/fileadmin/images/logo.svg

Artikel werden durchsucht.

Fusionswille sinkt

Nach Jahren des Wachstums sinkt die Anzahl Betriebsgemeinschaften wieder. Statt vollständig zu fusionieren, werden vermehrt lediglich einzelne Betriebszweige zusammengelegt. Insgesamt bleibt intensive Zusammenarbeit unter Bauern stabil – auf tiefem Niveau.

 

 

Nach Jahren des Wachstums sinkt die Anzahl Betriebsgemeinschaften wieder. Statt vollständig zu fusionieren, werden vermehrt lediglich einzelne Betriebszweige zusammengelegt. Insgesamt bleibt intensive Zusammenarbeit unter Bauern stabil – auf tiefem Niveau.

Am Anfang standen zwei alte Ställe. Statt je einen neuen zu bauen, entschieden sich die Landwirte Ueli Ehrler und Thomas Hinder im Jahr 2009, künftig gemeinsame Sache zu machen: Ehrler baute auf seinem Land einen neuen, grosszügigen Laufstall mit eigenen Mitteln, Hinder mietete sich ein.

Zwei Jahre später schloss sich dem Zweiergespann Christian Stehli an. Seither bauern die drei Landwirte in Maschwanden ZH gemeinsam – zumindest teilweise. Zwar nutzen Ehrler, Hinder und Stehli den gleichen Laufstall, die Milchkühe verblieben aber im Privateigentum. Das Milchgeld fliesst denn auch nicht in eine Kasse, sondern wird je nach Anzahl Kühen auf die drei Landwirte verteilt.
Kooperation hat viele Vorteile gebracht

Die Kosten für den Tierarzt und das künstliche Besamen muss jeder selber berappen. Ebenso bewirtschaften sie ihr Land in Eigenregie. Gemeinschaftlich getragen werden etwa die Kosten für Wasser, Strom, Melkmaschinenservice und Klauenschneiden.

Den drei Landwirten hat die engere Kooperation viele Vorteile gebracht: Sie müssen nicht mehr wie früher morgens und abends jeweils selber die Kühe melken, sondern können sich abwechseln. Dank der Zusammenarbeit liegen freie Wochenenden und Ferien drin. Zudem können Ehrler und Hinder wegen des Teamworks die Arbeit so einteilen, dass sie ihren Zweitunternehmen nachgehen können. Die grösseren Betriebsstrukturen ermöglichen eine effizientere Bewirtschaftung.

Teilfusion attraktiver als Vollfusion

So wie Ehrler, Hinder und Stehli machen es immer mehr Bauern: Sie legen einzelne Betriebszweige zusammen, arbeiten einerseits auf dem eigenen Betrieb, andererseits in der Gemeinschaft. Die Anzahl Betriebszweiggemeinschaften (BZG) hat laut Bundesamt für Landwirtschaft seit 2006 um 174 auf 705 zugenommen.

Anders sieht bei den Betriebsgemeinschaften (BG) aus, wo mehrere Betriebe miteinander vollständig fusionieren. Deren Anzahl nahm seit 1990 stark zu und erreichte im Jahr 2008 mit 957 einen Höhepunkt; seither sinkt die Anzahl Betriebsgemeinschaften wieder, im letzten Jahr gab es noch 824 Stück (siehe Grafik).

 

Viele Formen der Zusammenarbeit

In der Landwirtschaft gibt es unterschiedliche Kooperationsformen. Die intensivste Form der Zusammenarbeit ist die Betriebsgemeinschaft, bei der zwei oder mehrere Betriebe vollständig fusioniert werden. Weniger weit gehen Betriebszweiggemeinschaften, Silo- oder Fruchtfolgegemeinschaften, Maschinenring. mw

 

Bauern wollen selbst bestimmen

Über die Gründe dieser Entwicklung lasse sich nur spekulieren, erklärt Ueli Straub, Mitglied der Arbeitsgruppe Betriebsgemeinschaften und bei der Agridea unter anderem zuständig für Kooperationsfragen. Die Gründung einer Betriebsgemeinschaft bringe grosse Veränderungen mit sich. Die Bauern müssten einen Grossteil ihrer Selbständigkeit aufgeben, Entscheidungen könnten nicht mehr eigenständig, sondern nur noch im Team gefällt werden. Das falle vielen Landwirten nicht leicht: "Für Bauern hat Autonomie einen sehr hohen Stellenwert", so Straub.

Eine Betriebszweiggemeinschaft zu gründen sei ein weniger folgenschwerer Schritt. Das Teamwork betreffe nur einen Teil der Arbeit, während die Vorteile ähnlich seien wie bei einer Betriebsgemeinschaft.

Schwierige Partnersuche

Mehr Betriebszweiggemeinschaften einerseits, weniger Betriebsgemeinschaften andererseits: Insgesamt blieb die Anzahl Betriebe, die aus einer Voll- oder Teilfusion hervorgingen, in den letzten Jahren stabil – auf tiefem Niveau. Der Anteil Betriebsgemeinschaften/Betriebszweiggemeinschaften machte im Jahr 2013 nur gerade 2,7 Prozent aller Landwirtschaftsbetriebe aus.
Dabei zahlt sich intensivere Kooperation aus. Grössere Betriebsstrukturen erlauben eine effizientere Bewirtschaftung, Maschinen können besser ausgelastet werden, Produktionskosten sinken, die Wettbewerbsfähigkeit steigt. Arbeitsspitzen und Arbeitsbelastung können reduziert werden, bei der Arbeitsorganisation ist man flexibler.

 

Mehr Fläche, mehr Tiere, mehr Effizienz

Die Betriebsgemeinschaften bewirtschaften laut einem Bericht der Forschungsanstalt Agroscope aus dem Jahr 2007 mit 47 Hektaren knapp dreimal so viel Fläche und halten mit 35 Milchkühen mehr als doppelt so viele Tiere wie ein Einzelbetrieb. Grössere Herden lassen sich effizienter managen: Eine Studie von Agroscope und der ETH ergab, dass in Betriebsgemeinschaften der zeitliche Aufwand pro Milchkuh und Jahr um 80 bis 90 Prozent tiefer liegt als bei Einzelbetrieben. In der Romandie sind Betriebsgemeinschaften (BG) und Betriebszweiggemeinschaften (BZG) verbreiteter als in der Deutschschweiz. Mit 10 Prozent aller Betriebe ist der Anteil BG/BZG im Kanton Neuenburg am grössten; im Kanton Glarus am geringsten (0,7%). Schweizweit liegt der Anteil BG/BZG bei 2,7 Prozent. In Österreich gab es laut dem Grünen Bericht 2013 3,2 Prozent Personengemeinschaften. In Deutschland belief sich deren Anteil im Jahr 2010 gemäss Agrarpolitischem Bericht auf 6,4 Prozent. mw

 

Warum aber ist die Fusionseuphorie nach den Boomjahren in den 1990er und zu Beginn der 2000er-Jahren erlahmt? Hemmend wirke das Bedürfnis vieler Bauern, den Hof selbstbestimmend zu bewirtschaften. Zudem sei es gar nicht so leicht, einen Partner zu finden. "Der Bauer im gleichen Dorf hat vielleicht bereits einen neuen Stall gebaut und ist deshalb nicht mehr an einer Zusammenarbeit interessiert", so Straub. Oder aber der Betrieb eines geeigneten Partners liege zu weit entfernt. Zudem müsse das Zwischenmenschliche stimmen: "Ich muss einen Partner finden, der zu mir passt", erklärt Straub. Ein Grossteil der Betriebsgemeinschaften werde aufgelöst, weil die Chemie zwischen den Bauern nicht stimme.

Auch künftig kaum mehr Kooperation

Das Bundesamt für Landwirtschaft will mit der neuen Agrarpolitik Kooperation fördern, indem es finanzielle Unterstützung gewährt – etwa für die Vorabklärung, Gründung und den Aufbau von Betriebsgemeinschaften und Betriebszweiggemeinschaften. Ob damit deren Anzahl künftig zunimmt, wird sich weisen. Bis anhin wurden die Direktzahlungen für Betriebe ab 40 Hektaren respektive 55 Grossvieheinheiten schrittweise gekürzt. Diese Mindestgrösse wurde für die Betriebsgemeinschaften vergrössert (mit der Anzahl Gesellschafter multipliziert), womit zumindest theoretisch ein Anreiz zur verstärkten Kooperation bestand.

Mit der im Januar 2014 in Kraft gesetzten Agrarpolitik verlieren die Betriebsgemeinschaften weitgehend diese Sonderstellung. Ueli Straub geht davon aus, dass deshalb auch künftig die Anzahl Betriebsgemeinschaften und Betriebszweiggemeinschaften auf dem heutigen Niveau bleiben wird.

So werden die Landwirtschaftsbetriebe wohl auch künftig primär einzelbetrieblich wachsen und nicht über den Zusammenschluss von mehreren Betrieben. Zumindest punkto Einkommen ist das einerlei: Laut Forschungsanstalt Agroscope bestehen zwischen Einzelbetrieben und Betriebsgemeinschaften keine Unterschiede. Eine Einkommenssteigerung ist also sowohl über einzelbetriebliches Wachstum wie auch mittels Betriebsgemeinschaft möglich.

    Das Wetter heute in

    Umfrage

    Geht Ihr an die Olma?

    • Ja:
      29.63%
    • Nein:
      61.9%
    • Weiss noch nicht:
      8.47%

    Teilnehmer insgesamt: 378

    Zur Aktuellen Umfrage

    Bekanntschaften

    Suchen Sie Kollegen und Kolleginnen für Freizeit und Hobbies? Oder eine Lebenspartnerin oder einen Lebenspartner?