Schweinezüchter Thomas Hunkeler ist nicht für eine Marktöffnung. Aber er sagt, diese könnte kommen, auch ohne ein umfassendes Abkommen. Investitionen in die Landwirtschaft seien deshalb heikler geworden.
«Schweizer Bauer»: Wie stellen Sie sich zu einer Öffnung der Schweizer Agrarmärkte bzw. zu einem Abbau des Grenzschutzes?
Thomas Hunkeler: Ohne Grenzschutz gäbe es die meisten Betriebe nicht in der aktuellen Form. Das beantwortet ein Stück weit auch bereits die Frage. Die Märkte einfach so von heute auf morgen zu öffnen, ist für uns nicht akzeptierbar. Ohne Begleitmassnahmen und Stützung würden die Schweineproduktion und auch andere Produktionszweige massiv einbrechen.
Sehen Sie irgendeinen Vorteil bei einer Marktöffnung?
Eigentliche Vorteile für die landwirtschaftlichen Produzenten sehe ich keine. Aber wir müssen sehen, dass sich die Welt dreht und es Veränderungen gibt. Wir kommen stärker unter Druck, wie man etwa beim Einkaufstourismus sieht. Wir müssen gewisse Schritte in diese Richtung machen. Und für den Fall, dass die Öffnung kommt, müssen wir uns heute Gedanken machen, und nicht erst, wenn sie da ist.
Sind Sie sicher, dass eine Marktöffnung kommt?
Ich bin nicht sicher, dass eine vollständige Öffnung kommen wird. Sicher ist nur, dass nichts sicher ist. Aber die Preisdifferenzen zwischen Schweiz und Ausland können nicht immer noch grösser werden. Eine gewisse Angleichung wird es geben, ob wir das wollen oder nicht. Das kann auch ohne ein umfassendes Freihandelsabkommen geschehen.
Wie sehen Sie Überlegungen für eine teilweise Öffnung, z. B. nur für die Milch?
Das erachte ich als sehr schwierig. Auch im Milchbereich. Beim Käse rechnete man sich grosse Exportchancen aus, jetzt aber geht es eher in die umgekehrte Richtung. Unser hohes Preisniveau sowie die Frankenstärke erleichtern Importe in die Schweiz und erschweren Exporte aus der Schweiz. Dass man einzelne Sektoren herausgreift und diese im Gegensatz zu anderen öffnet, kann ich mir nicht vorstellen.
Kennen Sie denn einen Landwirt, der sagt: Ich bin für die vollständige Öffnung, und zwar sofort?
Nein. Ich glaube, dass ein Bauer in der heutigen Situation dies nicht sagen kann. Denn er wird nur verlieren. Wir haben nicht die nötigen Betriebsgrössen, wir haben Erschwernisse in der Topografie, und wir haben ein zu hohes Preis- und Kostenniveau, und zwar bei den vor- und bei den nachgelagerten Betrieben.
Was kann ein Landwirt heute tun?
Das Wichtigste ist: Investitionen müssen gut überlegt sein. Sie müssen für eine Produktion mit grosser Wertschöpfung sein, z. B. für ein Label. Mit Massenware haben wir so gut wie keine Chance. Für Qualitätsprodukte mit Mehrwert hingegen bestehen in der Schweiz sehr wohl Möglichkeiten.
Was sind denn Bereiche, bei denen Sie Chancen sehen, z. B. Ihren Hochstammapfelsaft?
Ja, zum Beispiel. Aber auch in der Schweinehaltung, im Milchbereich und anderswo gibt es Möglichkeiten. Denken wir nur an den Gruyère-Käse. Die Schweizer Landwirtschaft kann aber nicht bestehen, wenn sie nur noch in absolute Nischen liefern kann. Es soll eine gewisse Grundproduktion geben, aber mit Mehrwert. Ein guter Teil der Konsumenten ist auch bereit, für solche Produkte einen höheren Preis zu bezahlen.
Wie haben Sie selbst in den letzten Jahren investiert?
Wir haben in den letzten Jahren keine grösseren Investitionen mehr getätigt. Diejenigen im Schweinebereich gehen auf die 1990er-Jahre zurück. Aber schon damals war es unsere Absicht, eine höhere Wertschöpfung zu erzielen. Heute produzieren wir CNf-Ferkel. Die Biogasanlage, in die wir seit 2004 investiert haben und weiter investieren wollen, ist nicht im engeren Sinn landwirtschaftlich. Ich denke, es ist heikler geworden, in die Landwirtschaft zu investieren, als dies vor 20, 30 Jahren der Fall war.
Es wurde aber in letzter Zeit beachtlich viel gebaut. Auf dem Weg zu Ihnen sieht man an der Autobahn neue Geflügel- und Milchviehställe.
Geflügel ist ein Wachstumsmarkt. Bei den Milchviehställen setze ich ein Fragezeichen hinter die staatliche Förderungspolitik, die in den letzten Jahren viele neue und grosse Ställe zur Folge hatte. Wegen der gesunkenen Milchpreise stehen viele dieser Betriebe heute unter sehr grossem Druck. Und seit Jahren hat es in der Schweiz permanent zu viel Milch. Andererseits kenne ich Betriebe, die vor zwanzig Jahren in die Schweinehaltung investierten und von der Kreditkasse keinen einzigen Franken erhielten, weil es hiess, im Kanton Luzern habe es zu viele Schweine.
Welches System schwebt Ihnen denn vor?
Nach einer Starthilfe sollte es für alle keine weiteren Investitionshilfen mehr geben. Denn ein wirtschaftlich geführter Landwirtschaftsbetrieb sollte Investitionen aus der eigenen Produktion heraus finanzieren können. Vielleicht ist die Landwirtschaft in dieser Hinsicht in den letzten Jahren zu stark geschont worden. Betriebsleiter, die ihren Betrieb wirtschaftlich erfolgreich führen, sind aus meiner Sicht viel zu wenig honoriert worden. Die Landwirtschaft muss auch Eigenverantwortung übernehmen. Ein solches System würde auch die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft stärken im Hinblick auf eine allfällige Marktöffnung.
Noch zum Schweinemarkt. Da sind ja die Tiefpreisphasen länger geworden.
Ein grosser Teil der Produktion ist nicht mehr in unseren Händen. Ringsysteme zum Beispiel werden von aussen gemanagt. Der Handel will auf kein Schwein verzichten, denn er verdient an jedem Tier. So hat er kein Interesse an einer Marktbereinigung über tiefere Volumen. Eigentlich müssten bei tiefen Marktpreisen auch die Handelsmargen tiefer liegen. Dann würde der Handel in schlechten Phasen bei neuen Stallbauten bremsen. Sonst wird eine Gesundung des Marktes immer schwieriger. Und die Mengenkontingente der Labels gehörten richtigerweise den Produzenten. So käme ein grösserer Teil des Mehrwerts zu uns. Da haben wir Landwirte in den vergangenen Jahren leider einiges verpasst.
Zur Person
Thomas Hunkeler führt in Altishofen LU einen Betrieb mit 9 ha LN und 10 ha Wald. Er hält 140 CNf-Mutterschweine und ist Produzentenvertreter bei der Zentralschweizer Schweinebörse. Aus seinem Hochstammobst stellen er, seine Frau Irmgard sowie Susanne und Roger Hodel Säfte unter dem Label «Hochgenuss Natur» her. Zusammen mit seinem Cousin Meinrad Pfister betreibt Hunkeler seit 2004 eine Biogasanlage. sal