Das zwischen der Europäischen Union und Neuseeland verabredete Freihandelsabkommen stösst beim Milchpräsidenten des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, auf Kritik.
«Uns ist bewusst, dass dieses Abkommen vor dem Hintergrund der geopolitischen Entwicklungen ein Signal ist, wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten», erklärte Schmal zu der am 30. Juni erzielten Einigung zwischen Brüssel und Wellington. Allerdings würden die jetzt bekanntgewordenen Ergebnisse die europäischen Milchvieh- und Schafhalter vor zusätzliche massive Herausforderungen stellen.
Europäische Produktionsstandards werden begrüsst
Unterdessen erklärte der Generalsekretär der EU-Ausschüsse der Bauernverbände (COPA) und ländlichen Genossenschaften (COGECA), Pekka Pesonen, es werde begrüsst, dass die europäischen Produktionsstandards - zum Beispiels hormonfreies Rindfleisch - und die geografischen Angaben von Neuseeland anerkannt worden seien. Zudem lobte er die Verpflichtungen, die sowohl die EU als auch Neuseeland in Bezug auf die Einbeziehung der Grundsätze des Pariser Klimaabkommens und der Nachhaltigkeit in den internationalen Handel eingegangen seien.
Allerdings kritisierte auch der Finne, dass die Übereinkunft für Schlüsselsektoren wie die Milch-, Schaf- und Rindfleischproduktion schmerzhaft sei. Vor diesem Hintergrund mahnte Pesonen eine ordnungsgemässe Verwaltung und Überwachung der Einfuhrzollkontingente von Agrarerzeugnissen, «um ein Marktversagen zu vermeiden». Demgegenüber bezeichnete der neuseeländische Branchenverband Beef+Lamb New Zealand (B+LNZ) die Zugeständnisse der Europäischen Union als «unzureichend».
Schwer zu verstehen
Für einen Markt, der jährlich 6,5 Mio t Rindfleisch verbrauche, liege das ausgehandelte Zugeständnis von lediglich 10 000 t Rindfleisch im Jahr weit unter den Erwartungen, stellte der Geschäftsführer von Beef + Lamb New Zealand, Sam McIvor, fest. Er wies darauf hin, dass der neuseeländische Rotfleischsektor seit mehr als 100 Jahren sichere, nahrhafte und hochwertige Produkte nach Europa exportiere. Darüber hinaus teile man gemeinsame gesellschaftliche Werte, eine Verpflichtung zu hohen Produktionsstandards und einen soliden Rechtsrahmen für Lebensmittelsicherheit und -qualität, Tierschutz und Nachhaltigkeit.
Daher sei es schwer zu verstehen, warum ein ehrgeizigeres Ergebnis nicht möglich gewesen sei. Die Geschäftsführerin der neuseeländischen Meat Industry Association (MIA), Sirma Karapeeva, zeigte sich ebenfalls enttäuscht. Dieses Abkommen verschaffe den eigenen Exporteuren insbesondere bei Rindfleisch keinen wirtschaftlich sinnvollen Zugang, beklagte Karapeeva.
Regionale Lieferketten schützenswert
Derweil verglich DBV-Vizepräsident Schmal den Stellenwert der Automobilindustrie in Deutschland mit dem der Milchwirtschaft in Neuseeland. Die heimische Milcherzeugung dürfe aber nicht zu Gunsten der Automobilindustrie preisgegeben werden. Als bedauerlich bezeichnete es Schmal, dass sich der eigenen Landwirtschaft kaum zusätzliche Absatzmöglichkeiten in Neuseeland böten. In den zurückliegenden Monaten sei indes deutlich geworden, dass stabile regionale Lieferketten unverzichtbar seien und geschützt werden müssten. Schmal beklagte, dass mit dem Abkommen den EU-Milchviehhaltern zusätzliche Konkurrenz, die zu deutlich niedrigeren Preisen produzieren könne, erwachse.
Eine Molkerei beherrscht 85% vom Markt
Auch nach Einschätzung des EU-Milchindustrieverbandes (EDA) erhöht die Handelsübereinkunft den Druck auf den Milchsektor im Binnenmarkt, und das zu einer Zeit, in der die Landwirte und ihre Molkereien in der EU stark in Strategien zur ökologischen Nachhaltigkeit investieren würden. EDA wies auch auf die grossen strukturellen Unterschiede zwischen den beiden Partnern bei der Molkereiindustrie hin. Während 85 % der neuseeländischen Rohmilch von einer einzigen Molkerei - nämlich Fonterrra - verarbeitet würden, sei der europäische Molkereisektor eher durch kleine, regionale Molkereien geprägt. EDA-Präsident Guiseppe Ambrosi betonte aber zugleich, dass der Sektor sein Bestes geben werde, um den raueren Marktbedingungen trotzen zu können