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Halbe Million Tonnen verschwendet

Die Verluste bei der Herstellung von Lebensmitteln sind in der Schweiz hoch. Milliarden-Einbussen für die Industrie. Zudem gehen wertvolle Ressourcen verloren. Angesichts des Hungers in der Welt ist „Food Waste“ ein Affront. Die Ursachen des Phänomens sind bekannt, an den Problemlösungen wird gearbeitet.

Harry Rosenbaum, LID |

 

Die Verluste bei der Herstellung von Lebensmitteln sind in der Schweiz hoch. Milliarden-Einbussen für die Industrie. Zudem gehen wertvolle Ressourcen verloren. Angesichts des Hungers in der Welt ist „Food Waste“ ein Affront. Die Ursachen des Phänomens sind bekannt, an den Problemlösungen wird gearbeitet.

Die Food and Agriculture Organization (FAO) schätzt, dass heute rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel verloren geht. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) nimmt für die Schweiz Verluste von rund 300 Kilo pro Person und Jahr an.

Nach Studien zu Food Waste in der Gastronomie und bei den Grossverteilern will das BAFU jetzt die Lebensmittelindustrie durchleuchten. In diesem Bereich könnten über 300'000 Tonnen Lebensmittelverluste verhindert werden.

In Zusammenarbeit mit der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrie (Fial) seien bereits über 160 Betriebe mit einem Online-Fragebogen bedient worden, sagt Petar Mandaliev von der Abteilung Abfall & Rohstoffe beim BAFU. Die Antworten würden nun ausgewertet. Weitere Erhebungen zum «Food Waste» würden zusammen mit dem Bauernverband bei den Landwirtschaftsbetrieben und in Zusammenarbeit mit dem  Schweizerischen Städte- und Gemeindeverband bei den kommunalen Grünabfuhren gemacht.

Gerade in den privaten Haushalten stecke ein grosses Potential zur Verhinderung von Lebensmittelverlusten. «Um effiziente Massnahmen einleiten zu können, brauche es Erhebungen bei der ganzen Verursacherkette», sagt Mandaliev.

Grösstenteils vermeidbare Verluste

Laut der im Oktober letzten Jahres veröffentlichten BAFU-Studie «Organische Verluste aus der Lebensmittelindustrie in der Schweiz» werden in unserem Land jährlich rund 2,34 Millionen Tonnen Lebensmittel und Halbfabrikate produziert.

In allen Branchen zusammen entsteht pro Jahr «Food Waste» von knapp einer halben Million Tonnen. Unvermeidbar sind laut BAFU lediglich ein gutes Viertel dieser Verluste. Der Rest, rund 365.000 Tonnen, ist vermeidbar. Bezogen auf die produzierten Lebensmittel sind das etwa 15 Prozent.

Drei Viertel der anfallenden Lebensmittelverluste werden an Tiere verfüttert, über 11 Prozent wandern in Biogasanlagen und über 9 Prozent gehen auf den Kompost. Rund 3 Prozent landen in der Kehrichtverbrennung.   

«Zur Reduktion der Lebensmittelverluste muss primär bei den technischen Massnahmen angesetzt werden», heisst es in der BAFU-Studie. «Zusätzlich sind alternative Verwertungspfade für Produkte zu definieren, welche momentan nicht in der Lebensmittelindustrie verwertet werden, jedoch prinzipiell geniessbar wären.»

Alarmierende Verschwendung

Die Lebensmittelverluste findet Jürg Buchli von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW), der an der BAFU-Studie mitgearbeitet hat, «alarmierend». Dies sei eine Ressourcen- und Energieverschwendung und damit eine unnötige Umweltbelastung, sagt er. Und: «Angesichts des Hungers auf der Erde ist das ein ethisches Problem.»

Im Umfeld der Schweiz sei grundsätzlich nichts falsch bei der Verfütterung der Lebensmittelverluste an Tiere, sagt Buchli. Lebensmittelverluste sollten aber als Lebensmittel in den Kreislauf rückgeführt und erst in zweiter Priorität als Tierfutter verwertet werden. Dafür plädierten auch die FAO und die EU. «Die Lebensmittelverluste haben oft einen geringen Wert in der Fütterung, weil hier auch Anforderungen an den Nährwert bestehen», sagt Buchli. «Die Betriebe haben immer mehr Mühe, die Verluste wegzubringen.»

Lebensmittel im Abfall

«Die neue Abfallgesetzgebung hat eine Abfallvermeidungspflicht und ein Recyclinggebot integriert», sagt Buchli. «Eigentlich ist heute die Kehrichtentsorgung von Lebensmitteln nicht erlaubt, wenn andere Wege zu Verfügung stehen.

In der Industrie ist dies praktisch durchgesetzt. Für den Konsumenten gibt es aber noch wenig Möglichkeiten, wenn er keinen eigenen Garten oder Kompost unterhält. Deshalb landen noch immer viele Lebensmittel im Kehricht.»

In der angewandten Forschung richte sich der Fokus auf die Prozessoptimierung, sagt Buchli. Es würden neue Produkte mit weniger Verlusten lanciert. Ein Beispiel dafür seien Kartoffeln mit Schale und molkenprotein-angereicherte Produkte. Auch Nahrungsfasern, die in grossen Mengen vorhanden seien, würden verwerte.

Lebensmittelabfälle fallen nicht nur bei der Herstellung, sondern auch in der Gastronomie und beim Detailhandel an. Im Gastgewerbe spiele die Systemgastronomie eine wichtige Rolle, sagt Buchli. «Ein Thema ist hier die geschöpfte Portionengrösse und die Ermöglichung des Nachschöpfens.» Im Detailhandel sei heute der Anteil von Verlusten vergleichsweise gering, meint Buchli.

Branchenverein will Lebensmittelverlust halbieren 

2013 ist in der Schweiz der Verein «United Against Waste» gegründet worden, ein Branchenzusammenschluss von heute 127 Unternehmen im Food-Service-Sektor. Er setzt sich für die Reduktion von Lebensmittelverlusten im Ausser-Haus-Konsum ein und verfolgt das Ziel, den Food Waste um die Hälfte zu reduzieren.

«Der Verein erarbeitet praxisnahe Lösungsansätze zur Reduktion von Lebensmittelabfall und stellt diese der Branche zur Verfügung», sagt Moritz Müllener von der Geschäftsstelle. Dabei gehe es um die Sensibilisierung sowie die Erarbeitung von innovativen Lösungsansätzen.

Beispiele seien der «Fachkurs für Profis», Betriebs-Coachings zur Erhebung von Lebensmittelabfällen sowie die Food-Box. Dabei handelt es sich um eine Box, die an Gäste in Restaurants abgegeben werden, wenn sie die Reste von zu grossen Portionen mit nach Hause nehmen wollen. Laut «United Against Waste» werden jedes Jahr in der Schweiz schätzungsweise 50.000 Tonnen «Anstandsreste» verschwendet.

Geschultes Personal und abgestimmte Prozesse

Zu den führenden Unternehmen bei der Reduktion von Food Waste gehört die Migros. Laut Mediensprecherin Christine Gaillet sind im vergangenen Jahr 98,5 Prozent der Lebensmittel, die in den Filialen und in der Gastronomie angeboten wurden, als Lebensmittel verkauft oder vergünstigt beziehungsweise gratis abgegeben worden.

Von den Migros-Läden und Gastronomiebetrieben sind 1.5 Prozent der angebotenen Lebensmittel nicht als solche verkauft oder abgegeben worden. Davon gingen 1.4 Prozent in die Tierfütterung, in die Vergärung oder auf den Kompost. Lediglich 0.1 Prozent landeten als Abfall in der Verbrennungsanlage. «Sämtliche Lebensmittel, die die Migros wegwerfen muss, bedeuten für das Unternehmen einen Verlust wertvoller Ressourcen und Kosten», sagt Gaillet. «Wir sind bemüht, die Lebensmittelverschwendung so gering wie möglich zu halten. Dank geschulten Mitarbeitenden und optimal abgestimmter Prozesse gelingt dies. Die enge Zusammenarbeit zwischen Detailhandel, Industrie, Logistik und Landwirtschaft ermöglicht eine ideale Mengen- und Sortimentsplanung, damit der allergrösste Teil der Lebensmittel zum regulären Preis verkauft und Überschüsse vermieden werden können».

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