Auf 84 Tessiner Alpen wird gekäst. Knapp die Hälfte produziert Tessiner Alpkäse AOP. Zwei davon fast auf dem Gotthard.
Auf der Gotthardpasshöhe herrscht reges Treiben. Die Autos und Motorräder parken dicht gedrängt beim Hospiz. Das Posthorn erklingt. Die alte Gotthardpostkutsche ist soeben angekommen: fünfspännig von Andermatt nach Airolo. Inmitten des Gedränges steht ein Verkaufswagen mit Tessiner Produkten. Der dort zum Verkauf angebotene Käse wird auf der Alpe Sorescia, nur wenige Autominuten weg vom Getümmel auf der Passhöhe, produziert.
Die Strasse zur Alp schlängelt sich leicht abwärts. Auf den steilen Hängen links und rechts neben der Strasse sind keine Rinder, dafür etliche Murmeltiere zu beobachten. Die Kühe sind lediglich in der Ferne auszumachen. Sie grasen weit entfernt von der Strasse und den Alphütten. Deshalb ist es üblich, die Tiere in einem mobilen Melkstand zu melken. Wie die meisten Tessiner Alpen gehört auch die Alpe Sorescia der Burgergemeinde, in diesem Falle dem Patriziato di Airolo. Bestossen wird die Alp mit dem System der Korporation.
Ein Leben auf der Alp
Seit nunmehr 60 Jahren geht Angelo Lombardi Sommer für Sommer hier auf die Alp. Für die Käseherstellung ist dieses Jahr Guido Bernasconi zuständig. Ein Tüftler, der gerne auch einmal etwas Neues ausprobiert. Nebst dem traditionellen Tessiner Alpkäse AOP stellt er kleine Halbhartkäse (Formaggelli), einen Frischkäse und Butter her. Und sogar aus der Molke, dem Nebenprodukt der Käseherstellung, kreiert er in kleinem Rahmen durch die Zugabe von Mango- und Ananasaromen ein Erfrischungsgetränk.
Im Keller riecht es würzig. Grau und mit einer Schicht Schimmel überzogen, liegen die Laibe da. Da der Alpkäse aus dem Tessin trocken und nicht in Schmiere gehalten wird, ist eine genügend hohe Luftfeuchtigkeit im Keller zwingend.
Aus Molke wird Kompost
Etwas weiter die Strasse entlang, hoch über Airolo TI auf knapp 2060 m ü. M., liegt die Alpe Pontino. «Wir haben 120 Kühe hier oben», erzählt Marco Togni, der Verantwortliche der Alp. 75 der 120 Tiere gehören ihm und leben im Winter auf seinem Betrieb in Airolo. Die übrigen Kühe stammen nicht nur aus Tessiner Landwirtschaftsbetrieben. Nein, einige Tiere werden sogar aus dem Kanton Aargau auf den Gotthard gefahren, damit ihre Milch dort während des Sommers zu Käse verarbeitet wird.
Mit dem heurigen Sommer ist der Älpler zufrieden: «Wir hatten genügend Regen und viel Gras.» Tag und Nacht sind die Kühe auf der Weide und suchen sich die saftigsten Gräser und Kräuter. Denn genau diese verleihen dem Alpkäse seinen einzigartigen Geschmack. Nebst den Kühen leben zur Verwertung der Molke zehn Schweine auf der Alp.
«Die Schweine saufen nicht alle Molke», lacht Togni: «Dann wären sie ja wirklich durstig.» Nein, der grösste Teil der Molke wird kompostiert. Etwas unterhalb der Alpgebäude steht dazu ein eher unscheinbares Bauwerk, gefüllt mit Holzschnitzeln: eine Molke-Kompostieranlage. In dieser Anlage wird der Milchzucker unter aeroben Bedingungen abgebaut; die Gase und das Wasser verflüchtigen sich.
Auf 84 Alpen im Tessin wird gekäst, 38 davon produzieren den geschmackvollen und cremigen Tessiner Alpkäse AOP: ein Produkt, das zu probieren es sich lohnt.