In Italien gerät die Agrar- und Ernährungswirtschaft durch die Coronavirus-Epidemie zunehmend unter Druck.
Der mitgliederstärkste Landwirtschaftsverband (Coldiretti) warnte eindringlich vor einem Mangel an Saisonarbeitskräften. Die geschlossenen Grenzen würden „katastrophale Auswirkungen“ haben, erklärte der Verband am vergangenen Donnerstag in Rom. Er forderte die Regierung auf, den Einsatz von heimischen Arbeitskräften wie Studenten und Rentnern „radikal“ zu vereinfachen. Nun müsse so schnell wie möglich gehandelt werden, auch um die Versorgung mit Lebensmitteln nicht zu gefährden.
Verschärft wird die Situation laut Coldiretti noch durch den aussergewöhnlich milden Winter. Der Beginn der ersten Ernten sei abzusehen. Auch in Italien greift die Agrarbranche regelmässig auf ausländische Erntehelfer zurück. Verbandsangaben zufolge stammen die meisten aus Rumänien; stark vertreten seien zudem Marokkaner, Inder und Albaner.
Attest vorlegen
Österreich hatte am vergangenen Mittwoch die Grenze zu Italien grundsätzlich geschlossen. Während der Güterverkehr aufrechterhalten und bei den Fahrern lediglich die Temperatur kontrolliert würde, kamen alle anderen nur noch ins Land, wenn ein Attest vorgelegt würde oder die Möglichkeit zur Quarantäne bestand. Auch Transitreisende durften Medienberichten zufolge passieren, wurden aber dokumentiert und verpflichtet, keinen Zwischenstopp einzulegen.
Neben der Regierung will Coldiretti derweil auch die Einzelhandelsunternehmen in die Pflicht nehmen. Diese sollen den Konsum von Nahrungsmitteln aus heimischer Erzeugung unterstützen und vermehrt auf Produkte aus italienischer Produktion und mit heimischen Zutaten setzen. Nun müsse die gesamte Lebensmittelkette zusammenarbeiten, um einen der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes zu unterstützen, appellierte der Verband.
Sorge um Exporte
Der Verband der grösseren Betriebe (Confagricoltura) sorgt sich unterdessen um den Warenverkehr. Er forderte, die Verschärfungen von Grenzkontrollen an zentraler Stelle auf Ebene der Europäischen Union zu koordinieren. Unverhältnismässige und einseitige Massnahmen einzelner Mitgliedstaaten müssten vermieden werden. Vor allem bei verderblichen Produkten dürfe es nicht zu grösseren Verzögerungen kommen.
Laut Confagricoltura sind 60 % der Exporte der italienischen Agrar- und Ernährungswirtschaft für andere Mitgliedstaaten bestimmt. Landwirtschaftsministerin Teresa Bellanova versicherte derweil, dass die italienische Regierung ihre Ressourcen nutze, um einen reibungslosen Warenverkehr sicherzustellen. Auch die Ministerin forderte Brüssel auf, ein Auge auf die Situation zu haben. Alle Mitgliedstaaten müssten die Regeln des Binnenmarktes respektieren und kooperieren.Die italienische Wirtschaft dürfe nicht durch unfaire Praktiken weiter belastet werden.
An die heimische Bevölkerung appellierte Bellanova, keine Lebensmittel zu horten. Die Ministerin betonte zudem ausdrücklich, dass der Verzehr von Frischware unbedenklich sei. Italien erklärte vergangene Woche sein gesamtes Territorium zur Sperrzone. Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt; zuletzt mussten auch Gastronomie-und Einzelhandelsbetriebe schließen. Nur der Lebensmittelhandel und Apotheken haben noch geöffnet.