In den in der Schweiz von Wölfen am stärksten betroffenen Kantonen Wallis und Graubünden sind im ersten Halbjahr 2023 und kurz vor der Inkraftsetzung der revidierten Jagdverordnung weniger Nutztiere gerissen worden als in der selben Zeitperiode im Vorjahr. Entsprechend gab es auch weniger Abschussbewilligungen.
Dies teilt die Tierschutzorganisation Gruppe Wolf Schweiz am Donnerstag mit. Sechs Wölfe seien im ersten Halbjahr 2022 zum Abschuss freigegeben worden, im laufenden Jahr noch keine. Im Kanton Wallis seien im Vergleich zur Vorjahresperiode 55 Prozent weniger Nutztiere von Wölfen gerissen worden, in Graubünden waren die Risse sogar um 80 Prozent rückläufig – trotz steigendem Wolfsbestand.
In den 1990er-Jahren kehrte der Wolf in die Schweiz zurück. Seither nimmt der Bestand laufend zu. Die Population wurde Mitte Juni 2023 vom Bundesrat auf 250 Wölfe und 26 Rudel beziffert. Die Gruppe Wolf rechnet zudem mit einer weiteren Steigerung des Wolfsbestandes, da die hiesigen Rudel Jungtiere aufzögen und nach wie vor Wölfe aus den Nachbarländern einwanderten.
Herdenschutz als entscheidender Faktor
Mehr Wölfe verursachten aber nicht automatisch mehr Schäden, wie die jüngsten Zahlen verdeutlichten, liess die Organisation weiter verlauten. «Eine Regulierung des Bestandes stellt somit keinen Herdenschutz dar. Die internationale Studienlage zeigt viel mehr, dass Abschüsse das Risiko von Rissen sogar erhöhen können», hält die Gruppe Wolf Schweiz fest. Stattdessen seien die im laufenden Jahr erstmals auf zahlreichen Alpen umgesetzten, vom Bund finanzierten, Herdeschutzmassnahmen entscheidend für den Rückgang von Wolfsrissen. Dazu gehören unter anderem wolfsabweisende Zäune für gesicherte Nachtweiden und der Einsatz von Herdenschutzhunden.
Die geringere Anzahl Risse in diesem Frühjahr seien nicht darauf zurückzuführen, dass die Tiere mehr im Stall waren, heisst es in der Mitteilung. «Zahlreiche Alpen setzen dieses Jahr erstmals Herdenschutzmassnahmen um, die vom Bund mittlerweile grosszügig finanziert werden», schreibt die Organisation. Der grosse Aufwand, den Alpbewirtschafter und Tierhalterinnen für den Herdenschutz betrieben, zahle sich aus, heisst es weiter. Massnahmen wie Herdenschutzhunde, gesicherte Nachtweiden und Hirten stellten die neue Realität bei der Haltung von Schafen und Ziegen dar, hebt die Gruppe Wolf Schweiz hervor.
Grosse Nutztiere: Schadgrenze bei 1 Tier
Der letzte bekannt gewordene Wolfsriss ereignete sich vor etwas mehr als einer Woche, als auf der Alp Mürtschen im Kanton Glarus zwei Schafe gerissen wurden. Per 1. Juli dieses Jahres erleichtert der Bundesrat den Abschuss von Wölfen in der Schweiz mit der Inkraftsetzung der revidierten Jagdverordnung – dies angesichts der durch den Wolf verursachten Probleme für die Alpwirtschaft. Künftig können die Tiere nach weniger Schäden als bisher und damit schneller zum Abschuss freigegeben werden.
Neu werden nicht nur von Wölfen getötete, sondern auch schwer verletzte Rinder, Pferde sowie zum Beispiel Lamas oder Alpakas als grosser Schaden angerechnet. Die Schadengrenze bei grossen Nutztieren liegt neu bei einem Tier statt bisher zwei Tieren. Diese Bestimmung gilt sowohl bei Regulationseingriffen in Rudeln als auch bei Massnahmen gegen einzelne Wölfe.
Gefahr von Mensch: Abschuss sofort möglich
Die für einen Abschuss massgebende Schaden-Schwelle wird für einzeln herumstreifende Tiere und für Rudel gesenkt. Neu reichen für den Abschuss sechs statt bisher zehn gerissene Nutztiere. Eine Verschärfung gibt es auch bei Wölfen, die sich Menschen nähern. Ein Wolf eines Rudels kann unverzüglich abgeschossen werden, wenn er plötzlich und unvorhergesehen Leib und Leben von Menschen bedroht.
Die Regulierung von Wolfsrudeln vereinfachte der Bundesrat ebenfalls. Die Kantone können Regulierungsabschüsse beantragen, wenn acht Nutztiere gerissen worden sind – heute liegt die Schwelle bei zehn Rissen.
Bis das im vergangenen Dezember revidierte Jagdgesetz in Kraft tritt, soll die Lage in den betroffenen Gebieten so kurzfristig entschärft werden. Der bis dato letzte Wolfsabschuss ereignete sich Ende Oktober 2022 im Kanton Graubünden.
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