Zäunen ist, trotz Elektrolitzen und Flexi-Pfählen, gerade in unwegsamen Gegenden aufwendig. Eine Option wären virtuelle Zaunsysteme. Sie sind für Rinder, Schafe und Ziegen kommerziell erhältlich, aber aufgrund von Tierschutzbedenken in der Schweiz nicht erlaubt.
400 Franken pro Halsband
Trotzdem hat Agroscope sie in den letzten drei Jahren getestet, und zwar sowohl im Tal an laktierenden Milchkühen als auch im Berggebiet an Rindern. Laut Auskunft von Patricia Fuchs von Agroscope wurde die «Nofence Grazing Technology» des Herstellers Nofence aus Norwegen getestet. «Das Nofence-System für Rinder kostet rund 400 Franken pro Halsband», erklärt sie.
«Hinzu kommt eine jährliche Nutzungsgebühr von etwa 60 Franken pro Halsband. Die Technologie ist erst seit wenigen Jahren kommerziell verfügbar und daher noch relativ teuer. Allerdings sind bereits weitere Hersteller auf dem Markt, was den Preis in Zukunft sicherlich beeinflussen wird.»
Haltbare Batterie
Laut Nofence hält die Batterie bei grösseren Weideflächen die ganze Weidesaison von Mai bis Oktober. «Die integrierten Solarzellen in den Halsbändern sorgen für eine zusätzliche Unterstützung der Akkuleistung und tragen so zu einer deutlich verlängerten Lebensdauer bei. Der Batteriestatus jedes Halsbands ist jederzeit über die App einsehbar», erklärt die Agroscope-Forscherin.
Laut Nofence hält die Batterie bei grösseren Weideflächen die ganze Weidesaison von Mai bis Oktober.
Agroscope
«Allerdings hängt die Akkuleistung massgeblich von der Beweidungsmethode und von der Aktivität der Tiere ab. Auf kleineren Weideflächen entleeren sich die Batterien schneller, weil die Tiere sich über einen längeren Zeitraum innerhalb von 10 bis 12 Metern um die Weidezaungrenzen aufhalten. Die Nofence-Halsbänder arbeiten in diesem Bereich mit einer höheren Präzision im GPS-Signal als bei grösserer Entfernung. Auch Faktoren wie die Netzverbindung oder die Wetterbedingungen wirken sich auf die Batterielaufzeit aus.»
Signalstörer im Stall
Das Tonsignal und der elektrische Reiz werden ausschliesslich an der virtuellen Weidegrenze ausgelöst. Der Stall der Tiere sollte daher immer innerhalb des definierten Weidebereichs liegen. Dennoch kann es innerhalb von Gebäuden zur Störung des GPS-Signals kommen, sodass die Positionsbestimmung der Tiere ungenauer wird. Tiere könnten fälschlicherweise ausserhalb des Bereichs lokalisiert werden, sodass Tonsignale und Stromstösse ausgelöst würden.
Patricia Fuchs erklärt, wie dieses Problem gelöst wird: «Um dies zu verhindern, bietet Nofence spezielle Signalstörer an. Wenn sich ein Halsband in dessen Reichweite befindet, schaltet es automatisch in den Ruhemodus. Die Funktion von Autosignalen und von elektrischen Reizen wird deaktiviert. Umgekehrt wird das Halsband automatisch auf Betriebsmodus umgestellt, sollte das Tier den Stall verlassen und sich somit ausserhalb des Signalstörers befinden.»
Erst eine Warnung
Virtuelle Zäune funktionieren mit einem elektrischen Reiz – deshalb die Tierschutzbedenken. Konkret tragen jedes Rind und jede Kuh ein GPS-Halsband, welches über Mobilfunk mit einer Smartphone-App gekoppelt ist. Dank deren Informationen kann eine Herde auch aus der Ferne überwacht werden. Per App wird die virtuelle Weidegrenze festgelegt. Sobald sich eine Kuh der Grenze nähert, ertönt ein akustisches Signal als Warnung. Überschreitet sie die Grenze, folgt ein leichter elektrischer Impuls.
Virtuelle Zäune funktionieren mit einem elektrischen Reiz.
Agroscope
Das akustische Signal in ansteigender Tonfolge macht den elektrischen Impuls für die Tiere vorhersehbar. Die Abfolge von Tonsignal und elektrischem Impuls wird an der virtuellen Grenze bis zu dreimal wiederholt. Überschreitet die Kuh alle drei Warnzonen, werden die Reize automatisch deaktiviert und der Besitzer per Smartphone alarmiert. Die aktuelle Position der entlaufenen Kuh ist jederzeit per App abrufbar. Im Versuch wurden die Aussengrenzen des Weidelandes zur Strasse hin weiterhin mit einem herkömmlichen Zaun gesichert.
Kühe lernen rasch
Das Resultat der Tests ist laut Agroscope positiv, sowohl aus Sicht des Tierhalters wie auch bezogen auf die Tiere. Mit ein paar Klicks ist der Zaun verschoben, im Vergleich zum herkömmlichen Zaun ist das eine grosse Zeitersparnis. Die Kühe lernten nach durchschnittlich acht elektrischen Reizen, korrekt an der virtuellen Grenze zu reagieren. Die meisten Tonsignale und Stromimpulse traten in den ersten drei Tagen auf.
Danach blieb die Anzahl der Stromimpulse gering und sank schliesslich auf null, auch wenn die Kühe in eine andere Koppel mit neuer Zaunlinie geführt worden waren. Der Stromimpuls am Halsband ist rund fünfundzwanzigmal schwächer als der eines herkömmlichen Elektrozauns. Zudem ist der Hals eine Körperstelle, die weniger schmerzempfindlich ist als die Nase, die üblicherweise beim ersten Kontakt mit einem Elektrozaun getroffen wird. Auch Zaununfälle werden für Wild- und für Weidetiere reduziert.
Keine Stresshormone
Um die Stressreaktion der Tiere während des Lernprozesses zu bewerten, erhoben die Agroscope-Forschenden verschiedene Indikatoren wie das Aktivitäts- und Liegeverhalten, den Futterverzehr, das Körpergewicht oder die Milchleistung. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Kühen in traditioneller Umzäunung und jenen mit virtuellem Zaun. Ebenso waren die in der Milch gemessenen Werte des Stresshormons Kortisol in beiden Gruppen vergleichbar.
Wie erwartet gab es zu Beginn des Lernprozesses Reaktionen auf den elektrischen Impuls, so etwa das hastige Entfernen vom virtuellen Zaun. Dieses Verhalten wurde nach dem Lernerfolg der Tiere jedoch nicht mehr beobachtet. Auch im Berggebiet mit kleinräumig wechselnder Topografie bewährte sich das virtuelle Zaunsystem. Hier ist aber wegen der für Tier und Technik anspruchsvollen Bedingungen eine sorgfältige Platzierung der virtuellen Grenze besonders wichtig.
BLV verfolgt Studie
Zu einer möglichen Zulassung in der Schweiz meint Yasmin Matthys vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV): «Aus Gründen des Tierwohls sind Zaunsysteme, die über ein Empfängergerät am Körper eines Tiers elektrisierend wirken, gemäss der Tierschutzverordnung seit 2014 untersagt. Die Studien von Agroscope zu virtuellen Zaunsystemen verfolgen wir mit Interesse. Wir werden die Studienergebnisse sowie die wissenschaftlichen Fakten beurteilen und überprüfen, ob eine Anpassung der Tierschutzverordnung angezeigt ist.»
Wann eine allfällige Anpassung der Tierschutzverordnung in Kraft treten könnte, lasse sich derzeit nicht abschätzen. «Eine Anpassung würde den normalen politischen Weg über die Ämterkonsultation und über eine Vernehmlassung gehen.» Zudem müsse ein Hersteller für die Zulassung eines virtuellen Zaunsystems eine Bewilligung beim BLV einholen. sum
Elektroschock anstatt Zäune? Man wird das hinterfragen dürfen. Mir gefällt das nicht.
Am Elektrozaun bekommen sie auch einen Elektroschock. Wo ist der Unterschied bitte????