Der Kanton Graubünden lässt ein düsteres Kapitel der Sozialgeschichte aufarbeiten. Die Regierung schreibt im Februar einen Forschungsauftrag aus im Zusammenhang mit den so genannten fürsorgerischen Zwangsmassnahmen an Kindern und Jugendlichen.
Die Studie soll eine fundierte Bewertung der behördlichen Massnahmen des fürsorgerischen Freiheitsentzuges bis zum Jahr 1981 ermöglichen, teilte die Bündner Exekutive am Montag mit. Die Aufarbeitung trage auch dazu bei, Anfragen von betroffenen Personen kompetenter zu bearbeiten und zu beantworten.
Für die Erarbeitung der Grundlagen und das Verfassen eines Berichtes wird mit einem Aufwand von einem Arbeitsjahr für einen akademischen Mitarbeiter oder eine akademische Mitarbeiterin gerechnet. Die Erarbeitung der Studie wird von einer Projektgruppe begleitet, welcher Staatsarchivar Reto Weiss vorsitzt.
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen waren im 20. Jahrhundert in der Schweiz gegen mindestens 20'000 Menschen angeordnet worden. Manche wurden als Kinder an Bauernhöfe verdingt, andere zwangssterilisiert, für Medikamentenversuche missbraucht oder wegen Arbeitsscheu, lasterhaften Lebenswandels oder Liederlichkeit wie Kriminelle weggesperrt.
Der Zugang zu Gerichten blieb den Betroffenen in den meisten Fällen verwehrt. Erst 1981 wurde die Praxis der administrativen Zwangsversorgung aufgrund einer Gesetzesänderung gestoppt.