Der Verein CarnaLibertas verteidigt das Essen von Fleisch und wehrt sich gegen Bevormundungsversuche. Die Vorstandsmitglieder Heiner Birrer und Peter Zimmermann erklären die Hintergründe. Bauern sind im Verein willkommen.
«Schweizer Bauer»: Wie ist es zur Gründung des Vereins CarnaLibertas gekommen?
Heiner Birrer: Peter Zimmermann, Geschäftsführer des Vereins CarnaLibertas, stellte fest, dass immer mehr Fehlurteile und Vorurteile zum Fleisch kursieren. Eine kleine Minderheit in unserer Gesellschaft macht einen grossen Wirbel, erzählt Dinge, die ganz einfach nicht stimmen und das Fleisch in ein schlechtes Licht stellen. Ich sagte zu ihm: Wir sollten proaktiv Gegensteuer geben und nach vorne an die Front gehen und falsche Äusserungen richtigstellen. Das Ziel muss sein: Wer am Samstagabend mit seiner Liebsten ein Stück Fleisch isst und dazu ein Glas Wein trinkt, soll nicht ein schlechtes Gewissen haben, sondern es mit gutem Gefühl geniessen. Ich regte an, dass man hierzu einen Verein gründen könnte. Peter war sofort begeistert von dieser Idee und sagte seine Mithilfe zu. Seither ist Peter der Motor des Ganzen. Er war ja trotz zweimaliger Impfung schwer an Corona erkrankt, lag monatelang auf der Intensivstation, seine Frau sagte mir, dass er sich während der Genesung am meisten für CarnaLibertas interessiert hat. Das zeigt sein Herzblut für diese Sache! Ich komme vom Praktischen her und führe mehrere Firmen im Fleischbereich.
Peter Zimmermann: Ich war während Jahren neben anderen Mandaten u.a. im Hightech- und Körperpflegebereich als selbstständiger PR-Spezialist für den SFF tätig. Daher habe ich mich mit der Lebensmittel- und Ernährungsthematik seit langem auseinandergesetzt. Mit CarnaLibertas geht es uns nicht nur ums Fleisch, sondern generell um die Bevormundung der Leute, was das Essen betrifft. Wir sind keine Lobbyorganisation für Fleisch und auch keine Absatzförderungsorganisation. Im Vorstand sind einige Leute, die in der Fleischbranche tätig sind, aber auch die Konsumentenvertreterin Babette Sigg Frank, der Arzt Sven Besek, und unser Präsident Hartmuth Attenhofer ist Publizist und war für die SP Kantonsratspräsident und Statthalter in Zürich. Alle schauen verantwortungsvoll auf das Ganze. Wir versuchen der Bevormundung beim Essen einen Riegel zu schieben, die überall auf dem Vormarsch ist. Und da hier besonders das Fleisch unter Druck ist, steht dieses auch bei uns im Vordergrund, aber nicht nur.
Wie erklären Sie sich, dass das Fleisch dermassen im Fokus ist, wenn es um sogenannte gesunde und umweltfreundliche Ernährung geht?
Heiner Birrer: Das ist eine gute Frage. Es hat sicher mit unserem Wohlstand zu tun, der es auch erlaubt, die Genderfrage dermassen ins Zentrum zu rücken oder sogenannte nonbinäre Personen zu glorifizieren. Auch hier ist es so, dass einige wenige Prozent in unserer Gesellschaft diese Dinge pushen und die anderen, die überwiegende Mehrheit, sich nicht getrauen, für ihre Sicht auf die Dinge einzustehen. Beim Fleisch ist es auch so. Es ist in Studien belegt, dass der Mensch in seiner Entwicklung über die Jahrtausende ganz entscheidend davon profitiert hat, dass er via die Jagd auf Tiere viele Proteine zu sich nehmen konnte. Unter anderem konnte so sein Hirn wachsen. Ohne Tiere würden wir heute noch auf den Bäumen oben sitzen und Bananen fressen.
Zu den Personen
Heiner Birrer und Peter Zimmermann sind beide Vorstandsmitglieder des Vereins CarnaLibertas. Heiner Birrer ist gelernter Metzger, bildete sich weiter und wurde Unternehmer. Er ist Mitinhaber und Leiter der Lucarna-Macana AG und der Zentralschlachthof Hinwil AG und weiterer Firmen, die in der Fleischverarbeitung tätig sind. Zudem ist er im Verwaltungsrat der Proviande. Peter Zimmermann ist Inhaber und Chef der Huber&Partner PR AG. Er war während Jahren neben anderen Mandaten u.a. im Hightech- und Körperpflegebereich als selbstständiger PR-Spezialist für den Schweizer Fleisch-Fachverband tätig.
Peter Zimmermann: Sicher ist Fleisch das emotionalste Lebensmittel, weil es um Lebewesen geht, die man tatsächlich umbringt. Dazu kam ein Massenkonsum, in dessen Zusammenhang teilweise wirklich Missbrauch getrieben worden ist und nach wie vor wird. Ich denke da an gewisse Feedlots im Ausland mit Zehntausenden von Tiere am selben Ort. Der Mensch versucht sich heute kulturell von der Natur und ihren Prozessen abzukoppeln, manche verstehen sich nicht mehr als Teil der natürlichen Nahrungskette. Mit entsprechenden negativen Folgen für vor allem uns und die Natur. Als Amateurfischer halte ich mich an viele gesetzliche Vorschriften, etwa zum schonenden Anlanden und Töten des Fangs - ein Kormoran, der einen Fisch frisst, hat das nicht, er hackt ihn einfach kaputt. Einige – eine verschwindend kleine, aber laute Minderheit – wollen nun zum Vermeiden von Leid beim Tier über die bei uns geltende strenge Tierschutzgesetzgebung hinausgehen und arbeiten darauf hin, dass der Mensch ganz auf tierische Lebensmittel verzichtet. Dass er dies kann, ist natürlich eine Illusion, wie allein schon die Tatsache zeigt, dass vegan lebende Menschen vor allem aber deren Kinder Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen müssen, um gesund zu bleiben. Gewisse Aktivisten bekämpfen die Tierhaltung zur Fleischerzeugung ganz grundsätzlich und bezeichnen Metzger als Mörder, wie es Heiner Birrer schon erlebt hat. Tiere lassen sich auch sehr gut emotionalisieren und für die eigene politische Agenda nutzen.
Heiner Birrer: Peter Zimmermann hat Recht: Wir sind eindeutig zu weit gegangen, nicht nur in der Schweiz, sondern vor allem weltweit, und zwar in der Produktionsintensität. Ich habe in Osteuropa Geflügelbetriebe gesehen, von denen man mir sagte, sie hätten ein höheres Tierschutzniveau – mir ist ob dem Anblick und dem Ammoniakgeschmack schlecht geworden. Auch die Schlachtung der Hühner dort erlebte ich als Katastrophe. Da ist der Mensch eindeutig zu weit gegangen. Darum hat es die Kritik von Tierschützern vielleicht auch gebraucht. So sind Fortschritte erzielt worden. Ich sage nicht, dass alle Kritik an der Tierhaltung und an der Fleischproduktion schlecht ist. Sie muss aber sachlich und korrekt sein. Auch wir verurteilen gewisse Auswüchse der Massenproduktion, auf frühere Fehler dürfen wir nicht zurückkommen, wir wollen einen hohen Standard einhalten. Wir sagen auch nicht, dass der Mensch am Tag viermal Fleisch essen soll. Das müssen wir wirklich nicht. Unser Anliegen ist, dass das Fleisch nicht verteufelt wird. Wer am Mittag oder am Abend ein Stück Fleisch essen will, soll das mit vollem Genuss tun.
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Peter Zimmermann: Beim Verein CarnaLibertas geht es auch um den Respekt vor der Kreatur. Diesen haben wir an vielen Orten verloren, etwa indem wir viele wildlebende Tierarten ausgerottet haben. Dadurch haben wir auch den Respekt vor uns selbst und vor allem Lebendigen verloren. Heiner Birrer ist Jäger. Auf der Jagd wird auf verschiedene Arten der Respekt vor dem Tier, von dem man sich am Ende ernährt, hochgehalten. Als Fischer verurteile ich aufs Schärfste die Catch-und-Release-Geschichten, die man hört, dass es also Menschen geben soll, die einen Fisch mit der Angel fangen, nur um ihn dann wieder freizulassen. Ein Tier zu jagen und es zu erlegen, um dessen Fleisch zu essen, ist legitim und liegt in der Natur des Menschen. Tiere dürfen nicht als Wegwerfkreaturen angeschaut werden. Persönlich sehe ich es auch kritisch, dass die meisten männlichen Küken aus den Legehennenlinien aus ökonomischen Gründen nur ein sehr kurzes Leben haben. Aber wir lassen uns das Fleisch, das ein wertvolles Lebensmittel ist, nicht schlechtreden und wehren uns dagegen, dass Menschen, die Fleisch essen, als schlechte Menschen dargestellt werden. Diese zunehmende Spaltung der Gesellschaft in «Gutmenschen», die auch gleich definieren, was gut ist, und sogenannte «Schlechtmenschen» ist gefährlich und spaltet. Wir wollen, dass die Leute keine Fleischscham haben, sich also nicht schämen dafür, dass sie Fleisch essen. Wir sagen den Leuten: Ihr habt das Recht, euch so zu ernähren, dass es eurer Gesundheit nützt und nicht schadet und Euch zu Lebensfreude verhilft.
CarnaLibertas hat den Beinamen «Verein für verantwortungsvollen Fleischgenuss». Was heisst das bezüglich Menge des Konsums?
Peter Zimmermann: Allgemein kann man sagen, dass der Konsum nachhaltig sein sollte. Nachhaltigkeit ist nicht vereinbar mit Überborden oder Ausufern. Es geht nicht darum, täglich zwei riesige Steaks zu essen. Verantwortungsvoll hat auch mit Nachhaltigkeit und Respekt zu tun.
Heiner Birrer: Auch bei mir gibt es manchmal fleischlose Tage. Dagegen wehre ich mich nicht. Aber ein grosses Problem habe ich mit Leuten, die ihre Kinder vegan ernähren. Denn das schadet diesen, das ist kriminell. In Australien ist soeben ein Ehepaar deswegen verurteilt worden, die Kinder wurden ihnen weggenommen. Diese vegan ernährten Kinder hinkten in der Entwicklung Gleichaltrigen um mehrere Jahre nach. Auch dieses Beispiel zeigt, dass wer ein Stück Fleisch isst nichts Falsches macht.
Sie beide scheinen offen zu sein für weitere Verbesserungen in der Tierhaltung und Schlachtung. Gibt es für Sie eine untere Grenze beim Standard? Die Massentierhaltungsinitiative wollte diese für alle beim Bio-Knospe-Standard ansetzen…
Peter Zimmermann: Für uns gilt, dass Qualität vor Quantität geht. Wenn wir sagen würden, das ist die untere Grenze beim Standard, das verlangen wir von allen, dann würden wir nichts anderes tun als das was unsere Gegner machen. Sie wollen die Leute belehren, wieviel richtig ist, was richtig und was nicht richtig ist etc. Wir gehen in unserem liberalen Weltbild davon aus, dass die offen denkenden Menschen ungefähr abschätzen können, was gut ist und was nicht. Und da nachhaltig und mit Respekt produziertes Fleisch seinen Preis hat, gibt es automatisch Grenzen, weil man es sich nicht mehr leisten will oder kann. Ein Beispiel: Ich habe heute für meine Frau und mich ein Steak vom Limousin-Rind gekauft, das kostete mich 68 Franken. Das ist ein Genussprodukt. Damit ist klar, dass so ein Stück Fleisch bei uns nicht bei jeder Mahlzeit oder auch nur jede Woche auf den Teller kommt.
Sie lehnen es ab, wenn es heisst, es muss Schweizer Bio sein, damit es gut ist?
Heiner Birrer: Ich versichere Ihnen, dass die Schweizer Bauernfamilien einen sehr guten Job machen. Wir können stolz auf sie sein. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen, bei denen etwas schief läuft. Wir haben hierzulande ja auch keine Massentierhaltung, wie es sie im Ausland gibt. Persönlich überzeugt mich die Produktion nach den IP-Suisse-Richtlinien sehr, die bekanntlich zwischen der konventionellen und der biologischen Produktion liegen. Das ist eine sehr vernünftige Produktion. Mit den IP-Suisse-Bauern, die sehr clever sind, arbeiten wir auch hervorragend zusammen. Drei unserer vier Programme basieren auf IP-Suisse (Swiss Black Angus, Kräuterschwein und Alpsteinlamm). Aber auch Bio ist eine gute Sache, ich habe gute Freunde, die Biobauern sind. Bei den pflanzlichen Produkten, etwa beim Gemüse, habe ich auch den Eindruck, dass Bio besser schmeckt. Ich habe eine reine Simmentaler Kuh in Adelboden bei Ueli Germann, einem Bauern, der mit enorm viel Herzblut bei der Sache ist. Der Alpaufzug geht jeweils durch das Dorf auf die Silleren. Da wird den Tieren sehr gut geschaut, da müssen wir nicht über Tierschutz diskutieren. Wenn die Tiere fast wie Kinder gehalten werden, spielt es keine Rolle, ob sie nach konventionellen oder nach Bio-Vorschriften gehalten werden.
Peter Zimmermann: Zur Massentierhaltungsinitiative haben wir uns als Verein nicht geäussert. Wir halten die strenge Schweizer Tierschutzgebung für ausreichend und deren strikte Durchsetzung für unabdingbar.
Gibt es für Sie eine Untergrenze beim Import? Es gibt ja eine Initiative, welche den Import von Stopfleber verbieten will.
Peter Zimmermann: In der Deutschschweiz stösst die Stopfleber mehrheitlich auf Ablehnung. In der Romandie ist das wohl anders. Die Gänseleber gehört dort zur Kultur. Unser Verein nimmt auch in dieser Frage einen liberalen Standpunkt ein, persönlich sehe ich, dass diese Art der Produktion mit hohen ethischen Standards schwer zu vereinbaren ist. Aber es gibt ja Alternativen.
Heiner Birrer: Ich möchte etwas anderes sagen. Ich bin hier in der Gegend von Sursee aufgewachsen. Nach der Metzgerlehre, mit 18 Jahren, ging ich in die Westschweiz und erlebte einen Kulturschock. Da lernte ich auch Foie gras als Spezialität kennen. Sicher hat man diese vor zwanzig, dreissig Jahren auf nicht korrekte Art und Weise hergestellt. Heute aber gibt es Entenleberbetriebe, die das sehr human machen, die die Enten nicht stopfen, sondern einfach genug zu fressen geben. Darum esse ich Foie gras. Wir sollten da die kulturelle Tradition respektieren. Es sind in Frankreich auch einige Betriebe und einige Menschen, die von der Entenleberproduktion leben und heute anders machen als vor einigen Jahrzehnten.
Peter Zimmermann: Wir respektieren als Verein die kulturellen Eigenheiten. Auch beim Pferdefleisch gibt es ja Unterschiede. Heutzutage ist dieses ja in der Romandie viel stärker verankert als in der Deutschschweiz. Als Verein wollen wir nicht moralisieren, aber auch nicht schönfärben. Wir werfen ja der anderen Seite vor, dass sie die pflanzlichen Ersatz- und Imitatprodukte schönfärben bezüglich Energieeinsatz, bezüglich dem Anbau von Soja, Mais, Reis etc. in riesigen Monokulturen und so weiter. Da wollen wir nicht dasselbe machen. Wir sind dafür, dass man den Menschen sagt, worum es geht. Auf dieser Grundlage soll dann jede Person frei entscheiden können, was sie essen will. Übrigens publizierte die NZZ am Sonntag kürzlich einen Artikel zu pflanzlichen Proteinen und schrieb, dass es gefährlich sein kann, sich bei den pflanzlichen Proteinen auf die Nährwertangabe zu den Proteinen zu verlassen. Denn der Körper nimmt nur etwa die Hälfte der Proteine auf. Um genügend Proteine zu haben, müsste man also doppelt so viele dieser Produkte essen. Wir wollen, dass solche Erkenntnisse und Einsichten zu den Leuten gelangen. Was ist in den Ersatzprodukten drin? Sind diese wirklich besser in der Ökobilanz? In der Regel sind sie es nämlich nicht. Die anderen sagen, ihr seid schlechte Menschen oder ihr seid schuld an der Klimaerwärmung. Das stimmt einfach nicht. Man muss nur auf das Grasland verweisen, das nur mit Wiederkäuern genutzt werden kann, die nun einmal Methan ausstossen, das aber in einen Kreislauf kommt und wieder gebunden wird. Und man muss nur die Gesamtstatistik des CO2-Ausstosses anschauen, der Bereich Verkehr etwa fällt deutlich stärker ins Gewicht. Wir wollen, dass offen und transparent diskutiert wird und die Karten auf den Tisch kommen. Dann können wir auch über Foie gras diskutieren, die ich im Übrigen hie und da auch gerne esse.
Bezüglich Umwelt will ich nachfragen. Sie meinen, es werde zu wenig auf die Gesamtheit der Umweltauswirkungen in unserer Gesellschaft geschaut und es werde innerhalb der Tiere auch nicht genügend differenziert?
Heiner Birrer: Das ist so. Sie können auch fast nirgendwo lesen, dass unsere Tiere sehr viele Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie fressen. Wir importieren nicht alles Futter! Bei der Schokoladeindustrie, bei der Reisindustrie, bei den Zuckerfabriken, bei den Mühlen und anderen mehr fallen Nebenprodukte an, die ohne Tiere weggeworfen werden müssten. Proviande hat dies vor einiger Zeit schön zusammengestellt. Und denken Sie an das Grasland! Auf zwei Drittel der weltweiten Agrarflächen kann nur mit Tieren Eiweiss gewonnen werden. Wollen wir jetzt oben in den Alpen Mais und Kartoffeln anbauen? Nein, wir brauchen diese Flächen für die Welternährung, Tiere gehören da drauf, und am Ende muss man halt ein Tier töten, damit der Mensch es essen kann. Aber ich sage, es ist doch nicht schlecht, wenn das Tier ein schönes Leben hatte und am Ende seines Lebens eine sinnvolle Aufgabe hat, nämlich seinen Körper hinzugeben, um uns Menschen zu ernähren. Das ist doch eine sinnvolle Aufgabe für ein Tier auf dem Planeten! Ich bin überzeugt, dass viele Haustiere weniger gut und weniger artgerecht gehalten werden als beispielsweise eine Kuh, die in Adelboden z Alp gehen kann.
Was meinen Sie genau mit «Fleischscham»?
Peter Zimmermann: In einer Sendung Eco Talk im Schweizer Fernsehen waren kürzlich drei Vertreter der Reisebranche beziehungsweise Luftfahrt eingeladen. Thema «Reisen um jeden Preis?». Die erste Frage lautete. Wann sind Sie das letzte Mal geflogen?, verbunden mit dem Unterton, war das nötig. Alle drei drucksten herum, rechtfertigten sich, entschuldigten sich beinahe, und begründeten, weshalb die Flüge notwendig waren. Wir wollen, dass es beim Fleisch nie so weit kommt, aber leider sind wir schon fast soweit. Darum gibt es den Verein CarnaLibertas. Viele Fleischesser werden heute darauf angesprochen und sollen sich erklären. Wir sagen: Man muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn man Fleisch isst! In den Schulen geht ja viel ab. Ich höre Geschichten von Schulkindern, die zuhause erzählen, sie hätten gehört, wie schlecht es für die Umwelt sei, Fleisch zu essen. An den Schulen wird die Fleischscham sozusagen gezüchtet und von den Behörden teilweise massiv gefördert. Auch die Studie des Bürgerrats aus dem Februar 2023 hatte wieder das Ziel, den Fleischkonsum als Ganzes schlecht zu machen und den Leuten ein schlechtes Gewissen einzureden. Unser Verein will einen Beitrag dazu leisten, dass die Diskussion offen geführt und nicht mit versteckten Schuldgefühlen operiert wird und dass die traditionelle Ernährung, die sich für den Menschen als gut erwiesen hat, diskreditiert wird zugunsten einer Ernährung, von der wir noch gar nicht wissen, wie sie sich auf den Menschen auswirkt. Interessanterweise ist Italien ja jetzt daran, Retortenfleisch zu verbieten.
Einem Bergbauernbuben aus Reichenbach im Kandertal hat der WWF in der Schule beigebracht, der Fleischkonsum sei schlimmer als das Autofahren. Und das ist eine Familie, die ausschliesslich Rindvieh hält, wo es überhaupt kein Feed-no-Food-Problem gibt, und die im Sommer nicht mit dem Auto in die Ferien fährt, sondern z Alp geht.
Peter Zimmermann: Das ist Demagogie! Wie es auch beim Elektroauto der Fall ist. Es ist viel zu einfach, wenn man den Leuten sagt, mit dem Kauf eines elektrisch betriebenen Autos würden sie einen substanziellen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Zuerst müssen einige Zehntausend Kilometer gefahren werden, dann stimmt es vielleicht beim kleinen E-Auto, das ich habe. Aber ich möchte die gesamte Ökobilanz verglichen haben. Wie wird das Lithium für die Batterie abgebaut, welche Umweltschäden entstehen da? Welche Energie brauchen die Batteriefabriken? In Deutschland bei der riesigen Tesla-Fabrik gibt es eine grosse Diskussion rund ums Grundwasser, weil sie so viel Wasser benötigt. Und und und. Ich will, dass dies alles in die Berechnung einfliesst. Dann kommt vielleicht heraus, dass ich mit dem Kauf eines E-Autos einer Symbolpolitik aufgesessen bin.
Heiner Birrer: Und am Ende kommt heraus, dass der Strom für das E-Auto aus einem Kohlekraftwerk stammt…
zvg
Wo ist die Freiheit zum Fleischessen aktuell am stärksten bedroht?
Peter Zimmermann: Im Februar hat das Neuenburger Kantonsparlament eine Motion überwiesen, wonach es in staatlichen oder vom Staat subventionierten Institutionen wie unter anderem Altersheimen, weniger Fleischprodukte dafür aber „nachhaltigere“ Nahrungsmittel serviert werden sollen.Die Regierung der Stadt Zürich will, dass Restaurants, auch die privaten, eine Charta unterschreiben, wonach sie einen gewissen Anteil vegetarische und vegane Gerichte auf der Speisekarte haben müssen. Das sei freiwillig, heisst es jetzt. An der Uni Luzern versuchte man im Jahr 2021, das Fleisch aus der Unikantine zu verbannen. Wir vom Verein hätten vor der Uni einen Wurststand aufgebaut. Aber sie mussten dann zurückkrebsen. Im Gefängnis Zürich-West werden vorläufig festgenommene Personen rein vegetarisch verpflegt, auch da haben wir protestiert und der Gemeinderat von Zürich hat soeben einen Vorstoss überwiesen, welcher die Stadtregierung auffordert zu prüfen, wie das Menuangebot in den städtischen Verpflegungsbetrieben so gestaltet werden kann, dass pflanzenbasierte Menüs zur Standardoption werden. Das sind nur Beispiele für viele Vorstösse in dieser Richtung. Und auf Bundesebene soll die Agrarpolitik zur Ernährungspolitik umgebaut werden, und auch da ist vielfach die Rede, dass weniger Fleisch gegessen werden soll. Unserer Meinung nach hat der Staat bei der Zusammenstellung unseres persönlichen Menüplans nichts zu suchen. Wir wehren uns gegen jede Art derartiger Bevormundungsversuche. Hände weg von unseren Tellern.
Sie, Herr Birrer, haben am Schlachthof in Hinwil auf Anregung der US-Tierschützerin Temple Grandin mehrere Anpassungen vorgenommen. Was haben Sie konkret geändert?
Heiner Birrer: Ja, das war im Jahr 2016. Die Stunden mit ihr waren einige der interessantesten Stunden meines Lebens. Sie nannte vier Punkte. Erstens sagte sie, die Triebgänge müssten so abgedeckt sein, dass es keine schattigen Stellen gibt, sodass das Tier immer weiss, dass es einen sicheren Tritt hat. Zweitens muss die Lüftung des Schlachthofes so gestaltet sein, dass keine Abluft in den Stall gelangt. Drittens darf es vom Stall aus absolut keinen Einblick in den Schlachthof geben. Viertens muss es bei der Tierannahme jemand sein, der natürlich ruhig ist. Da haben wir einen Bauernbuben, der genau dies ist, und haben wir sogar noch Berieselung mit klassischer Musik im Stall. Die genannten baulichen Punkte haben wir alle umgesetzt und machen sehr gute Erfahrungen damit. Der positive Geist hat sich auch auf die Mitarbeiter übertragen.
Temple Grandin ist weltweit bekannt
Laut Wikipedia ist Mary Temple Grandin (* 29. August 1947 in Boston) die führende US-amerikanische Spezialistin für den Entwurf von Anlagen für die kommerzielle Viehhaltung. Sei 1990 ist sie Dozentin für Tierwissenschaften an der Colorado State University in Fort Collins (USA). Sie ist Autistin.
Temple Grandin gilt gleichermassen als Expertin auf dem Gebiet der Verhaltensbiologie der Nutztiere wie auf dem Gebiet des Autismus. Das Denken in Bildern und die grössere sensorische Empfindsamkeit unterscheidet für sie Autisten von Nicht-Autisten. Die für Viehzüchter, Viehschlachtereien und Viehhalter oft überraschenden panischen Reaktionen von Tieren fasst sie als Hinweis darauf auf, dass auch Tiere eine vergleichbar ausgeprägte sensorische Disposition haben und möglicherweise in Bildern denken. Diese Schlussfolgerungen setzt sie u. a. durch den Bau von Viehhaltungs- und -transportanlagen um (vergl. Klauenstand). Ihre Anlagen veränderten das Verhalten der Tiere derart positiv, dass gefährliche Situationen und Unfälle mit Menschen und Tieren deutlich zurückgingen.
Susanne Sigrist
Sollen auch Landwirte und Landwirtinnen Mitglied im Verein CarnaLibertas werden?
Peter Zimmermann: Auf jeden Fall. Die zunehmende Bevormundung beim Essen und das verbreitete Schlechtreden tierischer Lebensmittel trifft auch die Bauernfamilien, die mit der Tierhaltung ihren Lebensunterhalt verdienen. Wir engagieren uns auch dafür, dass wir Allianzen mit landwirtschaftlichen Organisationen bilden können. Der Mitgliederbeitrag beginnt bei 20 Franken im Jahr. Anmelden kann man sich unter carnalibertas.ch.
Im Übrigen gab es schon immer wärmere und kältere Fasen in der Welt- Geschichte!