Wojciechowski hat die Verantwortung für die offenbar steigende Unzufriedenheit vieler Landwirte mit der Agrarpolitik der Europäischen Union zumindest in Teilen zurückgewiesen. Für viele Gesetze des Green Deal sei er nicht direkt verantwortlich, stellte der Pole am 17. Januar bei einer Aussprache im Europaparlament in Strassburg klar.
Agrarreserve erhöhen
Vorschläge wie das Naturwiederherstellungsgesetz (NRL) oder das Gesetz zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) würden schliesslich nicht in seine Zuständigkeit fallen. Beide Gesetze sind allerdings noch nicht in Kraft getreten.
Im Hinblick auf die SUR ist ohnehin fraglich, ob, und wenn ja wie die Pläne je in ein Gesetz überführt werden. Wojciechowski wies darauf hin, dass von den relevanten Gesetzen der vergangenen Jahre im Wesentlichen die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in seine Zuständigkeit falle. Hier drängte er erneut darauf, dass die seit letztem Jahr eingeführte Agrarreserve in Höhe von jährlich mindestens 450 Mio. Euro (319 Mio. Fr.) deutlich aufgestockt werden müsse.
Keine Aussetzung der Stilllegung mehr
Eine Absage erteilte der Agrarkommissar Forderungen nach einer erneuten Aussetzung bestimmter Konditionalitätsregelungen. Um auch 2024 die Anwendung der Vorgaben zur Fruchtfolge - GLÖZ 7 - und die Stilllegung - GLÖZ 8 - nicht anzuwenden, wäre eine Änderung des GAP-Basisrechtsaktes zu den Strategieplänen erforderlich gewesen, bekräftigt der Agrarkommissar.
Zufrieden ist der Kommissar hingegen mit der hohen Bereitschaft der EU-Landwirte, sich auf die Eco-Schemes einzulassen. Laut Wojciechowski zeigen die Zahlen insgesamt, dass die zunächst von vielen vorgebrachte Sorge, Mittel in den EU-Staaten könnten wegen mangelndem Interesse verfallen, unbegründet ist.
Özdemir ist ein «Low-Performer»
In der folgenden Debatte war zu erkennen, dass sich viele Parlamentarier rhetorisch bereits auf den Wahlkampf zur Europawahl im Juni eingestellt haben. Der Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses im EU-Parlament, der CDU-Politiker Norbert Lins, warnte davor, Brüssel die Verantwortung für den Unmut vieler Landwirte zuzuschieben. Das Problem sei, dass Deutschland mit Cem Özdemir einen «Low-Performer» als Bundeslandwirtschaftsminister habe.
Im Hinblick auf Brüssel sei die beste Nachricht allerdings, dass der ehemalige Exekutiv-Vizepräsident der Kommission für den Green Deal, Frans Timmermans, «mit seiner ideologiegetriebenen Politik auf die Schnauze gefallen ist». Erneut drängte Lins auf eine Aussetzung der GLÖZ 8. Die 2023 eingeführte Stilllegungspflicht von 4% sei angesichts der Probleme bei der Ernährungssicherheit nicht mehr zeitgemäss.
Die Agrarsprecherin der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten, Clara Aguilera, plädierte für mehr Konsens mit den Landwirten. Wenn man es mit dem Green Deal übertreibe, würde man lediglich den Rechten und Grünen das Feld überlassen, gab die Spanierin zu bedenken.
Beim Bürokratieabbau gescheitert
Über die hohen bürokratischen Belastungen durch die neue GAP beklagte sich die agrarpolitische Sprecherin der liberalen Fraktion Renew Europe (RE), Ulrike Müller. Mit dem Ziel, hier eine Vereinfachung zu erreichen, sei die aktuelle Reform «gescheitert», konstatierte die Abgeordnete der Freien Wähler. Müller war für das Parlament Berichterstatterin zur horizontalen GAP-Verordnung. Damit lag auch der Abbau von Bürokratie in ihrem Verantwortungsbereich.
Benoît Biteau, erster stellvertretender Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses, forderte, dass sich die EU-Agrarpolitik stärker dem Höfesterben entgegenstellen müsse. Zudem müssten mehr junge Menschen über Anreize motiviert werden, in der Landwirtschaft tätig zu werden. Der Grünen-Politiker erinnerte daran, dass auch die Bauern von den Folgen des Klimawandels und des fortschreitenden Biodiversitätsverlustes geschützt werden müssten.