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«Gebt Bauern statt Subventionen goldene Fallschirme»

Die Schweizer Landwirtschaft soll radikal liberalisiert, die Direktzahlungen herunter gefahren und der Grenzschutz abgebaut werden. Diese Forderungen stellt Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Freiburg, in der «NZZ am Sonntag» auf.

Samuel Krähenbühl |

 

 

Die Schweizer Landwirtschaft soll radikal liberalisiert, die Direktzahlungen herunter gefahren und der Grenzschutz abgebaut werden. Diese Forderungen stellt Reiner Eichenberger, Professor für Theorie der Wirtschafts- und Finanzpolitik an der Universität Freiburg, in der «NZZ am Sonntag» auf.

«Die Schweizer Landwirtschaft kostet uns enorm viel. Nötig wäre eine Umstrukturierung, damit weniger Bauern auf einer gleich grossen Fläche effizienter wirtschaften können», lautet die Zusammenfassung der Forderungen Eichenbergers in der «NZZ am Sonntag».

Die Schweizer Landwirtschaftspolitik stecke in einer Sackgasse. «Sie schützt laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Schweizer Bauern doppelt so stark wie jene in der EU. Trotzdem fordern viele hiesige Bauern noch mehr Schutz», so Eichenbeger. Er stellt dazu acht Thesen auf:

1. Die Landwirtschaft leistet wichtige Beiträge zur Landschaftspflege und zur Ernährungssicherheit. Aber: Das würde sie auch tun, wenn die Märkte offener und die Subventionen kleiner wären. Dann würde etwa gleich viel Land wie heute bewirtschaftet, aber von weniger und dafür etwas grösseren Betrieben und auf weniger intensive Art. In puncto Ernährungssicherheit, Landschaftspflege und Ökologie wäre das wenigstens so gut wie heute.

2. Die Kosten der heutigen Landwirtschaftspolitik sind riesig. Jährlich belastet sie den Bund und die Kantone mit rund 4,0 Milliarden Franken, davon 2,9 Milliarden Direktzahlungen. Zudem bringt der Grenzschutz höhere Produzentenpreise und so gemäss OECD weitere Transfers von gegen 2 Milliarden zugunsten der Landwirtschaft. Dagegen beträgt die Nettowertschöpfung der Landwirtschaft trotz hohen Preise nur rund 2 Milliarden Franken.

3. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten sind noch viel höher. Durch die Marktabschottung für Landwirtschaftsgüter wird es ausländischen Detailhandelsketten in der Schweiz erschwert, als harte Wettbewerber aufzutreten, was eine wichtige Ursache für die hohe Marktkonzentration im Detailhandel und für die Preisinsel Schweiz ist. Zudem wird der starke Landwirtschaftsschutz immer mehr zur Bremse für internationale Handelsabkommen der Schweiz. Beides zusammen kostet sehr viele Milliarden.

4. Die Einkommensverhältnisse in der Landwirtschaft sind erstaunlich. Das wohl wichtigste Einkommensmass, der mittlere jährliche Arbeitsverdienst pro ganze Familienarbeitskraft, betrug von 2012 bis 2014 gemäss amtlicher Schätzung 47 857 Franken pro Jahr. Aber: Im oberen Viertel aller Betriebe beträgt es im Mittel 102 906, in der Talregion sogar 120 894 Franken; davon träumen die allermeisten Subventionszahler. Hingegen beträgt es im unteren Viertel im Mittel nur 5884 jährlich, in der Bergregion sogar nur 2426 Franken. Die Zahlen spiegeln, dass der Ertrag landwirtschaftlicher Arbeit aus viel mehr als Geld bestehen muss und weniger von Subventionen abhängt als davon, wie ein Bauer wirtschaftet.

5. Trotz den unglaublich tiefen unteren Einkommenszahlen ist das sogenannte Bauernsterben weitgehend eine Mär. In kaum einer anderen Branche treten so viele Kinder beruflich in die Stapfen ihrer Eltern. Konkurse sind selten. Betriebe werden dann geschlossen und verkauft, wenn ihre Leiter in Pension gehen, aber keine familieneigenen Nachfolger haben.

6. Es ist höchste Zeit, dass die Landwirtschaftspolitik neu ausgerichtet wird. Die Märkte müssen wenigstens gegenüber Europa geöffnet, die Direktzahlungen abgebaut und den Bauern mehr unternehmerischer Freiraum gewährt werden. Langfristig wäre das auch für die Bauern gut. Direktzahlungen sollte es nur für Leistungen geben, die ohne Subventionen nicht erbracht werden. Fast alle anderen Branchen erbringen für die Allgemeinheit ebenfalls sehr wichtige Leistungen ohne Subventionen. Es gibt keinen Grund, die Landwirtschaft anders zu behandeln. Direktzahlungen braucht es aber für die Berglandwirtschaft sowie aussergewöhnliche ökologische Zusatzleistungen.

7. Mit der Marktöffnung und Subventionskürzungen würde die Umstrukturierung der Landwirtschaft beschleunigt. Die Betriebsaufgabe durch die einen erlaubt es den anderen, ihre Betriebe zu vergrössern und als freiere Unternehmer mit noch mehr Berufsfreude ebenso gut wie heute zu verdienen.

8. Entscheidend ist der Umstrukturierungsprozess. Die langfristigen Gewinne für die Konsumenten und die ganze Volkswirtschaft wären riesig und viel grösser als die Verluste der Bauern. Deshalb könnten die Bauern für den Wegfall der zukünftigen Subventionen, auf die sie ihre Betriebe und Planung ja ausgerichtet haben, grosszügig entschädigt werden, mit einer Art goldenem Fallschirm. Die Politik müsste da einen fairen und glaubwürdigen Entschädigungsmechanismus entwickeln. Dazu ein Vorschlag: Der Wert des landwirtschaftlichen Ertrags sowie die Subventionen schlagen sich direkt in den Preisen für Landwirtschaftsland nieder. Durch die Liberalisierung der Landwirtschaftspolitik würden also längerfristig die Landpreise fallen. Der Landwertverlust würde recht genau den Verlust der Bauern durch die neue Politik spiegeln. Damit wäre es ein Leichtes, die Bauern angemessen zu entschädigen. Ergänzend könnte es den Bauern erlaubt werden, ihre Gebäude freier umzunutzen, zu vermieten und zu verkaufen.

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