Wer bis anhin eine Gans essen wollte, musste das Fleisch im Ausland besorgen. Nun gibt es Gans aus der Schweiz, direkt ab Bauernhof. Das Geflügel wird tiergerecht auf der Weide gehalten. Es frisst hauptsächlich Gras.
Unter den frisch gepflanzten Nussbäumen von Urs Gehris Hof in Büren an der Aare BE weiden keine Schafe oder Rinder, sondern 52 Gänse. Der Bauer ist einer der ersten, der dem Verein weidegans.ch beigetreten ist und nun eben Weidegänse mästet. Wobei von «Mästen» eigentlich keine Rede sein kann, denn die Gänse decken ihren Energiebedarf zum grössten Teil aus Weidegras.
Auch Hafer, Weizen, Gerste und Mais
«Junges, zartes Gras haben sie am liebsten», hat Gehri beobachtet. «Ich habe mehrere rund 50a grosse Weiden mit Schafzäunen eingezäunt und wechsle sie regelmässig, damit die Gänse immer genug und gutes Futter haben.» Tagsüber sind die robusten Vögel draussen, wo sie neben mehreren Tränken auch einige kleine Badestellen vorfinden. Das schreibt die Tierschutzverordnung vor.
Über Nacht sperrt Gehri das Geflügel ein. Im Stall füttert er auch etwa 100g Hafer pro Gans und Tag. Auch Weizen, Gerste oder Mais eignen sich. «Damit», so rechnet er, «sollen die Gänse bis im Oktober ihr Schlachtgewicht erreicht haben. Rechtzeitig auf Martini am 11. November und auf Weihnachten. An diesen Tagen kamen Gänse früher regelmässig auf den Tisch. Dann geriet das spezielle Geflügelfleisch in Vergessenheit – bis letztes Jahr einige Studenten der Fachhochschule HAFL ihr Weidegansprojekt starteten.
Futter in Kleinmengen
«In einer ersten Etappe haben zwei Mitstudenten 2012 selber einige Gänse gemästet und abgeklärt, ob das funktioniert und ob man das Fleisch verkaufen kann», erklärt einer der Initianten, Dominik Füglistaller, «diesen Frühling haben wir daraufhin den Verein weidegans.ch gegründet.» Wir, das sind neben Füglistaller auch Patrick Walther und Benno Jungo. Die drei haben mit ihrer Idee bei den Bauern offene Türen eingerannt. «Wir erhalten regelmässig Anfragen von Landwirten, die auch Gänse halten wollen», beteuert Walther, «die meisten müssen wir auf später vertrösten, denn unser Verein soll organisch wachsen, und wir müssen zuerst Erfahrungen sammeln.»
Tatsächlich betreten die drei Studenten Neuland. In der Schweiz gibt es weder präzise Tierschutzvorgaben zur Haltung von Mastgänsen, noch gibt es etablierte Absatzkanäle für Gänsefleisch, noch Fütterungsrichtlinien. «Bis vor kurzem gab es auch kein spezielles Gänse-Aufzuchtfutter», wirft Jungo ein, «dabei sind besonders Gössel (Gänseküken) diesbezüglich sehr heikel.» Mit der Kunz Kunath AG haben die drei aber eine Futtermittelfirma gefunden, die nach einer österreichischen Rezeptur das Gösselfutter in Kleinmengen mischt.
Eier aus Frankreich
Die 17 Gänseproduzenten, die im Verein weidegans.ch Mitglied sind und Gänse halten, haben ihre rund 900 Küken im Frühling eingestallt. «Die Bruteier wurden aus Frankreich importiert und in der Schweiz ausgebrütet», erläutert Füglistaller, «die Richtlinien des Vereins sehen vor, dass die Gänse hier geschlüpft sein müssen.» In den ersten Lebenswochen sind die kleinen Gössel sehr empfindlich, sie brauchen einen warmen, windgeschützten Stall und das erwähnte Spezialfutter. Wie Bauer Urs Gehri erzählt, hatte er sogar einen Heizofen im Abteil installiert, weil die Wärmelampen zu wenig Wärme spendeten.
Sobald die Gänse etwa drei Wochen alt sind, können sie auf die Weide – zuerst stundenweise, ab dem Alter von etwa sechs Wochen ganztags. Dann wird das Kükenfutter abgesetzt, und Gras wird Haupt-Energielieferant. «Gegen Ende der Mastdauer kann es sich lohnen, den Getreideanteil zu steigern, um den Ausmastgrad zu verbessern», weiss Füglistaller aus Literaturrecherchen, «über die effektive Qualität der Schlachtkörper können wir erst Ende Jahr Aussagen machen.»
Verkauf ab Hof
In diesem ersten Jahr des Vereins wollen die drei Studenten – und mit ihnen die 17 Bauern – deshalb Erfahrungen sammeln. Klar ist aber schon, dass zwei Metzgereien die Gänse schlachten, eine in Mörschwil SG, eine in Heimisbach BE. Die Produzenten werden die Tiere selber dorthin führen und auch die geschlachteten und pfannenfertig präparierten Gänse, ausgezeichnet mit Vereinslogo und Namen des Produzenten, zurücknehmen.
Das sei eine Vorgabe des Vereins, erklärt Walther: «Die Gänse werden direkt ab Hof vermarktet, und zwar ganz.» Es gebe also nicht Gänseschenkel oder Gänsebrust auf Bestellung, sondern eine 3 bis 4 kg schwere Gans. Dies zu 32 bis 36 Franken pro Kilo.
Kontakt über Homepage
Der Verein bietet seinen Produzenten insofern Hilfe bei der Vermarktung an, als dass auf der Homepage alle Betriebsadressen aufgeschaltet sind. Benno Jungo: «Jeder Bauer meldet uns im Frühling, wie viele Gänse eingestallt wurden. Über ein spezielles Tool kann er dann die Anzahl der Gänse, die zu verkaufen sind, laufend aktualisieren.»
So können Interessierte auf der Homepage einen Bauern in ihrer Region ausfindig machen und bei diesem direkt eine Gans reservieren. Die Weidegänse werden so regional vermarktet, und bis auf den Vereinsbeitrag bleibt die ganze Wertschöpfung beim Bauern.
www.weidegans.ch