Im Tessin führt die Forschungsanstalt WSL seit 1998 ein auf 30 Jahre ausgelegtes Experiment durch. Die Frage: Wie kann man Kastanienwälder so bewirtschaften, dass sich das Holz auch für Möbel eignet? Inzwischen zeichnen sich Resultate ab.
Seit die Edelkastanie mit den Römern ins Tessin kam, hat sie den Kanton geprägt: Ihre Früchte waren während Jahrhunderten eines der wichtigsten Nahrungsmittel. In Niederwäldern, die alle 12 bis 20 Jahre komplett abgeholzt wurden, schlug man Brennholz. Da sich damit aber kaum mehr Gewinne erzielen lassen, nutzen Waldbesitzer die Niederwälder seit Jahrzehnten praktisch nicht mehr.
Niederwäldern neues Leben einhauchen
Das wäre vielleicht anders, wenn sie das Holz als Rohstoff für Möbel verkaufen könnten, denn damit lassen sich höhere Preise erzielen. Kastanienholz hat ähnliche Qualität wie das der Eiche. Es hat allerdings ein Problem: die Ringschäle. Dabei kann sich das Holz durch Verletzungen oder Spannungen entlang eines Jahrrings lösen, so dass Bretter aus Kastanienholz unter Umständen auseinanderfallen.
Dieses Problem möchte Andreas Zingg von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL lösen und den Niederwäldern wieder neues Leben einhauchen. Der Forscher und sein Team untersuchen daher seit 1998 auf drei Flächen im Tessin, welche Wachstumsbedingungen aus der Kastanie eine gute Holzquelle für Möbel machen.
Drei Testflächen
In der jüngsten Ausgabe ihres Magazins «Diagonal» stellte die WSL den Langzeitversuch vor. Demnach unterscheiden sich die Flächen vor allem in ihrer Höhenlage, Exposition, Hangneigung und vorherigen Bewirtschaftung. Auf jeder der drei zuvor komplett abgeholzten Flächen liessen die Forscher Stöcke der abgeholzten Bäume neu austreiben.
Seither testen sie auf jeder der drei Flächen drei Bewirtschaftsformen. Zur Kontrolle liessen sie einen Teil der Bäume einfach ungehindert wachsen. Bei der zweiten Form schlugen sie die Hälfte der dominanten Stockausschläge heraus und liessen den Rest wachsen.
Optimale Wuchsbedingungen
Als besonders vielversprechend hat sich bisher jedoch die dritte Form herauskristallisiert: Nach den ersten acht Jahren wählten die Forscher einige besonders gerade und schön wachsende Bäume. Denen verschafften sie Luft, indem sie die umstehende Konkurrenz entfernten. Ausserdem entasteten sie die Stämme bis auf sechs Meter Höhe, um optimale Wuchsbedingungen für den unteren Stamm zu schaffen.
Der Effekt ist deutlich, so der Bericht der WSL: Die Stämme der so gepflegten Bäume sind stattliche 30 Zentimeter dick und ihre Kronen überragen die auf den anders bewirtschafteten Flächen deutlich. Trotz dieser Tendenzen wolle jedoch bisher noch kaum jemand auf diese neue Art der Niederwaldbewirtschaftung setzen. «Förster sind grundsätzlich konservativ», sagte Zingg.
Sollte das Desinteresse anhalten und sich am Ende des Versuchs niemand mehr für Kastanienholz interessieren, wäre all die Mühe dennoch nichts vergebens: Da Zinggs Team die Entwicklung der Bäume genau protokolliert, lassen sich die Daten letztlich auch für andere Fragestellungen verwenden. Zum Beispiel, wie Kastanienwälder mit dem Klimawandel umgehen.