Die Schweiz hat sich im vergangenen Winter erfolgreich gegen eine Gasmangellage gestemmt. Für den kommenden Winter kann aber trotz aller bereits getroffenen Vorkehrungen nicht ausgeschlossen werden, dass der Rohstoff zum Heizen doch noch knapp wird.
«Verschiedene Faktoren haben dazu geführt, dass es im vergangenen Winter nicht zu einer Gasmangellage kam», sagt Michael Schmid vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG) auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Zum einen gab es verschiedene Vorsorgemassnahmen: So seien zusätzliche LNG-Kapazitäten in Europa aufgebaut worden (»Liquefied Natural Gas» = Flüssigerdgas).
Zudem wurden Speicherziele definiert und umgesetzt. In Europa gibt es etwa in Deutschland und Italien grosse kommerziell betriebene saisonale Gasspeicher. Gleichzeitig wurde der Verbrauch reduziert, insbesondere in der Industrie. In der Schweiz seien etwa für Prozessenergie so genannte Zweistoffanlagen von Erdgas auf Mineralöl umgestellt worden.
Milder Herbst und Winter
Zudem war Glück mit im Spiel: «Von grosser Bedeutung war aber auch der überaus milde Herbst und Winter, der zu einem geringeren Verbrauch geführt hat», sagt Schmid vom VSG. Auch sei Strom aus den französischen Atomkraftwerke verhältnismässig gut verfügbar gewesen. Das habe entsprechend zu einem geringeren Bedarf an Gas für die Stromproduktion in Europa geführt.
Entwarnung kann die Branche aber nicht geben: «Eine Mangellage kann für den kommenden Winter leider nicht ausgeschlossen werden», so Schmid weiter. Zwar sei auch aktuell die Speicherbefüllung in Europa «gut auf Kurs» und übertreffe die für die Jahreszeit gesetzten Ziele sogar. Üblicherweise werden die Gasspeicher in der warmen Zeit gefüllt und sollen bis zum Winter einen hohen Füllstand erreichen. Auch würden noch weitere LNG-Importkapazitäten aufgebaut.
Es verblieben aber Risikofaktoren mit Blick auf den nächsten Winter: etwa die Entwicklung des weltweiten LNG-Markts, der auch von der konjunkturell bedingten Nachfrage aus Asien abhängt, sowie begrenzte Transportkapazitäten. Und wie kalt es im Winter wird, ist mitentscheidend.
Erst am (gestrigen) Mittwoch hatte der Bundesrat kommuniziert, dass die Unsicherheiten in der Gasversorgung noch mindestens die nächsten drei Jahre bestehen bleiben könnten. Aufgrund einer Analyse der Branche werde auch erneut eine Gasreserve für den Winter 2024/2025 in Betracht gezogen.
Viel weniger russisches Gas
Derweil haben sich die Gasimporte innerhalb von anderthalb Jahren stark verändert. Noch im Jahr 2021 kam laut dem Branchenverband über 40 Prozent des Gases, das in die Schweiz floss, ursprünglich aus Russland. Obwohl die Schweiz keine direkten Lieferbeziehungen zu Russland hat, wurde es via Nachbarländer importiert. Gut ein Fünftel lieferte Norwegen und knapp ein Fünftel die EU. Algerien machte noch 3 Prozent der Lieferungen 2021 aus.
Derzeit lasse sich aber nicht verlässlich sagen, woher das Gas in der Schweiz länderspezifisch genau kommt, sagt Schmid vom VSG. Die Schweiz beziehe den Rohstoff aber aus EU-Ländern. Und dort ist der Importanteil an russischem Gas laut Daten der des Verbands der europäischen Fernleitungsnetzbetreiber für Gas (Entsog) seither stark gesunken.