Die Fruchtfliege, die im Sommer ums Obst schwirrt, ist zwar lästig, aber alles andere als simpel: Die «Sprache» ihres Paarungstanzes ist mindestens so komplex wie die komplexeste menschliche Sprache.
Laut den Forschern um den Mathematiker und Physiker Ruedi Stoop aus Zürich sind das Niederländisch und Schweizerdeutsch. «Nicht wenige Menschen argumentieren, dass es die Sprache des Menschen ist, die diesen über das Tier erhebt», sagte Stoop, der am Institut für Neuroinformatik der ETH und Uni Zürich lehrt, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Denn mit Hilfe der Grammatik liessen sich die gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen den Objekten der Welt beschreiben, verstehen und nutzbar machen.
Dieses Argument würde sich aber in Luft auflösen, wenn die Fliegen gleich komplexe Kommunikationsmuster einsetzen, schreiben die Forscher im Fachblatt «PLOS ONE». Um das zu überprüfen, filmten sie die Paarungstänze von Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) - einem beliebten Forschungsobjekt der Genetiker - mit Hochgeschwindigkeitskameras.
Darin identifizierten die Forscher 37 verschiedene Verhaltenselemente, die beliebig kombiniert werden können, und analysierten deren Abfolgen. Für die Einteilung benützten sie die sogenannte Chomsky/Schützenberger-Klassifikation. Damit lassen sich natürliche und Computersprachen hierarchisch nach ihrer Stärke einordnen, komplexe Zusammenhänge ausdrücken zu können.
Schweizerdeutsche Sprachakrobatik
Niederländisch und Schweizerdeutsch rangieren in dieser Einteilung unter den besonders komplexen, sogenannt kontextabhängigen Sprachen. Im Schweizerdeutschen gebe es bestimmte Satzkonstruktionen, die im Hochdeutschen nicht vorkommen und die sich direkt auf andere Satzteile beziehen, erklärte Stoop.
So ein Satz könnte beispielsweise lauten: «Jan säit das mer d'Chind em Hans es Huus händ wele laa hälfe aastriiche.» Er erscheint zwar umständlich, aber grammatikalisch korrekt. Besonders reich an solchen Konstruktionen sei der berndeutsche Dialekt, wie amerikanische Forscher herausgefunden hätten, sagte Stoop.
Aber die Fliegentänze, so das Fazit von Stoop und seinen Kollegen, übertreffen in ihrer Komplexität sogar das Schweizerdeutsch. Somit könne die Grammatik nicht der Ursprung der menschlichen «Überlegenheit» sein - da schon die Drosophila über eine mindestens gleich starke (Körper-)Sprache verfüge, sagte Stoop.
Es isch emal en Maa gsi...
Bleibt die Frage, worin sich Mensch und Tier dann unterscheiden. Stoop hat eine Theorie: Aus den Elementen der Fliegentänze lassen sich ebensolche Endlosschleifen bilden wie in dem altbekannten Sprüchlein vom Mann mit dem hohlen Zahn, in dem es ein Chäschtli hat mit einem Zettel drin, auf dem steht: «Es isch emal en Maa gsi...»
Der Unterschied ist laut Stoop die Fähigkeit des Menschen, diese Schleife als solche zu erkennen. Dies zeige sich besonders darin, wie sich Kinder davon begeistern lassen. «Es ist schwer, sich ein Tier vorzustellen, das so eine Konstruktion ebenso faszinierend findet wie wir Menschen», schreiben die Autoren.


