Die Twerenbold-Fachreise mit dem Schiff «Royal Excellence» auf der Seine führte zu landwirtschaftlichen, kulturellen und landschaftlichen Sehenswürdigkeiten. In der zweiten Wochenhälfte stachen zwei Fachbesuche heraus.
Ein Milchbetrieb im Herzen der Normandie
Mit Herzlichkeit empfingen Evelyne und Jean Bernard die Reisegruppe auf ihrem
Hof in Saint-Pierre-de-Manneville
. Den Betrieb haben sie eigentlich ihrem Sohn Jean-Charles übergeben, das ältere Ehepaar hilft aber nach wie vor aktiv mit.
Die Familie Bernard hält 280 Stück Rindvieh, davon 80 Milchkühe und 50 Charolais-Kühe für die Fleischproduktion. Bei den Milchkühen gehören 70% der Rasse Montbéliarde an, 30% sind Holsteiner, wobei der Anteil Holsteiner wie vielerorts auch hier am Zulegen ist.
Warum keine Normandie-Kühe, die für die Region typisch wären? «Die geben zu wenig Milch», lautete die Antwort von Evelyne. Sie verkaufen 420’000 kg Milch an die Grossmolkerei Danone (für 42 Cents pro Kilo), brauchen 25’000 kg Milch für die Aufzucht der Kälber und verarbeiten 50’000 kg Milch selbst zu Joghurt, Butter und Milch, die sie unter anderem im Hofladen verkaufen.
Der Betrieb umfasst 220 Hektaren, wovon rund 70 Hektaren als Dauerweide und rund 150 Hektaren ackerbaulich genutzt werden.
Evelyne und Jean Bernard (Mitte) mit Reiseleiter Pius Schmid.
Daniel Salzmann
0,45% ist Ökofläche
Eine Hektare der 220 Hektaren (also 0,45%) wird als Ökofläche genutzt, und dabei hat Bernard nicht das Gefühl, er tue wenig, sondern er ist stolz auf die Ökofläche. Allgemein fielen der Reisegruppe die grossen Äcker mit perfekter Feldhygiene und das satte Grün vieler Kunstwiesen auf – da leisten Pflanzenschutz und Mineraldünger ihren Beitrag.
Das Tal der Seine hat sandigen Boden und ist darum auf relativ viel Regen angewiesen. Dieser ist in den letzten Jahren teilweise ausgeblieben, sodass die Familie Bernard statt auf Mais vermehrt auf Sorghum und auf Silphie als Futterpflanzen setzt, die beide trockenresistenter sind. Der Weizen wird verkauft, wenn die Preise gut sind, sonst wird er gelagert.
Günstiges Land wegen tiefer Erträge
Im Durchschnitt bekommt der Betrieb Direktzahlungen in der Höhe von 188 €/ha (ca. 184 Franken/ha). 90 Hektaren Land besitzt die Familie, 130 weitere pachtet sie für 120 €/ha (ca. 117 Franken/ha) Pachtzins im Jahr. Wer in dieser Region Land kaufen will, muss dafür rund 5’000 €/ha (ca. 4’890 Franken/ha) aufbringen. «Anderswo bezahlt man 20’000 €/ha (ca. 19’570 Franken/ha).
Hier sind die Erträge tiefer als anderswo. Darum ist hier Land nicht stark gefragt. Hier wartet kein Nachbar, um das Land oder den Betrieb zu übernehmen. Sondern man muss einen Nachfolger aktiv suchen», berichtet Bernard. Die Familie ist auch im Agrotourismus aktiv und hat ein schönes Wohnhaus. Überhaupt beobachtet man immer wieder, wie die Bauernfamilien dem Unterhalt ihrer Wohngebäude eine hohe Priorität einräumen.
Bauer empfing Frankreichs Staatspräsident Macron
Ein weiterer Fachbesuch stand am Tag darauf an. Betriebsleiter Michel Galmel ist elegant gekleidet und ein guter Redner. Im letzten Jahr war bei ihm der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zu Besuch.
Vor der Übernahme der
arbeitete Galmel in der Maschinenindustrie. Dann fühlte er sich aber verpflichtet, das Familienerbe weiterzuführen, auch damit seine Eltern einen schönen Ruhestand haben, wie er sagt. Er wollte es aber anders machen, als es seine Eltern mit intensiver Landwirtschaft getan hatten. «Mein Vater ist an der Chemie gestorben», sagt Galmel.
Umfassend nachhaltig
Er will auf seinem 60-Hektaren-Betrieb – «wir sind viel kleiner als unsere Nachbarn, die 500 bis 2000 Hektaren bewirtschaften» – eine umfassend nachhaltige Landwirtschaft umsetzen. Dazu setzt er unter anderem auf pfluglosen Anbau und auf Agroforst, er hat seit Mitte der 1990er-Jahre Hunderte Bäume und mehrere Kilometer Heckenlinien gepflanzt.
«Bio ist nicht genug», so Galmel. Wer nachfragt, erfährt, dass er bewusst nicht nach Biostandards wirtschaftet. «Das braucht zu viele Traktorfahrten und damit zu viel Diesel. Ich will gezielt chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel einsetzen können, wo das effizient ist.»
Michel Galmel arbeitet bewusst nicht nach Biostandards.
Daniel Salzmann
Beim Kunstdünger hingegen ist er auf null zurückgegangen. Seit zehn Jahren werden alle Monate sämtliche Tierarten auf dem Hof gezählt. «Die Resultate sind eindrücklich. 1980 hatten wir rund 10 Vogelarten, jetzt sind es 43.»
Wie bei der Familie Bernard gab es auch hier eine Degustation von Hofprodukten, und im gepflegten Hofladen wurden rege Cidre und andere Spezialitäten gekauft.
Auch viel Kultur erlebt
Die einwöchige Twerenbold-Fachreise umfasste auch in der zweiten Hälfte viele landschaftliche und kulturelle Sehenswürdigkeiten der Normandie: die Kreidefelsen an der Küste bei Etretat, die hübsche Stadt Rouen mit imposanten Getreidesilos, den Garten von Giverny, in dem Claude Monet malte, zahlreiche mit Schilfrohr gedeckte Häuser (Reetdächer) und die französische Küche, die auf dem Schiff serviert wurde.
Das Käptn’s Dinner am letzten Abend setzte einen Höhepunkt. Schöne Erinnerungen, die bleiben werden!
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