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Fragen und Antworten zum Abschluss der EU-Verhandlungen

Während neun Monaten haben die Schweiz und die EU neue Abkommen verhandelt. Am Freitag erklärten Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Bern die Gespräche für beendet. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

sda |

WAS GESCHAH AM FREITAG?

Der Bundesrat und die Europäische Kommission erklärten die materiellen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU für abgeschlossen. Die Verhandlungen wurden geführt, um Abkommen zu finden, welche die künftigen Beziehungen zwischen den Partnern definieren sollen. So sollen bestehende Abkommen erneuert und neue geschlossen werden. In den rund 200 Verhandlungsrunden wurden verschiedene Kompromisse getroffen. Den Verhandlungsteams sei es gelungen, ausgewogene Lösungen zu finden, die im beidseitigen Interesse seien, lautete der Tenor aus Bern und Brüssel. Bei beiden Seiten herrsche nach dem neunmonatigen Verhandlungsprozess die 'übliche mittlere Unzufriedenheit', weil sowohl die Schweiz als auch die EU gegenseitige Zugeständnisse gemacht hätten, sagte der Schweizer Chefunterhändler Patric Franzen.

WAS WURDE KONKRET VERHANDELT?

Bestehende Abkommen in den Bereichen Luft- und Landtransport sowie der Personenfreizügigkeit, der gegenseitigen Anerkennung von Konformitätsbewertungen und dem Handel mit Landwirtschaftsprodukten wurden aktualisiert. Weiter wurden neue Abkommen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit verhandelt.

WAS WAREN DIE UMSTRITTENEN VERHANDLUNGSPUNKTE?

Umstritten war insbesondere die Forderung der Schweiz für eine Schutzklausel bei der Personenfreizügigkeit. Viel diskutiert wurde auch über den Kohäsionsbeitrag, den die Schweiz für ihre Teilnahme am europäischen Binnenmarkt zahlt. Ein weiterer Punkt war die Einführung von institutionellen Elementen.

WURDEN DIE ZIELE DES VERHANDLUNGSMANDATS ERREICHT?

Die Schweizer Delegation habe die im Verhandlungsmandat festgelegten Ziele erreicht, sagte Aussenminister Ignazio Cassis. Positiv würdigte Chefunterhändler Franzen beispielsweise, dass der Service public durch die neuen Bestimmungen nicht tangiert werde. Zudem sichere die sogenannte Non-Regression-Klausel das Schweizer Lohnschutzniveau gegen allfällige Rückschritte ab. Künftige Anpassungen oder neue Entwicklungen des EU-Entsenderechts, die das Schweizer Schutzniveau verschlechtern würden, muss die Schweiz nicht übernehmen. Ausserdem beschränke sich die dynamische Rechtsübernahme auf die fünf Abkommen der Bilateralen I sowie die neu hinzugekommenen zu Strom und Lebensmittelsicherheit, so Franzen. Als Bildungsminister gab sich Bundesrat Guy Parmelin erfreut über die Wiederaufnahme der Schweiz ins EU-Forschungsprogramm Horizon Europe ab Anfang 2025.

WAS IST DER PREIS DAFÜR?

Bei den Studiengebühren müssen Schweizer Unis und Fachhochschulen künftig Schweizerinnen und EU-Bürger künftig gleich behandeln. Zudem schafft das Abkommen einen rechtsverbindlichen Mechanismus für regelmässige Schweizer Kohäsionsbeiträge. Die Höhe des ersten Beitrags für die Jahre 2030 bis 2036 beträgt jährlich 350 Millionen Franken. In einer Übergangsphase soll die Schweiz zwischen 2025 und 2029 jährlich einen Kohäsionsbeitrag von 130 Millionen Franken leisten. Damit investiere die Schweiz 'in die Stabilität und den Zusammenhalt in Europa', sagte Aussenminister Ignazio Cassis. Zu den Rückschritten gegenüber heute gehört für die Schweiz etwa, dass die Anmeldefrist für Firmen aus EU-Ländern bei Arbeiten in der Schweiz neu nur noch vier statt acht Tage betragen wird und dass die Schweiz im Bereich der Spesen keine Ausnahme erhalten hat.

WAS WURDE IM BEREICH DER PERSONENFREIZÜGIGKEIT ERREICHT?

Die bestehende Schutzklausel wurde laut dem Bundesrat präzisiert und könnte unilateral angerufen werden - dies im Falle von 'schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Problemen'. Wie solche Probleme konkret aussehen könnten, wird nicht genauer definiert. Laut einem EU-Beamten wird ein Schiedsgericht darüber befinden müssen, ob die Probleme schwerwiegend seien oder nicht. Justizminister Beat Jans sprach von einer 'entscheidenden Verbesserung' gegenüber den gescheiterten Verhandlungen um ein Rahmenabkommen. Auch bei der sogenannten Unionsbürgerrichtlinie habe die Schweiz Ausnahmen aushandeln können, sagte Jans. Für das Daueraufenthaltsrecht für EU-Bürgerinnen und -Bürger gälten anders als umgekehrt strikte Voraussetzungen. Die Personen erhalten das dauerhafte Aufenthaltsrecht nur dann, wenn sie sich fünf Jahre rechtmässig in der Schweiz aufhalten und in dieser Zeit erwerbstätig sind.

WIE WERDEN STREITFRAGEN GEREGELT?

Bei einem Streit zwischen der EU und der Schweiz würde im gemischten Ausschuss des betroffenen Abkommens nach einer Lösung gesucht. Erst wenn man sich dort nicht einig wird, wird der Fall einem paritätisch zusammengesetzten Schiedsgericht vorgelegt. Wenn die Streitfrage EU-Recht betrifft, muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) zur Auslegung des Rechts angerufen werden. Der Streit selbst wird jedoch immer vom Schiedsgericht beurteilt, nicht vom EuGH.

IST DAS ABKOMMEN ÖFFENTLICH?

Nein, das Abkommen wurde nicht veröffentlicht. Der Bundesrat veröffentlichte zwölf sogenannte Faktenblätter zu verschiedenen Themengebieten. Der Abkommenstext sollte zu einem späteren Zeitpunkt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

WAS SAGT DER BUNDESRAT?

Für Bundespräsidentin Viola Amherd ist der Abschluss der Verhandlungen ein «Meilenstein für die Stabilisierung und die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen». Drei Bundesräte, mehrere Staatssekretärinnen und der Chefunterhändler würdigten das ausgehandelte Verhandlungsergebnis mit der EU ebenfalls.

WAS SAGT DIE EU?

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüsste den Verhandlungsabschluss ebenfalls und sprach von einem historischen Abkommen. Das Abkommen würde ein neues Kapitel der Partnerschaft zwischen der Schweiz und der EU aufschlagen. Auch EU-Parlamentarierinnen begrüssten den Abschluss.

WIE FALLEN DIE REAKTIONEN DER PARTEIEN AUS?

Erwartungsgemäss tun sich einmal mehr klare Fronten auf bei der Beurteilung der Verhandlungsergebnisse. Vorbehaltlos hinter die Verträge stellen sich derzeit nur die GLP und die Operation Libero. Die SVP weist neue Verträge zwischen der Schweiz und der EU kategorisch zurück. Sie spricht von einem «EU-Unterwerfungsvertrag». Die grösste Schweizer Partei wehrt sich dagegen, dass die Schweiz automatisch EU-Recht übernehme und Volksrechte beschnitten würden. Auch sei man dagegen, dass die Schweiz jährlich hunderte Millionen Franken an die EU zahle als Gegenleistung für den Zugang zum EU-Binnenmarkt. Für die SP bleibt derzeit vieles unklar. Eine abschliessende Beurteilung könne erst erfolgen, wenn das innen- und aussenpolitische Gesamtpaket vorliege. Besorgt sei man über Aussagen des Bundesrates, wonach bisher noch keine Lösungen vorlägen, um den Lohnschutz zu sichern. Auch die Grünen erwarten vom Bundesrat, dass er «die nötigen flankierenden Massnahmen erlässt, darunter jene zum Lohnschutz». Die Mitte will prüfen, ob das Verhandlungsergebnis vor allem bei der Schutzklausel zur Zuwanderung, beim Lohnschutz und den institutionellen Fragen tragbare Lösungen vorsieht. Auch die FDP wagt sich noch nicht zu fest auf die Äste hinaus, kritisiert aber die ablehnende Haltung der Gewerkschaften.

WAS SAGEN DIE KANTONE?

Die Kantonsregierungen begrüssen den Verhandlungsabschluss als Meilenstein. Jetzt lägen konkrete Verhandlungsergebnisse vor, die breit diskutiert und bewertet werden könnten. Parallel dazu müssten nun auch die innenpolitischen Weichen gestellt werden. Die Kantone wollten sich konstruktiv an diesem Prozess beteiligen. Ziel sei ein ausgewogenes Gesamtpaket, das auch die Bevölkerung zu überzeugen vermöge.

WAS GESCHIEHT NUN?

Nun werden die Dokumente einer «rechtlichen Bereinigung» unterzogen und in den offiziellen Sprachen der Schweiz und der EU übersetzt. Laut dem Bundesrat soll das Abkommen im Frühling 2025 von beiden Chefunterhändlern paraphiert werden. Gleichzeitig beginnt nun der innenpolitische Prozess. Aussenminister Cassis forderte, dass die Arbeiten im Inland in den Bereichen Lohnschutz, Zuwanderung, Strom, Landverkehr und Studiengebühren zügig abgeschlossen werden. Vor der Sommerpause will die Landesregierung eine abschliessende Beurteilung vornehmen.

IST DAS ABKOMMEN NACH DER PARAPHIERUNG IN KRAFT?

Nein, damit ein Abkommen in Kraft treten kann, muss es den Ratifizierungsprozess durchlaufen. Das bedeutet, dass sowohl der Nationalrat als auch der Ständerat den Texten zustimmen müssen. Auch in der EU müssen die Mitgliedstaaten sowie das Europäische Parlament grünes Licht geben. In der Schweiz wird es wichtig sein, den Widerstand der Gewerkschaften gegen die EU-Verträge zu brechen - mit Massnahmen beim Lohnschutz. 'Wir versuchen, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den verschiedenen Interessen', sagte Parmelin.

MUSS DIE STIMMBEVÖLKERUNG EBENFALLS ZUSTIMMEN?

Ja, in der Schweiz wird mit mindestens einem Urnengang gerechnet. Gemäss Medienberichten könnten auch mehrere Abstimmungen zu den bilateralen Verträgen stattfinden. Ob ein einfaches Mehr oder das doppelte Mehr nötig sein werden, ist noch unklar. Auch unklar ist das Abstimmungsdatum. Gewisse Personen sprechen davon, dass die Abstimmungen nicht vor 2028 stattfinden werden.

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