Die beiden Kantone ordneten im November 2023 den präventiven Abschuss von Wölfen an. Zuvor hatten sie vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) die entsprechenden Zustimmungen erhalten. Beim Kanton Wallis stimmte das Bafu der Entfernung der Wolfsrudel Nanz (mindestens fünf Wölfe), Le Fou-Isérables (mindestens vier Wölfe) und Les Hauts-Forts (mindestens drei Wölfe) zu.
Nachteilige Wirkungen
Der Kanton Graubünden erhielt grünes Licht für die Eliminierung der Wolfsrudel Stagias (mindestens acht Wölfe), Vorab (mindestens zehn Wölfe) sowie den vorgesehenen Abschuss von je zwei Drittel der 2023 geborenen Jungwölfe der Rudel Jatzhorn (drei Welpen) und Rügiul (zwei Welpen). Dies geht aus den beiden am Freitag publizierten Zwischenverfügungen des Bundesverwaltungsgerichts hervor.
Wie in der Regel üblich, haben die Beschwerden der Naturschutzorganisationen Pro Natura, WWF Schweiz und Schweizer Vogelschutz aufschiebende Wirkung. Dies bedeutet, dass die durch eine Verfügung angeordnete Rechtsfolge vorläufig nicht eintritt. Zweck der aufschiebenden Wirkung ist es, die beschwerdeführende Partei die nachteiligen Wirkungen der Verfügung so lange nicht fühlen zu lassen, bis über deren Rechtmässigkeit entschieden ist, wie das Gericht schrieb.
«Geschützte Tierart»
Die beiden Kantone stellten im Dezember das Gesuch, die aufschiebende Wirkung aufgrund des «hohen Schadensausmasses» aufzuheben. Diesem Begehren gab das Bundesverwaltungsgericht nicht statt.
Es hält fest, dass die Naturschutzorganisationen im Fall Wallis glaubhaft gemacht hätten, dass in der Vergangenheit mögliche Schutzmassnahmen nicht ergriffen worden seien. Dadurch liesse sich die befürchtete hohe Anzahl an Nutztierrissen deutlich verringern. Dies relativiere die Notwendigkeit eines Entzugs der aufschiebenden Wirkung erheblich.
Es falle auch ins Gewicht, dass es sich beim Wolf um ein vom Gesetzgeber geschütztes Tier handle. Die Zahl der trotz Herdenschutzhunden gerissenen 16 Nutztiere sei relativ gering und reiche nicht aus, um die aufschiebende Wirkung zu entziehen.
Schäden nicht unzumutbar
Zum Bündner Gesuch schreibt das Bundesverwaltungsgericht, die strittige Bestandsregulierung könne zum Abschuss von 23 Wölfen führen. Dem stünden jene fünf Nutztierrisse gegenüber, die im letzten Jahr trotz Herdenschutzmassnahmen stattgefunden haben dürften. Die befürchteten Schäden seien weder faktisch noch finanziell völlig unzumutbar.
In der Sache selbst hat das Bundesverwaltungsgericht noch nicht entschieden – also, ob die verfügten Abschüsse mit übergeordnetem Recht vereinbar sind.
(Verfügungen A-6740/2023 und A-6831/2023 vom 3.1.2024)
Begründung für Beschwerde
Pro Natura, WWF Schweiz und Birdlife Schweiz begründeten ihre Einsprachen gegen die Abschussverfügungen mit der Verhältnismässigkeit. Bund und Kantone würden diese missachten. Sie würden zudem die wichtige Rolle des Wolfs im Lebensraum Wald ignorieren.
«Die neue Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Tiere (JSV) ist einseitig auf Wolfsabschüsse gemünzt. Besonders irritierend am Vorgehen von Bund und Kantonen ist, dass Abschüsse ganzer Wolfsrudel flächig bewilligt wurde», kritisierten die Organisationen. Entgegen den Zusicherungen des Bundesrates seien auch Abschüsse von ganzen Rudeln bewilligt worden, die nur sehr wenige Nutztiere gerissen hätten.
Die Organisationen verwiesen auf die Beratung des Jagd- und Schutzgesetzes im Parlament. Dort sei festgestellt worden, dass der Abschuss ganzer Rudel die Ausnahme bleiben müsse und lediglich auf Rudel angewendet werden dürfe, die «ausser Kontrolle» geraten seien. Sie sehen geltendes Recht verletzt.
Die Naturschutzorganisationen fochten deshalb vier der acht Abschussverfügungen im Kanton Graubünden und drei der sieben Abschussverfügungen im Wallis an.
Die Regulation von Rudeln solle aber weiterhin möglich sein, hielten die Organisationen fest. «Wo es um die plausible Verhinderung grosser Schäden geht, bleibt der Spielraum der Kantone für proaktive Eingriffe in den Wolfsbestand vollumfänglich erhalten», teilten sie mit.