Der Nationalrat hat am Montagnachmittag die Beratungen zum Freihandelsabkommen mit China aufgenommen. Die Diskussion dreht sich grösstenteils um die Abwägung zwischen wirtschaftlichen Interessen der Schweiz und der Menschenrechtssituation in China. Der Schweizer Bauerverband befürwortet das neue Abkommen.
In Europa ist die Schweiz nach Island erst das zweite Land, das ein Freihandelsabkommen mit China abgeschlossen hat. Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann erhofft sich vom Vertrag, der für den ehemaligen Unternehmer ein Prestigeprojekt ist, Schub für die Schweizer Wirtschaft.
Menschenrechts- und Umweltsituation in China
Bei der Wirtschaft stösst denn das Abkommen auch mehrheitlich auf Zustimmung. Die Linke sowie Menschenrechtsorganisationen bemängeln dagegen, dass im Wirtschaftsvertrag die Menschenrechts- und Umweltsituation in China nicht angesprochen wird. Um diese Frage dürfte sich die Nationalratsdebatte hauptsächlich drehen. Die SP möchte das Abkommen an den Bundesrat zurückweisen und der Regierung den Auftrag zu Nachverhandlungen erteilen.
Aus dem gleichen Lager stammt auch die Forderung, das Abkommen dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Das ist derzeit nicht geplant, weil der Vertrag keine wichtigen rechtssetzenden Bestimmungen enthält. Der Bundesrat entgegnet der Kritik, dass in der Präambel des Abkommens indirekt auf den Menschenrechtsdialog zwischen der Schweiz und China verwiesen werde. Ausserdem schloss Schneider-Ammanns Wirtschaftsdepartement ein Abkommen zur «Zusammenarbeit in Arbeits- und Beschäftigungsfragen» mit China ab. Im vierseitigen Dokument wird etwa die Förderung «menschenwürdiger Arbeit» beschlossen.
Wälzer von tausend Seiten
Das Freihandelsabkommen ist rund 80 Seiten stark. Mit allen Anhängen, die technische Fragen regeln, handelt es sich aber um einen Wälzer mit über tausend Seiten. Darin vereinbaren die Schweiz und China zur Förderung des Handels Zollsenkungen, aber klären auch Ursprungsregeln, Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums oder zu Umwelt- und Arbeitsfragen.
Bei den Industrieprodukten beseitigt die Schweiz die ohnehin schon tiefen Zölle für chinesische Produkte. Neu können auch Textilien und Schuhe aus China zollfrei eingeführt werden. China gewährt ebenfalls Zollnachlässe. Allerdings gelten teilweise Übergangfristen von 5 bis 10 Jahren und in Einzelfällen sogar von 15 Jahren, was als Zugeständnis der Schweiz gilt.
Ausgenommen sind einzelne Produkte der Uhren-, Maschinen- sowie Pharmaindustrie. China machte dabei «besondere Sensibilitäten» geltend - etwa, dass die chinesischen Zölle heute deutlich höher liegen als jene der Schweiz.
Bauernverband dafür
Für die Schweiz waren Landwirtschaftsprodukte besonders sensibel. Dort habe die Schweiz keine heiklen Konzessionen machen müssen, hielt der Bundesrat fest. Die bestehenden Kontingente würden nicht überschritten. Der Bauernverband unterstützt denn auch das Abkommen. Zollbegünstigt liefern kann China beispielsweise Schnittblumen, Honig oder Gemüse - jedoch ausserhalb der Saison.
Wie viel das Abkommen Schweizer Unternehmen bringen wird, lässt sich in Zahlen kaum abschätzen. Es wird darauf ankommen, wie die Firmen die neuen Möglichkeiten nutzen. Schätzen lassen sich dagegen die Auswirkungen auf die Zölle. Nach Ablauf aller Übergangsfristen dürften Schweizer Unternehmen jährlich rund 200 Millionen Franken an Zöllen sparen, wie der Bundesrat in der Botschaft zum Abkommen schreibt. Der Schweizer Staatskasse dürften aufgrund von Zollsenkungen rund 110 Millionen Franken entgehen.