerspiegeln.
Zwei Aufträge von Cäsar
«So kann das nicht weitergehen», erzürnt sich Cäsar, nachdem sich seine Legionäre weigern, von den Galliern weiter verprügelt zu werden. Visusversus, der oberste Medicus im römischen Reich, der in seiner Denkfabrik in Rom die neue Methode «Die weisse Iris» entwickelt hat, erhält von Cäsar zwei Aufträge: Er soll die römischen Legionäre dank positivem Denken zu selbstbewussteren Kämpfern machen. Und er soll den Wehrwillen der Gallier schwächen, indem er sie zu Achtsamkeit, Sanftmut und gesunder Ernährungsweise erzieht.
Das funktioniert erstaunlich gut: Visusversus wird Dauergast im gallischen Dorf und umschleimt sowohl den Fischhändler Verleihnix wie auch Dorfschmied Automatix mit hohlen Floskeln wie: «Wer seinen Jähzorn besiegt, überwindet seinen stärksten Feind».
Das Lieblingsessen der Gallier wird zumindest am Beginn des neuen Abenteuers verschont. Zu Vegetariern werden Asterix und Obelix dann aber doch nicht.
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Wildschweine sind tabu
Die Dorfbewohner essen plötzlich lieber Gemüse statt Wildschweine. Sie reden miteinander, statt sich gleich zu verhauen; sie verzichten auf Beschimpfungen, denn positive Formulierungen sind Verunglimpfungen vorzuziehen. Früher als «Spinner» Bezeichnete sind jetzt Leute, die sich aufgrund ihres exzentrischen Verhaltens von mir und dir unterscheiden; genauso, wie ihnen das Visusversus beigebracht hat. Statt dem geliebten Wildschweinebraten bekommt Obelix von den anderen Dorfbewohnern wohlwollende Diät- und Fitnesstipps aufgetischt.
Besonders angetan von der neuen Denkweise aus Rom ist Gutemine, die Frau von Majestix, dem Häuptling des Stammes. Sie folgt schliesslich Visusversus nach Lutetia, wo sie auch ihren Bruder Homöopatix trifft und in die aufregende Kulturszene der Metropole eintaucht. Erst jetzt beginnt die abenteuerliche Reise der Gallier: Asterix, der als Erster die niederträchtige Strategie des urbanen Phrasenschlägers Visusversus durchschaut hat, und Obelix brechen zusammen mit dem untröstlichen Majestix in die Hauptstadt auf, um Gutemine, von der sie annehmen, dass sie verschleppt worden sei, zurückzuholen und einige Dinge wieder richtigzustellen. Was, wie könnte es anders sein, auf spektakuläre Weise auch gelingt.
Alles bleibt dann doch beim Alten
Wie in den 39 Alben zuvor: Im gallischen Widerstandsnest ändern sich die Zeiten eben nicht. Das Fremde und Neue wird erfolgreich aus dem Dorf vertrieben: Eine Keilerei und das obligate Festmahl mit vielen gebratenen Wildschweinen stellen den Status quo wieder her. «Was wäre wohl aus dem Dorf geworden, wenn die Methode von Visusversus Erfolg gehabt hätte», fragt sich Asterix etwas nachdenklich am Schluss der Geschichte. Miraculix, der weise Druide des Dorfes, meint nur: «Vielleicht funktioniert die Methode ja bei späteren Generationen besser? Wer weiss?»