Ruth Buchwalder vom Bäuerlichen Sorgentelefon weiss, was häufige Probleme von Bäuerinnen und Bauern sind. Oft geht es um Überlastung und familiäre Angelegenheiten. Sie rät, frühzeitig Hilfe zu holen.
«Schweizer Bauer»: Sie sind Vizepräsidentin beim Verein Bäuerliches Sorgentelefon. Beantworten Sie dort Anrufe?
Ruth Buchwalder: Nein, ich vertrete das Sorgentelefon gegen aussen. Am Telefon sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die anonym bleiben. Auch die Anrufer mit einer Sorge bleiben immer anonym. Das ist wichtig. Häufig getrauen sich die Anrufer nicht, in ihrem Umfeld über ihre Probleme zu sprechen. In ihren Dörfern kennen sich oft alle. Die Leute haben Angst, dass ihr Problem plötzlich in der Beiz oder im Postauto von anderen besprochen wird. Deshalb sind sie froh, sich anonym melden zu können.
Wie helfen die Mitarbeiter am Telefon den Anrufern?
Wir sind die erste Anlaufstelle. Oft dauert es lange, bis sich jemand getraut, seine Probleme anzugehen und mit jemandem über seine Sorgen zu sprechen. Die Mitarbeiter am Telefon führen mit den Anrufern ein Gespräch und versuchen Lösungen zu finden. Da wir nicht auf die Betriebe oder zu den Familien gehen, haben wir Listen mit Kontaktpersonen, die die Berater am Telefon den Anrufern angeben. Von diesen bekommen sie dann gezielt Hilfe.
Welche Leute rufen Sie an?
Verschiedene: Frauen und Männer, junge und alte, aus dem bäuerlichen Umfeld.
Was sind häufige Probleme?
Meistens rufen Leute an, die überlastet sind, oft geht es auch um Generationenkonflikte oder Beziehungen, die auseinandergehen.
Sorgentelefon
Das Bäuerliche Sorgentelefon ist ein Hilfsangebot für Bäuerinnen und Bauern sowie für alle anderen in der Landwirtschaft tätigen Menschen in schwierigen Situationen oder mit Problemen. Zweimal in der Woche wird die Telefonnummer 041 820 02 15 betreut: Montag, 8.15 bis 12 Uhr, und Donnerstag, 18 bis 22 Uhr. mgt
Warum gehen Beziehungen auseinander?
Weil das Zusammenleben mit Schwiegereltern und Eltern unter Umständen schwierig ist. Gerade jemand, der von aussen auf einen Betrieb kommt, hat es nicht immer einfach. Verschiedene Vorstellungen treffen aufeinander, und das führt zu Konflikten, die eine Beziehung belasten. Partnerschaften scheitern aber auch, weil in Bauernhaushalten der Beruf immer ins Private spielt und beides eng verflochten ist. Andere Leute gehen aus dem Haus, um zu arbeiten. Bauern nicht.
Kamen in der letzten Zeit mehr Anrufe?
Wir hatten dieses Jahr mehr Anrufe als das Jahr davor. Aber nicht extrem viel mehr. Mir fällt aber auf, dass die Probleme schwerwiegender sind.
Können Sie ein Beispiel geben von solchen Fällen?
Etwa, wenn eine Beziehung auseinandergeht. Beide Partner leiden sehr, und oft kommen zu den emotionalen grosse finanzielle Probleme. Ausserdem sind Bauern zunehmend unter Druck. Unter anderem wegen administrativer Aufgaben. Manchmal sind sie überfordert, wenn sie Listen und Formulare ausfüllen müssen. Das ständige Denken – «Ich sollte noch dieses und jenes» – ist eine grosse Belastung, denn neben allem Administrativen muss ja auch die tägliche Arbeit gemacht werden. Damit sie sich finanziell über Wasser halten können, nehmen einige einen Nebenerwerb an, was oft die Rettung ist, manchmal aber zur totalen Überlastung führt.
Der «Blick» thematisierte diese Woche die Suizide von Bauern. Wie nehmen Sie das Thema wahr?
Es rufen tatsächlich Leute mit Suizidgedanken an oder solche, die jemanden durch Suizid verloren haben. Es gibt auch Anrufer, die erzählen, sie seien schon in der Psychiatrie gewesen und dass sie wieder gehen sollten. Sie könnten aber nicht, weil sie so viel Arbeit hätten.
Hintergrund
Der Artikel im «Blick» vom 13.12.2016 sorgte für Aufsehen, besonders wegen des Bildes und des Themas Suizid von Bauern. Wir sprachen mit der Vizepräsidentin des Bäuerlichen Sorgentelefons über häufige Probleme der Anrufer. jul
Was raten Sie den Leuten, die solche Probleme haben?
Wir rate ihnen, frühzeitig Hilfe zu holen. Nicht zu denken, es kommt dann schon wieder gut, wenn sie es schon fast nicht mehr aushalten. Es gibt Angebote, verschiedene Anlaufstellen, die in der Not helfen.
Zur Person
Ruth Buchwalder ist Vizepräsidentin des Vereins Bäuerliches Sorgentelefon. Sie ist diplomierte Bäuerin und arbeitete mit ihrem Mann auf einem Milchwirtschaftsbetrieb. Sie hat vier erwachsene Kinder. Heute führt ihr ältester Sohn mit der Familie den Betrieb weiter. Die 64-jährige Buchwalder und ihr Mann sind nach der Hofübergabe in die neue, kleine Wohnung ins Nebengebäude gezogen, wohnen also nach wie vor auf dem Betrieb in Liesberg BL. jul



