Es ist eines der Vorzeigeprojekte im Internet, geschaffen von unzähligen Freiwilligen: Vor 15 Jahren - am 15. Januar 2001 - ging Wikipedia online, heute gibt es 37 Millionen Beiträge in knapp 300 Sprachen. Aber wie rüstet sich die Online-Enzyklopädie für die Zukunft?
Die schweren Nachschlagewerke wirken fast wie aus einer anderen Zeit. Der grosse Brockhaus, die Encyclopaedia Britannica und viele weitere. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ist nicht unbeteiligt daran, dass traditionelle Lexika heute kaum mehr eine Rolle spielen.
Frei verfügbares System
Deren Niedergang kam schnell, fast so schnell wie der Siegeszug von Wikipedia. Doch das digitale Nachschlagewerk steht 15 Jahre nach seiner Gründung auch vor Herausforderungen.
Rückblick: Am 15. Januar 2001 rief der US-Amerikaner Jimmy Wales gemeinsam mit dem Programmierer Larry Sanger Wikipedia als Folgeprojekt ihres Online-Lexikons Nupedia ins Leben. Die Vision lautete damals wie heute ganz unbescheiden: das gesammelte Wissen der Menschheit jedem frei zugänglich machen. Die Besonderheit war die Wiki-Software: Ein frei verfügbares System, mit dem jeder Nutzer ganz einfach Websites anlegen und bearbeiten kann.
37 Millionen Beiträge in 300 Sprachen
Einen Monat später standen 600 Artikel online, nach einem Jahr waren es schon 20'000 - zur Überraschung der Gründer. Die hatten sich aber überworfen, und Sanger zog sich aus dem Projekt zurück. Inzwischen gibt es mehr als 37 Millionen Beiträge in knapp 300 Sprachen, verfasst von unzähligen Freiwilligen.
Kurz nach der englischen Version, im März 2001, ging auch die deutschsprachige Wikipedia an den Start. Allein sie wird eine Milliarde Mal im Monat aufgerufen. Mit rund 1,9 Millionen Artikeln steht sie auf Platz drei - nach der englischen und der schwedischen Ausgabe. Und wie finanziert sich das Ganze? Nach wie vor kommt Wikipedia ganz ohne Werbung aus, was laut Gründer Jimmy Wales auch so bleiben soll. Die Plattform trägt sich alleine durch Spenden - und das ziemlich gut.
Sinkende Anzahl Schreiber
So gut sich die Zahlen lesen, auch bei der Wikipedia kommt es immer wieder zu Problemen, die zum Teil nichts von ihrer Aktualität verlieren. Eine sinkende Zahl der Schreiber, eine überholte Technik, ein harscher Ton in der Community oder der niedrige Frauenanteil, der laut Wales noch immer bei gerade 16 Prozent liegt, sind einige Beispiele.
«Der Pioniergeist der Anfangszeit ist verschwunden», sagt Martin Haase, der selbst mehrere Jahre als Autor auf Wikipedia aktiv war. Der Romanistikprofessor der Universität Bamberg veröffentlichte darüber hinaus mehrere wissenschaftliche Arbeiten über die Online-Enzyklopädie.
Hohe Verlässlichkeit
Ihre Qualität sei ziemlich gut. «Es hängt natürlich vom Thema und den Beiträgen ab. Aber da meist viele Augen auf die Artikel schauen, gerade bei strittigen Fragen, kann man schon von einer hohen Verlässlichkeit ausgehen.» Dass die Wikipedia-Idee ganz gut funktioniere, zeige sich ja in den enormen Nutzerzahlen.
Wikipedia soll globaler werden
Um zukunftsfähig zu bleiben, muss sich Wikipedia fortlaufend der sprunghaften Entwicklung der Technik anpassen. «Das zählt zu unseren grössten Aufgaben», sagt Wales. Derzeit gehe es vor allem um die wachsende mobile Nutzung. Eine Herzensangelegenheit des 49-Jährigen ist es, Wikipedia globaler zu machen. Kritiker bemängeln eine Einseitigkeit, da die meisten Artikel in der westlichen Welt verfasst würden.
Dank der besseren technischen Ausstattung könnten sich jetzt immer mehr Menschen in der Dritten Welt vernetzen, sagt Wales. «Wir sind in einer Phase, in der die Zahl der Internetnutzer in Entwicklungsländern explodiert, womit die Nutzung von Wikipedia und die Mitwirkung in den jeweiligen Sprachen explodiert.» Das sei spannend und aufregend, da das «auf lange Sicht deutliche Auswirkungen auf Wikipedia haben wird».
Zahlen und Fakten zu Wikipedia
Woher kommt der Name Wikipedia? Wie lange würde ein Mensch brauchen, um die komplette englischsprachige Ausgabe zu lesen? Wie viele Artikel gibt es insgesamt? Und was war der erste Eintrag? Zahlen und Fakten zur weltgrössten Online-Enzyklopädie:- Der Name Wikipedia setzt sich zusammen aus den Begriffen «Wiki» (hawaiisch: schnell) und «encyclopedia» (englisch: Enzyklopädie).
- Die deutschsprachige Wikipedia-Ausgabe wird über eine Milliarde Mal pro Monat aufgerufen. Das entspricht 876'000 Aufrufen pro Stunde.
- Wikipedia enthält derzeit mehr als 37 Millionen Artikel in knapp 300 Sprachen.
- Die meisten Einträge gibt es auf Englisch (5 Millionen), gefolgt von Schwedisch (2,5 Millionen) und Deutsch (1,9 Millionen).
- Würde ein Mensch alle englischsprachigen Wikipedia-Einträge lesen, bräuchte er dafür 21 Jahre - sofern er keine Pausen einlegen würde.
- Aus Protest gegen Internet-Zensur in Russland sperrte Wikipedia 2012 die russische Version für 24 Stunden. Ein halbes Jahr zuvor erfolgte aus Ärger über ein geplantes Gesetz zum Urheberrechtsschutz im Netz ein 24-Stunden-Blackout für den englischen Teil.
- Wikipedia hat zahlreiche Schwesterprojekte, etwa die Zitatsammlung Wikiquote, das Wörterbuch Wiktionary, die Text- und Quellensammlung Wikisource oder den Reiseführer Wikivoyage.
- In der englischsprachigen Wikipedia hat Mitgründer Jimmy Wales nach eigenen Angaben den ersten Eintrag gemacht - einen Testartikel mit dem Text «Hello, World!».
- Der erste Artikel der deutschsprachigen Wikipedia drehte sich um die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) - «eine Methode, um die Erbsubstanz DNA in vitro zu vervielfältigen». Es folgten Einträge über Dänemark, den Kattegat und die Nordsee.
Die renommierten Lexika hat Wikipedia längst hinter sich gelassen. Nach 244 Jahren gab der Verlag der Britannica 2012 bekannt, dass die Enzyklopädie nur noch digital erscheint. Zwei Jahre später zog der Brockhaus - auf Deutsch 200 Jahre lang das Mass aller Nachschlagewerke - nach.