Christine Badertscher aus Madiswil widerspricht vielen gängigen Klischees über die Schweizer Landwirtschaft. Als junge, grüne Frau ist sie beruflich und politisch in den bäuerlichen Organisationen erfolgreich unterwegs.
Die bäuerlichen Verbände gelten als konservativ, patriarchalisch, ja sogar latent frauenfeindlich. Nur eine Handvoll Frauen hat Führungsfunktionen in den vielen bäuerlichen Verbänden, Organisationen und Firmen auf allen Ebenen inne. Kein gutes Umfeld für eine 35-jährige Frau, die aus einer anderen Region hergezogen ist, Umweltwissenschaften studiert hat und Mitglied der Grünen Partei ist. Könnte man meinen. Christine Badertscher aus Madiswil BE ist der lebende Gegenbeweis. In Zollbrück im Emmental aufgewachsen und erst seit wenigen Jahren permanent im oberaargauischen Madiswil wohnhaft, sitzt sie bereits seit 2011 im Gemeinderat. Und sie betreut nicht etwa das Ressort Soziales oder Bildung, sondern das Ressort Sicherheit mit Feuerwehr.
Erste Präsidentin
Und nun wurde sie am 10.März zur Präsidentin des Oberaargauischen Bauernvereins. Nach zwölf Männern an der Spitze wählten die Oberaargauer Bauern just zum 100-jährigen Bestehen ihres Vereins erstmals eine Präsidentin. Und dazu erst noch eine Grüne, die nicht einmal im Oberaargau aufgewachsen ist. Zunächst sei sie vom Vorstandsmitglied Daniel Wälchli, der ebenfalls in Madiswil wohnt, angefragt worden.
Dann habe auch ihr Vorgänger Ueli Fahrni mit ihr gesprochen. «Meine erste Reaktion war: Ich führe selbst keinen Bauernbetrieb. Zudem bin ich Grüne, Frau und so weiter», erinnert sie sich. Wälchli und Fahrni hätten ihre Bedenken zerstreut. «Ich staune über die Offenheit des Vorstands, dass sie mich akzeptieren», fügt sie an. Sie persönlich habe keine negative Reaktionen auf ihre Wahl gehabt. «Stimmt nicht ganz. Einer hat an der Versammlung, an der ich gewählt wurde, meine Kandidatur kritisiert», erinnert sie sich.
Leiterin Agrarwirtschaft
Auch bei ihrem Arbeitgeber, dem Schweizer Bauernverband (SBV), sei sie gut akzeptiert. Nachdem sie 2013 beim SBV eigentlich nur eine befristete Stelle als Praktikantin drei Monate hatte, konnte sie bleiben und rasch eine verantwortungsvolle Stelle als Leiterin des Geschäftsbereichs Agrarwirtschaft im Departement Wirtschaft, Bildung und Internationales übernehmen. Sie habe eigentlich wenig inhaltliche Differenzen zur offiziellen Politik des SBV. So stehe sie wie der SBV dem schrankenlosen Freihandel kritisch gegenüber. Dieser schade sowohl den Bauern in Europa als auch in den Ländern des Südens wie etwa in Kamerun, das sie nach mehreren längeren Aufenthalten als ihre zweite Heimat bezeichnet.
Auf die Frage, wie sie es sich erkläre, dass sie nicht auf mehr Widerstand stosse, meint sie: «Ich bin nicht die ‹bissigste› Politikerin.» Ihre Kompromissbereitschaft stosse aber auch nicht überall auf Gegenliebe. «Ich will nicht stur auf irgendwelchen Prinzipien herumreiten. Einzelne Leute aus der grünen Bewegung würden vielleicht deshalb manchmal mehr von mir erwarten», meint sie.
Ideologisch oder gar stur erscheint die charmante Jungpolitikerin im persönlichen Gespräch tatsächlich nicht. Erfolgsorientiert ist sie aber allemal. Bei den Grossratswahlen im nächsten März tritt sie voraussichtlich erneut an. Bereits 2014 wäre sie um ein Haar gewählt worden. Als Listenerste scheiterte sie nur daran, dass die Grünen wegen 33 fehlenden Stimmen keinen Sitz holten.
Zur Person
Christine Badertscher wurde am 11. Januar 1982 geboren und wuchs auf dem elterlichen Pachtbetrieb in Zollbrück BE auf. Danach machte sie eine KV-Lehre bei der Fenaco, und anschliessend besuchte sie die Berufsmittelschule. Nach einem Bachelor als Umweltingenieurin an der ZHAW Wädenswil ZH erwarb sie an der Hafl einen Master of Life Science in angewandten Agrarwissenschaften. 2005 und während des Studiums war sie auf dem elterlichen Betrieb angestellt. Nach einem Praktikum beim BLW und einer befristeten Stelle bei der Grünen Partei kam sie 2013 zum Schweizer Bauernverband. Nachdem ihre Eltern 2001 einen Biobetrieb in Madiswil kauften, zog auch sie später dorthin.










