Als ihr erstes Kind begann Haferbrei zu essen, fanden Anna und Christian Böhlen fast keine Haferflocken aus Schweizer Produktion. Also begannen sie selbst Hafer anzubauen und daraus Flocken zu machen.
Kennen- und lieben gelernt haben sich Christian und Anna Böhlen während ihrer Lehre bei der BLS in Spiez BE. Er liess sich zum Elektromechaniker ausbilden, sie zur kaufmännischen Angestellten. Er ist kein Bauernsohn und wurde in einer Zweitausbildung Landwirt. Sie dagegen ist auf dem Bauernhof Muriboden in Riggisberg BE aufgewachsen, den die beiden heute bewirtschaften.
Um ihren Mann unterstützen zu können, besuchte auch sie einen Kurs für Nebenerwerbs-Landwirte und liess sich zur Bäuerin ausbilden. «Wir wollten etwas von der Materie verstehen», begründet Christian Böhlen ihre Motivationen.
Aus Gras wird Acker
Böhlens Ziel, als sie auf den Bauernhof ihrer Eltern zurückkehrten, der eigentlich bereits aufgegeben war, bestand darin, aus dem pausierten 15-Hektar-Betrieb einen Bauernhof zu machen, von dem beide hauptberuflich leben können. Der noch vorhandene Anbindestall eignete sich für Milchkühe aber nicht mehr. Böhlen nutzte ihn daher in einen Laufstall für Rätisches Grauvieh um. Ausserdem haben sie Freiland-Mastschweine.
Vor allem aber stellten sie einige Grünlandflächen auf Ackerbau um. «Als meine Frau während ihres Nebenerwerbs-Kurses mal ein blühendes Leinfeld gesehen hat, kam sie mit der Idee nach Hause, diese anzubauen», erinnert sich Christian Böhlen. Die blau-lila-farbenen Blumen blühen zwar nur etwa 10 Tage lang, jeweils von etwa Anfang bis Mitte Juni – Leinsamen verkaufen sie seither aber ganzjährig. Dank einer Kleinstpresse können sie auch Öl produzieren.
Da sich immer mehr Konsumenten der veganen Lebensweise verschrieben haben, begannen sie kurz darauf auch Lupinen anzubauen. Dank ihres hohen Eiweissgehaltes sind sie bei Veganerinnen als Milchersatz begehrt, geröstet und gesalzen ergeben sie auch einen Apéro-Snack. Für Böhlens ist es kein Widerspruch, Mutterkühe und Schweine zu halten und damit auch Fleisch zu produzieren. Offensichtlich stören sich auch nur wenige ihrer veganen Kunden daran.
Korngrösse ist zweitrangig
Im Jahr 2019 haben Böhlens begonnen, Hafer anzubauen – für ihre eigenen Kinder Nicola (3) und Elena (1). Denn als ihr erstes Kind alt genug war, um Haferbrei zu essen, fand Anna Böhlen fast keine Haferflocken aus Schweizer Produktion. Kurzerhand beschlossen sie, den Hafer selbst anzubauen – obschon sie auf einer Höhe von 800 Meter über Meer nicht optimal gelegen sind. Im Bewusstsein, dass sie womöglich kleinere Körner ernten und kein gutes Hektoliter-Gewicht erreichen würden, wagten sie den Anbau trotzdem. Doch Korngrösse und Hektoliter-Gewicht, ebenso wie der etwas bitterere Geschmack der Riggisberger Haferflocken gegenüber importierten, sind für sie zweitrangig.
Von Anfang an klar war für Böhlens, dass sie sich beim Verkauf ihrer Leinsamen, Lupinen und Haferflocken nicht am Marktpreis orientieren können. «Wir müssen entweder kostendeckende Preise verlangen, das heisst Maschinenstunden und unsere eigene Arbeitszeit einrechnen, oder die Übung abbrechen», meint Anna Böhlen. Zur Arbeitszeit, die sie aufwenden, gehört auch das Reinigen, Entspelzen und Flocken des Hafers. Insgesamt führt das zu Preisen, die fast doppelt so hoch sind wie importierte Produkte.
Anna Böhlen meint: «Manche haben wir abgeschreckt, wenn wir unsere Produkte auf Märkten zum Verkauf angeboten haben. Wenn wir aber die Chance bekommen, unsere Preise zu erklären, sind viele bereit, den höheren Preis zu bezahlen.» Selbst Detailhändler, die ihrerseits noch Margen hinzurechnen, sind bereit, die von Böhlens geforderten Preise zu berappen. Nebst kleinen Lebensmittel-Fachgeschäften zählen namentlich Unverpackt-Läden dazu, über die Böhlens einen grossen Teil ihrer Produkte verkaufen.