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«Ganze Rudel töten ist nicht zielführend»

Seit dem 1. Dezember darf Jagd auf Wölfe gemacht werden. Auf 30 Prozent soll der jetzige Wolfsbestand reduziert werden. Neben Einzelwölfen sollen 12 von 32 Rudeln komplett verschwinden. Im Kanton St. Gallen wurden Expertenstimmen laut, die diese schwierig umsetzbaren Vorgaben als kaum realisierbar und wenig zielführend beschreiben.

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Eines dieser Rudel, das komplett ausgelöscht werden soll, ist das Calfeisental-Rudel. Es streift im äussersten Süden des Kantons St. Gallen herum. Das St. Galler Amt für Natur, Jagd und Fischerei (ANJF) habe dieses Rudel als besonders Schaden stiftend beurteilt und verlange die möglichst vollständige Eliminierung, schreibt das «St. Galler Tagblatt». Ziel sei es, die weitere Verbreitung des Wolfes zu unterbinden und das Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf zu verbessern.

Der Bund steht hinter dem Entscheid des kantonalen Amtes. Die Bewilligung gilt jedoch nur noch bis Ende Januar. In dieser Zeit alle 8 Wölfe des Calfeisental-Rudels auszulöschen sei selbst für Fachkräfte wenig realistisch, heisst es im Bericht weiter. Was diese Einschätzung untermauert ist die Tatsache, dass 3 Jungtiere dieses Rudels bereits seit September zum Abschuss frei gegeben sind. Und bis heute ist noch keines dieser Jungtiere erlegt worden.

Keine leichte Beute

Urs Büchler, Präsident des Schweizerischen Wildhüterverbandes und zuständiger Wildhüter im Gebiet oberes Toggenburg-Neckertal, erklärt dem «St. Galler Tagblatt» wie herausfordernd die Wolfsjagd ist. So weiss Büchler, dass sich ein Wolfsrudel in einem Revier von rund 200 Quadratkilometer bewege. Auch seien die Wölfe hoch intelligent und würden ihre extrem scharfen Sinne nutzen, um den Menschen aus dem Weg zu gehen. Ihre Intelligenz würden die Wolfe auch nutzen, um Herdenschutzmassnahmen zu umgehen.

Ein Wolf könne einen Menschen bei gutem Wind auf mehrere hundert Meter Entfernung riechen. Die ernüchternde Schlussfolgerung: Wölfe aufzuspüren und dann auch noch in Schussdistanz zu kommen sei eine enorme Herausforderung.

Sieben Wildhüter seien im Kanton damit beauftragt worden das Calfeisental-Rudel zu erlegen, erklärt Simon Meier, Leiter des ANJF. Trotz zahlreicher nächtlicher Streifzüge durch das Calfeisental und trotz modernster Technik sei es den St. Galler Jägern bislang nicht gelungen auch nur einen einzigen Wolf zu erlegen. Dies eben auch trotz der technischen Unterstützung durch Nachtziel-, Wärmebild- und Beobachtungsgeräte. 

Das Calfeisental liegt auf Gemeindegebiet von Pfäfers im äussersten Süden des Kantons St. Gallen. Es ist ein bei Vättis abzweigendes Nebental des Taminatals und führt westwärts bis zur Sardonahütte.

Unterstützung von Hobby-Jägern

Unterstützt werden die Jagd-Profis von allen Jagdrevier-Pächterinnen und -Pächter im Abschussperimeter. Diese wurden vom Kanton im Rahmen der regulären Jagd dazu befugt, die zum Abschuss freigegebenen Wölfe zu erlegen. Diese Verfügung betrifft 20 Reviere und insgesamt rund 150 aktive Jägerinnen und Jäger.

Aber nicht die Anzahl der Hobby-Jägerinnen und -Jäger ist bei der Jagd nach Wölfen ausschlaggebend, sondern ihre Bereitschaft dann auch tatsächlich abzudrücken, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Sich dabei selbst in Gefahr bringen will gewiss auch niemand.

Ein Grund für diese Zurückhaltung ist auch der, versehentlich einen Wolf zu schiessen, welcher nicht zum Abschuss freigegeben wurde. Für den Jäger oder die Jägerin könne dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Hobby-Jägerinnen und -Jäger sind deshalb auch nicht zur Jagd verpflichtet. Die Wolfsregulierung ist Aufgabe des Kantons. 

Amtsvorsteher Simon Meier bringe Verständnis für jeden Jäger und jede Jägerin auf, die nicht für den finalen Schuss bereit wäre. Selbst der Präsident des St. Gallischen Jägervereins Hubertus, Peter Weigelt, gesteht dem «St. Galler Tagblatt», dass er nicht abdrücken würde.  Weigelt vermute, dass es auch vielen anderen Jägerinnen und Jägern so gehen würde.

Kritik am Bund

Für Weigelt seien die Massnahmen des Bundes zu radikal. «Man hätte mehr Akzeptanz gewonnen, wenn man schrittweise vorgegangen wäre und den Bestand zunächst auf 20 Rudel reduziert hätte», sagt Weigelt. Ganze Rudel zu entfernen sei langfristig nicht zielführend. Da gäbe es wirkungsvollere Massnahmen, wie etwa den gezielten Abschuss von Jungtieren, so Weigelt.

Auch Wildhüter Urs Büchler kritisiert die drastischen Massnahmen des Bundes. Er wolle nicht ausschliessen, dass diese auch problematische Auswirkungen haben könnten. Abgesehen davon, dass es praktisch ausgeschlossen sei, alle zum Abschuss freigegebenen Wölfe zu erlegen, hätte man dadurch für die Bevölkerung ein falsches Zeichen gesetzt. Der jetzt allgemein verbreiteten Hoffnung, ein ganze Rudel auszurotten, könne vermutlich nicht entsprochen werden. 

Organisatorische Mängel

Gewisse Beschlüsse des Bundes seien auch aus biologischer Sicht nicht begreiflich, heisst es im Bericht weiter. 

Organisatorisch ist die Schweiz diesbezüglich in fünf so genannte Grossraubtier-Kompartimente eingeteilt, die mit römischen Zahlen von 1 bis 5 (I bis V) bezeichnet werden.

Für die Region V (Südostschweiz), die die Kantone Graubünden, Tessin und den südlichen Teil St. Gallens abdeckt, sei ein Minimum von drei Wolfsrudeln definiert worden. Heute leben in dieser Region ganze 16 Rudel, was heisst, dass bis zu 13 Rudel komplett verschwinden dürfen.

Für die Region II (Nordostschweiz), die den Norden des Kantons St. Gallen, das Appenzellerland, den Thurgau, Zürich und Schaffhausen umfassen, sei ein Minimum von zwei Rudeln definiert worden.

Für die von der Grösse her also kleinere Region II, die im Gegensatz zur Südostschweiz durch dicht besiedeltes Gebiet gekennzeichnet ist, wird nur ein Rudel weniger als Minimum definiert. Tatsache ist, dass es in der Region II zurzeit (Stand 8.12.23) kein einziges Wolfsrudel hat. Das sei fachlich nicht nachvollziehbar, so Wildhüterverband-Präsident Büchler.

Ausgelöschte Rudel werden ersetzt

Wenn ein ganzes Rudel aus einem Gebiet entfernt werde, sei es fast sicher, dass dieses bald wieder von Jungwölfen besiedelt würde. Ein neues Rudel würde bedeuten, dass die Vergrämungsbemühungen wieder von vorne beginnen müssten. Denn das neue Rudel wäre im Umgang mit Menschen noch unerfahren. Für Büchler sei nicht ausgeschlossen, dass durch die geringere Scheu des neuen Rudels die Nutztierrisse wieder zunehmen würden.

Etwas «überraschend» ist das vom Kanton St. Gallen definierte Ziel. So wolle der Kanton nur scheue und unproblematische Wölfe haben, die die Herdenschutzmassnahmen akzeptieren würden, ist dem «St. Galler Tagblatt» zu entnehmen.

Ob es gelingen wird, die Wölfe auf diese Weise zu zähmen? Der Abschuss ganzer Rudel scheint nach den Meinungen der Experten jedenfalls keine zielführende Lösung zu sein. Denn allein die Tötung von einem oder zwei Wölfen des Rudels könnte das Verhalten der übrigen Tiere beeinflussen. Das ganze Rudel zu töten aber, sei sehr schwierig, sagt Meier.

 

Kommentare (2)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Erhard Liedl | 15.12.2023
    Es ist eine kindliche Vorstelltung erwachsener Menschen, dass irgend ein Wolf irgend etwas daraus lernt,dass irgendwo im Wald ein anderer Wolf, möglichst auch noch hinterrücks, erschossen wird.
  • Locher Mario | 15.12.2023
    Fragen Sie mal einen hungrigen Wolf, ob er die getroffenen Herdenschutzmassnahmen akzeptiert.
    Er wird Ihnen antworten: Sobald mein Hunger zu gross wird, werde ich intelligent genug sein, die Massnahmen zu umgehen.
    Selbst erlebt im letzten Jahr...
    Schadenstiftende Wölfe oder Rudel müssen rasch entfernt werden dürfen, auch wenn es Aufwand bedeutet.
    Die CH-Bevölkerung wollte den Wolf, das sind nun die Konsequenzen. Man kann sich nicht permanent davor verstecken und immer die Bauern/ Landbevölkerung beschuldigen, was diese alle falsch machen würde(n). Vielfach ist leider das Verständnis für die betroffene Bevölkerung schlicht nicht da!
    Vom Tierschutz zugunsten der Nutztiere ganz zu schweigen, diese leiden erbärmlich, wenn sie durch den Wolf nicht direkt getötet werden. Auch das habe ich schon mehrfach selbst erlebt...
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