Der Kanton Glarus hat als erster Kanton in der Schweiz Interessenvertreter aus Landwirtschaft, Umwelt-, Klimaschutz und Industrie an einen Tisch gebracht und einen Dialog für eine nachhaltige Landwirtschaft geschaffen. Ziel ist es, die Region weiterzuentwickeln.
Die gemeinsame Erarbeitung von Visionen und Massnahmen für die Bergregion im Koordinationsforum «Glarnerlandwirtschaft» geht auf ein Instrument des Bundesamts für Landwirtschaft zurück. Dieser sogenannte Entwicklungsprozess ländlicher Raum (ELR) wurde erst kürzlich in Zusammenarbeit mit der ETH lanciert.
Der «Entwicklungsprozess ländlicher Raum (ELR)» ist ein Instrument des Bundesamtes für Landwirtschaft, das die Koordination der verschiedenen Nutzungen und Interessen im ländlichen Raum ermöglichen soll. Der ELR ist als partizipativer Prozess aufgebaut und dient dazu, die verschiedenen Akteure aus der Landwirtschaft, den Umweltverbänden, den Wirtschafts- und Konsumentenorganisationen, dem Tourismus und der Politik zusammenzubringen und eine Region themenübergreifend zu entwickeln und gemeinsame Visionen und Massnahmen zu erarbeiten. Durch die Zusammenarbeit verschiedener Sektoren sollen tragfähige Lösungen entstehen, welche die gewünschten langfristigen Wirkungen erzielen.
Glarus als Pionier
Der Kanton Glarus erarbeitete nun als Pionier erste Ziele für eine Landwirtschaft, die allen Forderungen der Gesellschaft gerecht werden soll, wie die Verantwortlichen von Bund, Kanton und Interessengruppen an einer gemeinsamen Medienkonferenz am Donnerstag in Elm GL erklärten.
Dabei würden oft Vorstellungen aufeinander prallen, sagte Anita Wyss, Geschäftsführerin von WWF Glarus. Der Kanton Glarus weise höhere Treibhausgasemissionen als andere Kantone auf und deshalb müsse man sich die Frage stellen, ob man Flächen auch anders nutzen könnte als einzig für die Nutztierhaltung.
«Die gute Zusammenarbeit ist der Schlüssel des Erfolgs», hielt BLW-Direktor Christian Hofer am Medienanlass in Elm fest. Innovative Ansätze und die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Landwirtinnen und Landwirte seien gerade in solchen Regionen besonders wichtig.
Nutzhanf und Speisepilze
Eine Massnahme aus diesem gemeinsamen Dialog ist deshalb die Förderung des Anbaus von Nutzhanf. Dieser soll anschliessend industriell verarbeitet werden und bietet den Landwirten eine Weiterentwicklung ihrer Produktpalette. So soll auch die Wertschöpfung erhalten bleiben. Der Hanfrohstoff wird von der Textil-Industrie weiterverarbeitet.
Ein weiteres Projekt, das verschiedene Aspekte der Landwirtschaft und der Kreislaufwirtschaft vereint, trägt den Titel «Food from Wood». Dabei werden auf Buchenholz Speisepilze für die lokale Gastronomie gezüchtet. Die verbleibenden Holzreste dienen anschliessend als Grundlage für die Produktion von Insektenproteinen.
Wertschöpfung stärken
Die Glarner Volkswirtschaftsdirektorin, Marianne Lienhard (SVP), räumte anfängliche Zweifel am Forum ein. Interessenvertreter aus verschiedensten Bereichen würden ihre Vorstellungen oft stur und stark ideologisch wiedergeben. Kompromisse zu finden sei schwer. Mittlerweile habe sie aber «Freude am Projekt bekommen» und sehe, dass es auch das gegenseitige Verständnis fördere.
«Wertschöpfungsketten aufbauen und stärken heisst an Nahtstellen zu arbeiten. Dies erfordert den Willen aller, eine gemeinsame Vorstellung der Zukunft zu haben, auch wenn nur Konturen der Vision erkennbar sind», betonte die Glarner Regierungsrätin.
Aus der Glarner Kantonskasse fliessen 160’000 Franken ins Forum. Der Bund beteiligt sich mit rund 77’000 Franken.
Glarner Landwirtschaft
Gemäss Arealstatistik hat die Landwirtschaftsfläche zwischen den Erhebungen 1979/85 und 2013/18 um 6.1% abgenommen, zugenommen haben die Siedlungsfläche um 24.4 % und die bestockte Fläche um 5.4%. Von den 68'540 ha Gesamtfläche entfallen im Kanton Glarus 7'229 ha auf die landwirtschaftliche Nutzfläche (LN) der Ganzjahresbetriebe. Rund 14'000 ha sind alpwirtschaftliche Nutzflächen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche besteht zu 70 % aus Dauerwiesen und zu 11 % aus extensiv genutzten Wiesen.
Die Fruchtfolgeflächen werden zu 81 % als Dauerwiesen und zu 10 % für Maisanbau genutzt. Zunehmend werden auch auf den wenig ackerfähigen Böden Getreide und Raps angebaut. Die 351 Landwirtschaftsbetriebe (Jahr: 2020) bewirtschaften im Mittel eine Fläche von knapp 20 ha (CH: 20.9 ha). 71% der Betriebe wirtschaften im Haupterwerb. Im Kanton sind 32 % der Betriebe Bio-zertifiziert (CH: 16.5 %). Im Jahre 2005 gab es im Kanton noch 451 Landwirtschaftsbetriebe.
Der Produktionsschwerpunkt der Glarner Landwirtschaft liegt auf Lebensmitteln tierischer Herkunft. Der Tierbestand der Glarner Betriebe beträgt rund 8700 GVE (Grossvieheinheit). Die Glarner Betriebe erzielten in der Tierhaltung im Jahr 2020 einen Produktionswert von 29.5 Mio. Fr. Mit 50.4 % machte die Milch dabei den grössten Anteil des tierischen Produktionswerts aus.