Imelda Schmid hat ihre Forschungsarbeit in die Praxis umgesetzt. In S-Chanf GR hält sie auf ihrer Vogelfarm 700 Wachteln. Eier verkauft sie in die ganze Schweiz – nicht aber an die Grosshändler
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S-Chanf im Oberengadin. Imelda Schmid, eine zierlich, kleine Frau mit kurzem, grauem Haar, steht auf dem schmalen Kiesweg ihrer Vogelfarm. Sie wirkt etwas unsicher. Nicht gerade die Art Mensch, die gerne im Mittelpunkt steht.
Der eigene Hühnertraum
Und trotzdem waren alle Augen auf die Biologin gerichtet, als vor neunzehn Jahren ihre Dissertation als Grundlage diente, neue Richtlinien für die Wachtelhaltung zu erstellen. Das nachdem der Bund die Batteriehaltung bei Hühnern bereits 1991 verboten hatte, in der Westschweiz aber noch immer Wachtelfarmen mit über 20'000 Tieren existierten.
An diesem Tag im Herbst folgen Schmid nur zwei Augen. Sie steigt vorsichtig die Holztreppe empor, öffnet die Tür zum Stall. Mit dem Bau ihrer Wachtelfarm erfüllte sie sich 2001 einen Traum. Wagte den Schritt von der Forschung in die Praxis. Ruhig schreitet sie durch den Raum. Links und rechts sind je acht Gehege platziert. 2 Meter auf 80 Zentimeter. Es sind Aufzuchtgehege, eine Art Kisten mit Wärmelampen. Hierhin gelangen die Küken nachdem sie im Brutkasten geschlüpft sind. Rund 500 weibliche Hühnchen zeiht Schmid jährlich nach. Nach sieben Wochen fangen die Kleinen bereits zu legen an. Dann dürfen sie rüber in den Erwachsenen-Stall.
Zugvogel im Dauerfrühling
Im Erwachsenen-Stall steht nun auch Schmid. Sie klappt das Gitter eines Geheges nach oben und greift nach Wachtel-Männ- und -Weiblein. Flink sind sie, die kleinen Dinger. Erst beim dritten Versuch gelingt der Fang. Der Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern der japanischen Wachteln wird erst mit Erklärung erkennbar. Die Henne trägt gegenüber dem Hahn ein gesprenkeltes Muster auf der Brust. Und die weiblichen Tiere sind grundsätzlich etwas grösser. «Das stimmt jetzt hier grad nicht», meint Schmid während sie das Pärchen wieder in ihre Wohnung entlässt. Hier ist das Wachtel-Männlein deutlich besser genährt.
25 bis 30 Tiere leben in jeder «Wachtelwohnung». In manchen sind drei davon Hähne. Die Wachtel-Gehege sind mit Hobelspähnen eingestreut. Acht kleine Nester mit Buchweizenspreu sowie ein Staubbad zur Gefiederpflege sind angehängt. Jeweils zwei dieser Gehege sind mit einer Aussenvoliere miteinander verbunden. Anders als im Hühnerstall gibt es bei den Wachteln keine Sitzstangen. «Sie sitzen schlichtweg nicht drauf», erklärt die Fachfrau. «In der Natur suchen sie gerne die Deckung, ruhen stehend, sitzend oder liegend am Boden».
Markt stetig aufgebaut
Wachteln sind Zugvögel. In der Wildnis brüten sie im Frühling. Um die Legeleistung über das ganze Jahr zu erhalten, wird der Tag mit Kunstlicht auf 16 Stunden verlängert. Die Hühnchen haben dementsprechend 365 Tage Frühling und legen bis zu 300 Eier im Jahr. Was nicht jeder weiss: Anders als das Haushuhn legt die Wachtel ihre Eier spätnachmittags.
Zurück zu Imelda Schmid. Mittlerweile hat sie die Hühnchen wieder sich selbst überlassen und packt in ihrem Atelier Minieier in 10er-Schachteln ein. Schmid liefert an Comestibles-Läden, Restaurants und Private. «Ich versende sie per Post in die ganze Schweiz». Auch an Märkten in der Region ist sie anzutreffen. Doch: Wachteleier sind ein Nischenprodukt. «Den Kundenstamm aufzubauen brauchte Zeit und viel Geduld – trotz Touristenregion», erklärt Schmid. Wachteleier seien vor allem über die Festtage von Weihnachten und Neujahr beliebt, dann breche der Absatz wieder ein. Trotz einer Kapazität von 1200 hält die Wahl-Engadinerin deshalb nur maximal rund 700 Tier.
Chance Import-Skandal
In den Nachbarländern Frankreich, Italien und Spanien gelten weniger strenge Tierschutzauflagen. Viele Wachtelfarmen sind noch Batteriebetrieb. Die billigere Importware macht es den Schweizer Wachteleiern schwer, sich auf dem Markt zu behaupten. 2016 deckte das Schweizer Radio und Fernsehen in der Sendung Kassensturz auf, dass es in der Schweiz spanische Wachteleier mit «Herkunft: Schweiz» zu kaufen gab.
Ein Migros-Lieferant bezog einen Teil seiner «Schweizer Eier» von Spanien. Schmied erhoffte sich durch den Skandal neue Absatzmöglichkeiten. «Die Migros-Vertreter sind zweimal vorbeigekommen. Das war alles. Meine Eier sind ihnen zu teuer.» Schmid verkauft ihre Gesprenkelten für 50 bis 60 Rappen an Private. 40 Rappen verlangt sie vom Händler.