Die derzeit sehr hohen Preise auf den internationalen Getreidemärkten sind nach Einschätzung von Wissenschaftlern der Universität Wageningen zumindest zum Teil das Ergebnis von Panik wegen möglicher Versorgungsengpässe als Folge des Ukraine-Kriegs.
Wie die niederländischen Forscher in einer veröffentlichten Studie darlegen, sind diese Befürchtungen aber angesichts der tatsächlichen Versorgungslage zumindest mit Blick auf die kommenden sechs Monate unbegründet.
22 bis 37 Prozent
In der Studie wird darauf hingewiesen, dass die Mobilisierung strategischer Getreidevorräte ein wichtiges Instrument für die Länder sei, um einen Anstieg der Rohstoffpreise abzufedern. Der relative Umfang dieser Vorräte lasse sich durch das prozentuale Verhältnis zwischen Lagerbestands- und Verbrauchsmengen bezogen auf eine bestimmte Vermarktungssaison messen.
Nach der jüngsten Schätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) liege diese Kennzahl global für Weizen bei 37,1 % und für Futtergetreide bei 22,6 %. Wenn die Vorräte ihre Pufferfunktion erfüllen sollten, müsse das Verhältnis aus wissenschaftlicher Sicht bei mindestens 20 % liegen.
Neuverhandlungen nötig
Vor diesem Hintergrund seien die aktuellen globalen Vorräte also mehr als ausreichend. Allerdings räumen die Forscher ein, dass einzelne Unternehmen und Vermarktungsketten durchaus Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen haben dürften. Erste Anzeichen dafür gebe es bereits bei den Verarbeitern von Futtermittelrohstoffen und Sonnenblumenöl.
Nicht immer seien die Produkte aus der Ukraine durch Lieferungen aus anderen Ländern austauschbar. Bei detaillierten Produktspezifikationen könne die Verwendung alternativer Rohstoffe Neuverhandlungen mit den Kunden erfordern. Betroffene Unternehmen seien tatsächlich mit einer unsicheren Versorgungslage und mit - administrativen - Verpflichtungen wie Einfuhrbescheinigungen und dergleichen konfrontiert.
Unklarheit für Zukunft
Der Studie zufolge stellen die deutlich gestiegenen Getreidepreise das grösste Problem für die Länder dar, die am stärksten von Importen aus der Ukraine abhängig sind - unter anderem Ägypten und die Türkei. In diesen überwiegend ärmeren Ländern müssten die Verbraucher einen grossen Teil ihres Haushaltseinkommens - teilweise 40 % und mehr - für Lebensmittel ausgegeben.
Unklar ist laut den Wissenschaftlern, wie sich der Krieg in der Ukraine in einem halben Jahr und darüber hinaus auf die globale Ernährungssicherheit auswirken wird.
Entscheidend für die weitere Entwicklung seien das Ausmass des Rückgangs der Getreideproduktion in der Ukraine und möglicherweise auch in Russland, die Dauer des Konflikts, die Verfügbarkeit von Düngemitteln und Energie sowie die Wirkung von Handelsbeschränkungen als Folge von Protektionismus und Sanktionen.