Die Pläne des Bundesrates auf mehr Freihandel bei der künftigen Landwirtschaftspolitik stossen bei Kleinbauern und Tierschützern auf Widerstand. Statt offene Grenzen verlangen sie eine bessere Unterstützung umwelt- und tierfreundlicher Bauernhöfe. Die Schweizer Landwirtschaft dürfe sich nicht wie im Ausland in Richtung Intensivlandwirtschaft mit Massentierhaltung und Grossbetrieben entwickeln.
Immer weniger Bauernbetriebe, immer grössere Herden, Zucht auf Hochleistung: Für den Schweizer Tierschutz und die Kleinbauern-Vereinigung entwickelt sich die Schweizer Landwirtschaft in die falsche Richtung. Gehe die Entwicklung weiter wie bis anhin, drohten Agrarfabriken und Massentierhaltung wie im Ausland, machten die beiden Organisation an einer Medienkonferenz deutlich. Dadurch laufe die Schweizer Landwirtschaft Gefahr, ihre Trümpfe zu verlieren, warnte Hansuli Huber, Geschäftsführer des Schweizer Tierschutzes.
Neuer Tierwohl-Beitrag gefordert
Huber zeigte auf, dass die Bauern auf die stagnierenden und teils sinkenden Produzentenpreise mit einer Ausweitung der Produktion reagieren. "Sie dehnen im Betrieb den Tierbestand aus und steigern via Fütterung und Tierzucht das Leistungsvermögen der Nutztiere." Das Problem: Mit steigenden Leistungen und wachsenden Herdengrössen werde es immer schwieriger, das Wohl und die Gesundheit der Nutztiere zu gewährleisten, betonte Huber. Bauern könnten sich nicht mehr in gleichem Ausmass den Tieren widmen, auf Hochleistung gezüchtete Tiere seien krankheitsanfälliger und erforderten mehr Antibiotika.
Huber fordert den Bund auf, die Direktzahlungen anzupassen: RAUS- und BTS-Beiträge müssten erhöht werden. Daneben müsse ein weiterer Tierwohl-Beitrag eingeführt werden, zum Beispiel zur Förderung von Zweinutzungshühnern und der muttergebundenen Kälberaufzucht. Die Höchstbestande seien willkürlich festgelegt, monierte Huber. Die Forschung solle untersuchen, wie sich die Herdengrösse auf das Tierwohl und die Tiergesundheit auswirke. Huber verlangt, dass Tiere in kleineren Einheiten gehalten werden.
Werbung vermittelt falsches Bild
Kritik übte Huber an den Detailhändlern und der Lebensmittelindustrie. Diese zeichneten in der Werbung ein realitätsfernes Bild der Landwirtschaft. Die Konsumenten müssten besser aufklärt werden über die Landwirtschaft, forderte der Tierschutzexperte. Denn mit ihren Kaufentscheiden könnten sie darüber bestimmen, wie Lebensmittel produziert würden.
Es brauche einen Paradigmenwechsel hin zu einer menschen-, tier- und umweltfreundlichen Agrarpolitik, betonte Regina Fuhrer, Präsidentin der Kleinbauern-Vereinigung. Dem Bundesrat warf sie vor, den Strukturwandel zu forcieren. "Täglich verschwinden zwei bis drei Bauernbetriebe." Die Fixierung auf die Betriebsgrösse sei falsch. Die Direktzahlungen sollten Vielfalt belohnen und nicht auf die Fläche ausgerichtet sein.
Zur künftigen Landwirtschaftspolitik soll sich auch das Parlament äussern können. Liegen die Rückmeldungen zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) vor, wird der Bundesrat im vierten Quartal 2018 eine Vernehmlassung durchführen. Eine Botschaft stellte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann für Sommer 2019 in Aussicht.