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Linsen statt Futterweizen: Ernährungsinitiative lanciert

blu |

 

Die Unterschriftensammlung für die Initiative «Für eine sichere Ernährung» ist am Dienstag gestartet. Die Initiative verlangt eine Neuausrichtung der Land- und Ernährungswirtschaft zugunsten von Ernährungssicherheit und genügend sauberem Trinkwasser. Sie fordert den Ausbau der pflanzlichen Produktion und eine Reduktion der Nutztierhaltung.

 

Die Bundeskanzlei hat den Text der am 19. Mai eingereichten Volksinitiative «Für eine sichere Ernährung – durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser (Ernährungsinitiative)» genehmigt, wie dem Bundesblatt zu entnehmen ist. Lanciert wurde die Initiative von der Umweltaktivistin Franziska Herren und sechs weiteren Personen.

 

«Ernährungssicherheit nicht gewährleistet»

 

Die Initiative knüpfe an die Forderungen der Trinkwasserinitiative an und lege den Fokus auf die Ernährungssicherheit, schreiben die Initiantinnen und Initianten in einer Mitteilung vom Dienstag. Die Klimakrise zeige, dass auch im Wasserschloss Europas Trinkwasser und Wasser für die Lebensmittelproduktion schnell zur Mangelware werden könne. «Bis heute wurde die Land- und Ernährungswirtschaft nicht auf die Produktionsunsicherheiten vorbereitet, die der Klimawandel mit sich bringt», so die Initianten.

 

Die Lebensmittelversorgung der Schweizer Bevölkerung sei heute zu 50 Prozent vom Ausland abhängig. Bei fehlenden Importen sei so die Ernährungssicherheit der Bevölkerung nicht sichergestellt. Die heutige Landwirtschaftspolitik bewirke also das Gegenteil von Ernährungssicherheit, die 2017 in der Verfassung verankert wurde. Und bezüglich Wasserversorgung wisse die Schweiz nicht, wieviel Wasser sie verbrauche und wieviel sie zur Verfügung habe. Und auch Inhalte der Trinkwasserinitiative finden sich in der Ernährungsinitiative wieder. So heisst es auf der Website der Initianten: «Die Initiative verlangt nebst genügend Nahrungsmitteln auch genügend sauberes Trinkwasser und dafür die Sicherstellung der Grundwasserressourcen für die nachhaltige Trinkwassergewinnung der Schweizer Bevölkerung.»

 

Initiantin Franziska Herren (3.v.l.) wurde an der Lancierung unterstützt von Landwirt David Jacobson, Roman Wiget, Trinkwasserverband AWBR, Biobäuerin und Grössrätin Gertrud Häseli (Grüne, AG), Naturwissenschaftler Daniel Hartmann und von Adrian Hirt, Alpahirt.
Adrian Haldimann

 

Hülsenfrüchte statt Futterweizen

 

Die Initiative zielt auf den Ausbau der pflanzlichen Produktion. Dass 50 Prozent der Lebensmittel importiert werden müssten, sei nicht eine Folge von zu wenig Landwirtschaftsland. Sondern dies sei auf die Agrarpolitik zurückzuführen. Gemäss die Initianten wird die Produktion und der Konsum von tierischen Lebensmitteln gegenüber pflanzlichen Lebensmitteln «massiv stärker mit Subventionen gefördert wird: mit 2,3 Milliarden gegenüber 0,5 Milliarden Franken.»

 

In den Bergen befürworten die Initianten die Nutzung von Wiesen und Weiden für eine graslandbasierte Fleisch- und Milchproduktion. Den Anbau von Mais oder Futtergetreide im Talgebiet will die Initiative zurückbinden. Diese stünde in direkter Konkurrenz zur menschlichen Ernährung. Die Initiative will den Anbau von Hülsenfrüchten oder Brotgetreide fördern. Damit könnte man pro Hektare viel mehr Kalorien produzieren und den Wasserverbrauch senken. «Mit mehr pflanzlichen Lebensmitteln kann der Netto-Selbstversorgungsgrad von heute 50% auf mindestens 70% erhöht werden. Genau das fordern wir mit der Initiative «Für eine sichere Ernährung», halten die Initianten fest. 

 

Zu viel Gülle

 

Im Visier haben die Initianten den Nutztierbestand. Im Argumentarium heisst es unter anderem, dass die 16 Millionen Nutztiere zur Hälfte mit Importfutter ernährt würden. Sie sprechen von 1,2 Millionen Tonnen jährlich. «Die Folge ist zu viel Gülle und Ammoniak, welche unsere Böden, Wälder und Gewässer überdüngen, die Biodiversität und Bodenfruchtbarkeit zerstören sowie unser Trinkwasser mit Nitrat belasten», schreiben die Initianten. Der Baldegger-, der Hallwiler-, der Sempacher-, der Greifensee und neu der Zugersee müssten daher künstlich mit Sauerstoff versorgt werden. Die Parallelen zur Trinkwasserinitiative sind auch hier zu finden.

 

In der Schweiz führe das Importfutter zu enormen Überschüssen an Gülle und Mist. «Was aber hier an Dünger zu viel ist, fehlt auf den Ackerflächen im Ausland und muss dort durch Kunstdünger ersetzt werden», kritisieren die Initianten. Die Initiative zielt auf einen Abbau der Nutztierbestände. So sollen die vom Bundesamt für Landwirtschaft im Jahr 2008 definierten Höchstwerte für Stickstoffverbindungen und Phosphor nicht mehr nicht mehr überschritten werden dürfen. Gemäss Initianten werden entweiche durch die Landwirtschaft jährlich 42’000 Tonnen Stickstoff in die Luft. «Das sind 70 Prozent mehr als der Höchstwert von 25’000 Tonnen der Landwirtschaft vorgibt», heisst es im Argumentarium.

 

Kunstdünger und Pflanzenschutzmittel im Visier

 

Die heutige Produktion von «tierischen Lebensmitteln mit Importfutter» sei bei weitem keine standortangepasste, ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion, wie sie die Verfassung für unsere Ernährungssicherheit und für die Umwelt schon seit 2017 verlangt. Sie gefährdet nebst der Wasserqualität auch die Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft – Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität – und damit die Ernährungssicherheit, kritisieren die Initianten.

 

Im Visier sind auch Kunstdünger und chemische Pflanzenschutzmittel. Die Initianten wollen eine nachhaltige Lebensmittelproduktion, «die auf die Produktionsgrundlagen Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität fokussiert und damit die Artenvielfalt fördert.» Das heisst konkret: «Eine solche Produktion ersetzt den Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger und sichert so sauberes Trinkwasser und gleichzeitig stabilere und höhere Erträge. Zusätzlich braucht es die längst überfällige koordinierte Planung der Trinkwasserversorgung.»

 

Die Initiative verlangt weiter, dass die Direktzahlungen, die Förderung von Forschung, Beratung und Ausbildung sowie andere staatliche Anreize den Wandel hin zu einer «nachhaltigen Lebensmittelproduktion» und einer vermehrt pflanzlichen Ernährungsweise unterstützen.

 

Franziska Herren listete am Dienstag vor den Medien die Forderungen auf:

 

  • einen Netto-Selbstversorgungsgrad von mindestens 70%, dafür sollen die Produktion und der Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln gefördert werden.
  • genügend sauberes Trinkwasser und dass die Grundwasserressourcen für die nachhaltige Trinkwassergewinnung dafür sichergestellt werden.
  • dass natürliches samenfestes Saat- und Pflanzgut, die Biodiversität und die Bodenfruchtbarkeit als Produktionsgrundlagen der Landwirtschaft gesichert werden.
  • dass die Höchstwerte für Dünger und Stickstoff nicht mehr überschritten werden.
  • dass Direktzahlungen sowie die Förderung von Forschung, Beratung und Ausbildung den Zielen der Initiative nicht widersprechen dürfen.

 

«Chance für Bauern»

 

Das Initiativkomitee spricht von einer grossen Chance für die Schweizer Landwirtschaft. Die Initiative eröffne die Tür zum «boomenden nachhaltigen Wachstumsmarkt von pflanzlichen Lebensmitteln und Fleischersatzprodukten.» Es gäbe genügend Kunden. 63% der Schweizer Bevölkerung würden heute bereits der Umwelt, dem Tierschutz und ihrer Gesundheit zuliebe bewusst weniger tierische Lebensmittel konsumieren. Die Tendenz sei steigend.

 

«Insbesondere Hülsenfrüchte sind der Motor einer Bio-Fruchtfolge. Dank ihrer Eigenschaft gratis Luftstickstoff zu binden, mit gleichzeitig einer tendenziell tiefen Bewurzelung ,helfen sie die Böden fruchtbar zu halten. Gleichzeitig sind sie wichtige Zutaten einer vermehrt pflanzlichen Ernährungsweise», sagte Biobäuerin Gertrud Häseli. Mit dieser Initiative verlasse die Landwirtschaft das «bekannte Unglück der einseitigen Tierproduktion. Wir wende uns dem Glück der wertvollen Pflanzen zu, die direkt unserer Ernährung dienen», fuhr sie fort.

 

Übergangsfrist beträgt 10 Jahre

 

Landwirt David Jacobsen vom Gut Rheinau brachte vor den Medien das Saatgut ins Spiel. Die Initiative «Für eine sichere Ernährung» fördere das natürliche, samenfeste Saatgut. «Dabei ist mir persönlich speziell meine Freiheit wichtig, da ich natürliches samenfestes Saat- und Pflanzgut selbst vermehren kann und so unabhängig von Saatgut- und Spritzmittelverkäufern und sonstigen «Beratern» bin», sagte er weiter.  Das Gut-Rheinau mit der biodynamischen Schule Schweiz vermittle eine standortangepasste Lebensmittelproduktion und damit «ein sehr resilientes Ernährungssystem». Dazu gehöre auch eine ausgewogene Balance zwischen der Produktion von tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln

 

«Der von der Initiative angestossene Wandel öffnet neue Türen, verlangt aber auch ein Umdenken und Veränderungen», schreiben die Initianten. Die nötigen Anpassungen der landwirtschaftlichen Produktion soll für die Bäuerinnen und Bauern sozialverträglich ausgestaltet werden und vom Bund finanziell unterstützt werden. Die Übergangsfrist beträgt 10 Jahre.

 

Die Initianten haben nun 18 Monate Zeit, die 100’000 Unterschriften zu sammeln. Das dürfte gelingen. 2025 oder 2026 dürfte die Ernährungsinitiative vors Stimmvolk kommen.

 

Die Bundesverfassung wird wie folgt ergänzt

 

Neuer Text fett

 

Art. 104a Ernährungssicherheit
1 Zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln einschliesslich sauberen Trinkwassers schafft der Bund Voraussetzungen für:

 

a. die Sicherung der Grundlagen für die landwirtschaftliche Produktion, insbesondere des Kulturlandes, der Biodiversität und der Bodenfruchtbarkeit sowie die Förderung von natürlichem, samenfestem Saat- und Pflanzgut;
abis. die Sicherung der Grundwasserressourcen für die nachhaltige Trinkwassergewinnung;
b. eine standortangepasste und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion;
c. eine auf den Markt ausgerichtete und zugleich nachhaltige, klimabewusste Land- und Ernährungswirtschaft;
d. grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen;
e. einen ressourcenschonenden Umgang mit Lebensmitteln.

 

2 Der Bund strebt einen Netto-Selbstversorgungsgrad von mindestens 70 Prozent an. Zu diesem Zweck trifft er insbesondere Massnahmen zur Förderung einer vermehrt auf pflanzlichen Lebensmitteln basierenden Ernährungsweise und einer darauf ausgerichteten Land- und Ernährungswirtschaft.

 

3 Bund und Kantone richten ihre Subventionen, die Förderung von Forschung, Beratung und Ausbildung sowie andere staatliche Anreize so aus, dass sie den Bestimmungen nach den Absätzen 1 und 2 nicht zuwiderlaufen.

 

Art. 74 Umwelt

 

Art. 74a Erhaltung der Ökosysteme und der Biodiversität
1 Bund und Kantone sorgen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Erhaltung der Ökosysteme und der Biodiversität.

 

2 Der Bund lässt namentlich nicht mehr zu, dass die für die Gewässerqualität, die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität essenziellen, im Jahr 2008 vom Bundesamt für Landwirtschaft und vom Bundesamt für Umwelt als Umweltziele für die Landwirtschaft definierten Höchstwerte für Stickstoffverbindungen und Phosphor überschritten werden.

 

Art. 197 Ziff. 15

 

Übergangsbestimmungen zu den Art. 74a und 104a
1 Bund und Kantone erlassen ihre Ausführungsbestimmungen zu den Artikeln 74a und 104a Absatz 1 Einleitungssatz und Buchstaben a, abis und c sowie Absätze 2 und 3 innert fünf Jahren nach deren Annahme durch Volk und Stände.
2 Die Ausführungsgesetzgebung des Bundes regelt namentlich die Instrumente, die es ermöglichen, die neuen Vorgaben der Artikel 74a und 104a Absatz 1 Einleitungssatz und Buchstaben a, a bis und c sowie Absätze 2 und 3 innert zehn Jahren nach deren Annahme zu erfüllen. Bezüglich des angestrebten Netto-Selbstversorgungsgrades legt das Gesetz auch Zwischenziele fest.
3 Die nötigen Anpassungen der landwirtschaftlichen Produktion sind sozialverträglich auszugestalten und werden vom Bund finanziell unterstützt.

Kommentare (4)

Sortieren nach:Likes|Datum
  • Gesunder Menschenverstand | 18.06.2023
    Eine solche Ernährungsinitiative braucht es nicht.
    Lasst die Leute selber entscheiden, was sie Essen wollen.
    Das Fleischersatzprodukte, die in Fabriken hergestellt werden, gesünder und ökologischer sind als Fleisch, kann mir keiner erzählen!
  • Hermann Meier | 15.06.2023
    Endlich! Die Ernährungsinitiative war überfällig. Sonst finanzieren wir Umweltzerstörungen und Überdüngung von Boden und Gewässern mit Steuergelder. Super dass es Landwirte gibt die zeigen, dass man auch mit der Natur gewinnbringend wirtschaften kann
  • Gobo | 14.06.2023
    Jetzt gaht da Theater scho wieder los!!!! Nur wieder uf Landwirtschaft los. Die andere laht mir in rue. Vo de Scheisse id dä Kläralage z.B.keis Wort. Das isch kei Umweltsünd
  • Realist | 14.06.2023
    Alles Schwachsinn der von Laien in den Tag gelogen wird. Mit einer Hektare Futtergetreide oder Mais ernähren wir mehr Menschen, auch wenn es zuerst über das Tier läuft, als direkt mit Hülsenfrüchten und co. ( So schlecht sind die Erträge dieser Kulturen.) Der Selbstversorgungsgrad wird sinken. Auch haben wir überhaupt nicht zu viel Gülle. Auch wir brauchen zusätzlich Kunstdünger. Und auch Wasser haben wir mehr als genug. Brauchen wir es nicht, läuft es in den Bächen und Flüssen aus unserem Land.

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