Ein Franken pro Liter Konsummilch – in Genf scheint dieses Konzept seit zwei Jahren zu funktionieren. Dort verkauft man die labelisierte Past-Vollmilch aus dem Kanton in 3-Liter-Packungen oder 10-Liter-Beuteln.
Von 44 Milchvieh-Bauern im Kanton Genf Anfang der 1980er-Jahre sind bis heute gerade mal sechs übrig geblieben. Zusammen produzieren sie rund 22 Millionen Kilo Milch, die sie an den Genfer Milchverband, die Fédération Laiteries Réunies de Genève (LRG) liefern.
Im vergangenen Jahr feierte die LRG ihr 100-jähriges Bestehen. Insgesamt verarbeitet die LRG in Plan-les-Ouates pro Jahr etwa 52 Millionen Kilo Milch, die in Genf, im Südwesten der Waadt und in der in Frankreich liegenden Zollfrei-Zone rund um Genf eingesammelt werden, wo auch einige Genfer Bauern ihre Kühe sömmern. Unter anderem stellt die LRG auch die bekannten «TamTam»-Desserts her.
Hilfe vom Kanton Genf
Ein Teil der Milch der sechs Genfer Bauern wird seit drei Jahren auch als Konsummilch – ausschliesslich Vollmilch – mit dem Label «Genève Région – Terre Avenir» (GRTA) verkauft. Das Label basiert auf vier Grundsätzen und garantiert Qualität aus umweltfreundlicher landwirtschaftlicher Produktion ohne gentechnisch veränderte Organismen, Regionalität, Rückverfolgbarkeit und soziale Gerechtigkeit, das heisst ein angemessenes Einkommen für die lokalen Landwirte und allfällige Angestellte.
Für die LRG ist die Genfer Milch aber eigentlich nicht gerade ein grosses Geschäft. «Wir verdienen daran fast nichts», meint der Direktor des Milchverbands, Pierre Charvet. Für die Kreierung der Karton-Verpackung für den 3-Liter-Beutel, der seit April 2010 erhältlich ist, erhielt man sogar Unterstützung vom Kanton Genf, dem vor allem daran gelegen war, die letzten verbliebenen Milchvieh-Bauern im Kanton halten zu können.
Direktvermarkter und Manor verkaufen Milch
Obschon Genfer Konsumenten für diese Milch etwas tiefer in die Tasche greifen müssen, scheint sich das Konzept zu bewähren. «Eine 3-Liter-Packung GRTA-Milch verlässt unser Haus für Fr.4.80», sagt Charvet. Neben einigen Direktvermarktern verkauft auch der Grossverteiler Manor die Genfer Milch.
Anderseits hielten sich für die LRG auch die notwendigen Investitionen in Grenzen. Zwar musste neben einer Linie für konventionelle und einer für Bio-Milch noch eine dritte Linie installiert werden, um die Rückverfolgbarkeit der Milch zu gewährleisten. Doch konnte praktisch alles mit bereits vorhandenen Geräten und einem Budget von 300’000 Franken aufgebaut werden.
Imageträger
Für Charvet ist die GRTA-Milch jedoch auch ein Image-Träger für die LRG. Er betont: «Die Milch stammt von Genfer Kühen, wird in Genf verarbeitet und an Genfer verkauft.» Letzten Monat konnte gar erstmals die 10’000-Liter-Marke für GRTA-Milch im 3-Liter-Beutel überschritten werden. In 10-Liter-Beuteln kann man gar monatlich mehr als 40’000 Liter verkaufen.
Diese werden vor allem an grössere Küchen geliefert, namentlich an Schulen oder Spitäler – öffentliche Einrichtungen, denen der Kanton gar eine entsprechende Verpflichtung auferlegte, Genfer Milch einzukaufen. Ab dem kommenden Jahr will Charvet auch UHT-Milch anbieten können. Diese dann jedoch in der üblichen 1-Liter-Tetrapackung, auf der etwa der Jet d’Eau abgebildet sein könnte. So könnten möglicherweise auch Bauern ausserhalb Genfs in den Genuss kommen, ihre Milch, wenn auch nicht als GRTA-Milch so dennoch mindestens als Milch aus der Region verkaufen zu können.
Guter Anfang
Bislang profitieren erst die sechs Genfer Bauern von einem Milchpreis von einem Franken pro Liter – für in 3-Liter-Beutel abgefüllte GRTA-Milch. Für Milch, die im 10-Liter-Beutel verkauft wird, erhalten sie 70 Rappen. Ein Teil der Genfer Milch wird auch noch zu Tommes und Joghurts mit dem GRTA-Label verarbeitet. Insgesamt konnten letztes Jahr 640’000 Kilo Milch auf diese Weise vermarktet werden, was knapp einem Drittel der im Kanton produzierten Milch entspricht.
Für Andreas Baumgartner, einen der sechs Genfer Milchproduzenten aus Genthod, der seinen Betrieb inzwischen seinem Sohn Christophe übergeben hat, ist die Genfer Milch ein guter Anfang. Bei der Lancierung vor drei Jahren war er selbst noch im Verwaltungsrat der LRG und erinnert sich, wie Grossküchen Milch in 10-Liter-Beuteln aus der Deutschschweiz eingekauft hätten, während es für die Milch aus dem eigenen Kanton Absatzprobleme gab.
Genfer schätzen Angebot trotz der Nähe zu Frankreich
Dass schon kurze Zeit nach Lancierung des 10-Liter-Beutels GRTA-Milch auch eine 3-Liter-Packung an Endverbraucher lanciert werden konnte, für den die Bauern einen Franken pro Liter erhalten, zeigt aber, dass viele Genfer Konsumenten Lebensmittel mit kurzen Transportwegen bevorzugen – selbst wenn es auch viele gibt, die im nahen Frankreich einkaufen. «Doch aller Anfang ist schwer», meint Baumgartner. Ein erster wichtiger Schritt, um die Produktionskosten zu decken, sei aber erfolgt.
Abgerechnet wird einmal pro Jahr. Laut Baumgartner erhalten die Genfer Milchbauern zunächst monatlich ihre knapp 56 Rappen pro Kilo Milch ausbezahlt, genauso wie alle anderen Bauern im Verbandsgebiet. Einmal jährlich erhalten sie aber, im Verhältnis zur eingelieferten Milch, den GRTA-Zuschlag ausbezahlt.