Hansjörg Walter wird am 5. Dezember zum höchsten Schweizer gewählt. Doch der SVP-Politiker will auch als Nationalratspräsident auf dem Boden bleiben. Am besten entspannt sich der 60-Jährige, wenn er mit dem Traktor über sein Land im Hinterthurgau fährt.
Fast wäre Hansjörg Walter vor drei Jahren Bundesrat geworden. Doch der unfreiwillige Sprengkandidat, der nur eine Stimme weniger erhielt als der schliesslich gewählte Bundesrat Ueli Maurer, wollte nicht in die Landesregierung. «Dass ich nicht Bundesrat geworden bin, bereue ich nicht», sagt der Politiker und Bauer beim Interview am Küchentisch zu Hause auf seinem Hof in Wängi TG.
Mehrheitsfähig ist Walter - im Gegensatz zu vielen Parteikollegen -, weil er eine bäuerlich geprägte, konstruktive SVP-Politik betreibt, wie sie im ländlichen Thurgau Tradition hat. Verschiedene Parteikollegen hätten ihn deshalb bei den Bundesratswahlen vom 14. Dezember gern erneut als Kandidaten gesehen.
Doch das politische Schwergewicht will als Nationalratspräsident andere Prioritäten setzen: «Ich werde die Bundesratswahlen leiten und möchte neutral sein.» Natürlich habe er trotzdem eine persönliche Meinung. «Diese halte ich aber zurück», sagt der 60- Jährige.
Beichtgeheimnis
Damit am 14. Dezember alles reibungslos klappe und die Bundesratswahlen dem hohen Amt «würdig» seien, bereitet Walter das Prozedere akribisch vor. Er werde mit allen Fraktionspräsidenten Gespräche führen, um sich für sämtliche Eventualitäten zu wappnen. «Was die Fraktionschefs mir sagen, behandle ich wie ein Beichtgeheimnis», verspricht Walter.
Um Interessenkonflikte zu vermeiden, hat er sein Amt als höchster Schweizer Bauer auf Eis gelegt und wird nächstes Jahr den Rücktritt als Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV) geben.
Straffe Organisation
Die Bevölkerung solle wissen, dass er nur ein Amt ausführe. «Man kann nicht gleichzeitig den Bundesrat kritisieren und den Nationalrat präsidieren», sagt der Politiker, der seit zwölf Jahren für die SVP Thurgau im Nationalrat sitzt und seit elf Jahren den SBV präsidiert.
Die Leitung der Ratsgeschäfte betrachtet Walter als Herausforderung. Das Amt als solches, aber auch die neue Zusammensetzung des Nationalrates flössten ihm Respekt ein, sagt er. «Ein Drittel aller Ratsmitglieder sind neu, und es gibt mit den Grünliberalen eine neue Fraktion. Da braucht es eine straffere Organisation.»
Auf dem Traktor entspannen
Statt 16 Wochen wird Walter nächstes Jahr 24 Wochen in Bern wohnen - «im immer gleichen Hotelzimmer, wo ich auch mal meine persönlichen Sachen deponieren kann».
Die Arbeit als Bauer auf seinem Hof in Wängi wird wohl noch weniger werden. Ehefrau Madeleine - zugleich Bäuerin und persönliche Sekretärin - und zwei Angestellte schauen zu den 36 Milchkühen und halten den Hof in Schwung.
Bevor er am frühen Morgen nach Bern fahre oder wenn er abends spät heimkomme, lege er aber selbst Hand an. Auch an den Wochenenden arbeitet der gelernte Bauer in seinem angestammten Beruf.
Am liebsten steige er nach einem Sitzungsmarathon auf den Traktor. Dabei könne er sich wunderbar entspannen. «Die idyllische Umgebung in Wängi gibt mir Gelassenheit und die nötige Distanz zu Bern», sagt Walter.