Befürworter einer befristeten Verlängerung für den Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat haben einen Dämpfer bekommen. Der zuständige Ausschuss der EU-Kommission habe am Freitag der Verlängerung formal widersprochen.
Der Wirkstoff Glyphosat wurde im Jahr 2001 mit qualifizierter mehrheitlicher Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten genehmigt. Diese Genehmigung wurde 2017 für fünf Jahre bis zum Dezember 2022 erneuert. Nun muss entschieden werden, wie es weitergeht.
Ohne Bewertung keine Entscheidung
Aktuell läuft in der EU ein Verfahren zur Wiederzulassung des Herbizids. Pflanzenschutzmittelhersteller wie Bayer und Syngenta hatten diese im Dezember 2019 beantragt. Die aktuelle Zulassung läuft am 15. Dezember 2022 aus. Eine Bewertung des umstrittenen Wirkstoffes zieht sich nun länger als geplant, sodass die zuständigen EU-Behörden bis dahin nicht in der Lage sind zu einer wissenschaftlichen Neubewertung zu kommen.
Das führt wiederum dazu, dass die politisch Verantwortlichen wie die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten nicht über eine Neuzulassung abstimmen können. Um mehr Zeit zu gewinnen, hat die EU-Kommission daraufhin die einjährige Verlängerung der aktuellen Zulassung vorgeschlagen.
Berufungskommission
Nun geht die Entscheidung über die Frist-Verlängerung vor eine Berufungskommission. Dieses Gremium nimmt dann die Arbeit auf, wenn der zuständige Ausschuss keine Zustimmung zu Vorschlägen der EU-Kommission vorliegt. Kann auch die Berufungskommission keine Einigung herbeiführen, liegt die Entscheidung, die Glyphosat-Zulassung möglicherweise zu verlängern, allein beim Kollegium der EU-Kommissare.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) hatten bereits im Mai dieses Jahres mitgeteilt, dass sie erst im Juli 2023 in der Lage seien, eine finale Stellungnahme an die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission zu übermitteln.
Das Pestizid steht unter anderem in der Kritik, Krebs zu verursachen, Hersteller Bayer weist das vehement zurück. Deutschland selbst will ab Anfang 2024 Glyphosateinsatz nicht mehr zulassen.
Das deutsche Agrarministerium hat sich beim Entscheid enthalten. Es begründete seine Haltung damit, dass man der EU-Kommission nicht im Weg stehen wolle, eine rechtssichere Bewertung von Glyphosat vorzunehmen. Somit soll sichergestellt werden, dass eine endgültige Entscheidung über eine weitere Zulassung des Mittels vor Gerichten Bestand habe.
Kritik an Entscheid
Andererseits habe man mit der Enthaltung zeigen wollen, dass man die derzeitige Verzögerung kritisch sieht. Den Angaben zufolge kam es dazu, weil zahlreiche Kommentare von verschiedenen Interessensträgern eingegangen waren, die noch ausgewertet werden müssen. «Die EU-Kommission wurde schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen von Glyphosat auf die biologische Vielfalt in dem Verfahren zur Wiedergenehmigung eine massgebliche Rolle spielen müssen», erklärte das Landwirtschaftsministerium.
Greenpeace kritisierte das Landwirtschaftsministerium für die Enthaltung. «Schade, dass Deutschland nicht eindeutig gegen eine Verlängerung der Zulassung auf EU-Ebene gestimmt hat», sagte Greenpeace-Landwirtschaftsexpertin Christiane Huxdorff. Dies wäre auch für andere EU-Länder ein wichtiges Zeichen gewesen. Es gebe bessere Möglichkeiten, Ackerunkräuter in Schach zu halten, als über den Unkrautvernichter.
Wie wirkt Glyphosat?
Glyphosat wird durch alle grünen Pflanzenteile (nicht verholztes lebendes Pflanzengewebe wie Blätter und Stängel) aufgenommen. Glyphosat verteilt sich in der ganzen Pflanze und führt zu einem vollständigen Verwelken und Absterben der Pflanzen.
Der Wirkstoff ist nicht selektiv, das heisst er wirkt nicht nur im Unkraut, sondern auch in jeder getroffenen Kulturpflanze. Glyphosat kann daher nicht während des Wachstums von Kulturpflanzen angewendet werden, da es auch diese schädigen oder abtöten würde.