«Schweizer Bauer»: Am Mittwoch ist die Jagd auf den Wolf zu Ende gegangen. Wie erfolgreich empfinden Sie die Durchführung der proaktiven Wolfsregulation?
Christophe Darbellay: Das Resultat ist im Wallis besonders gut. Die Optimisten sagten, wenn man 10 –15 Wölfe schiessen könnte, sei das schon viel – wir haben 27 Wölfe geschossen. Das war nicht so einfach wie es klingt. Doch das Engagement von Wildhütern, Hilfswildhütern und Jägern, war irrsinnig. Es sind Leute, die tagsüber alle arbeiten. Anderseits: Dass man so viele Wölfe schiessen konnte, dazu noch in einem engeren Regulierungsperimeter, weil uns das Verwaltungsgericht einen Strich durch die Rechnung gezogen hat, deutet darauf hin, dass viel mehr Wölfe präsent sind, als man bisher vermutet hat.
Wie viele Wölfe erträgt es im Wallis?
Der Bund erklärte mal, es ertrage 13 Rudel schweizweit. Das haben wir allein schon im Wallis, aber wir sollten nicht das Schweizer Wolfsreservat werden. Wir sind bereit, unsere Verpflichtungen, auch internationale, wahrzunehmen. Wir müssen mit dem Wolf leben, ob man will oder nicht. Aber wir haben zu viele, die Situation ist nicht mehr akzeptabel – für die Berglandwirtschaft, für die Fauna, und für die Biodiversität. Das hören manche zwar gar nicht gern, aber für mich ist klar: Wenn die Alpen verganden, geht die Biodiversität massiv zurück. Da kann niemandin Bern das Gegenteil behaupten. Wir haben sonst noch die schönste Fauna Europas, dank gesunder Jagd. Der Wolf gehört auch dazu – aber nicht so viele. Im Wallis darf es zwei, drei Rudel geben, aber nicht mehr.
Die Jagd auf den Wolf wurde teils scharf kritisiert. Wurden Sie auch persönlich kritisiert, womöglich sogar bedroht?
Ja, aber als Politiker ist man dafür gerüstet und ich lasse mich nicht einschüchtern. Für mich ist die Berglandwirtschaft und die Biodiversität wichtiger. Erstaunt bin ich, dass überraschend wenig Briefe und Mails gekommen sind. Es gab zwar Leute, die schrieben, dass sie damit nicht einverstanden sind, und nannten auch Argumente, aber nicht so hässige, wie ich das schon in anderen Situationen erlebt habe. Solange man höflich und korrekt bleibt, habe ich damit auch kein Problem damit, wenn nicht alle einverstanden sind.
Ich lasse mich nicht einschüchtern. Für mich ist die Berglandwirtschaft und die Biodiversität wichtiger.
Sie waren selbst auch auf Wolfsjagd?
Ja, nächtelang. Auch ich stand vier, fünf Stunden lang auf dem Posten, mitten in der Nacht, allein. Manchmal mit viel Bewegung, manchmal nichts. Es war nicht mal so kalt, ich war aber auch gut ausgerüstet. Insgesamt war es gut, auch meditativ, denn die Nächte sind lang.
Haben Sie getroffen?
Ich kann nichts dazu sagen. Ich halte mich auch an unsere Verpflichtung, diskret und professionell zu bleiben.
Was halten Sie vom Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, sodass man manche Rudel nicht regulieren durfte?
Man darf als Politiker Gerichte nicht kritisieren. Aber ich kann sagen, dieser Entscheid ist für mich nicht verständlich, kommt aber nicht unerwartet. Materiell wurde die Sache noch nicht beurteilt, nur die aufschiebende Wirkung entzogen. Damit war klar, dass die Aktion, die 60 Tage dauern sollte, praktisch vom Tisch war, denn Richter arbeiten nicht so schnell. In der Zwischenzeit vermehrt sich der Wolf weiter. Wir wissen nicht, wie viele neue Welpen es diesen Frühling geben wird.
Was fordern Sie nun vom Bund?
Man muss die proaktive Regulierung unbedingt weitertreiben, damit die Wolfspopulation auf ein vernünftiges Niveau reduziert werden kann – und das nicht erst im nächsten Winter, sondern schon ab dem 1. September. Man muss jetzt aus der Wolfsgeschichte, die völlig aus dem Ruder gelaufen ist, seine Lehren ziehen, und darf nicht denselben Fehler weiderholen mit dem Bär. Wir erwarten, dass das Bafu Verantwortung mitträgt – das tun sie heute nicht. Ich habe die Direktorin mal gefragt, was passiert bei einem Unfall mit Menschen. Doch das wird als völlig harmlos abgetan, oder als Naturgefahren. Aber eine Schlammlawine, ein Bergsturz, oder eine Lawine ist für mich, und wohl auch viele andere mit gesundem Menschenverstand, etwas ganz anderes als der Wolf. Ebenfalls fordere ich vom Bund, dass er, wenn er diese Tierarten wieder einführen will, auch dazu stehen soll, und uns nicht plötzlich im Stich lassen.
Wir erwarten, dass das Bafu Verantwortung mitträgt – das tun sie heute nicht.
Sie sprechen den Rückzug vom Bund bei der Ausbildung von Herdenschutzhunden an?
Auch. Es ist wichtig, dass die Entschädigung für gerissene Nutztiere schnell und zu einem angemessenen Preis erfolgt Aber der Bund muss die Landwirte auch grosszügig für Nutztiere entschädigen, die direkt oder indirekt Opfer vom Wolf wurden, aber nicht wiedergefunden werden. Für Bauern ist das eine enorme finanzielle und psychische Belastung, aber auch eine extreme Arbeitsbelastung. Auch die Sucharbeit muss entschädigt werden. Viele Bauern, die Tiere verloren haben, gehen mit der Unterstützung von Kollegen und Pensionierten tagelang auf die Suche nach verlorenen Tieren, die längst schon von Krähen oder vom Bartgeier beseitigt wurden.
Sind sie mit anderen Kantonen im Austausch, um Ihre Forderungen durchzubringen?
Eine Sensibilität dafür haben nur die Landwirtschaftsdirektoren. Auch in nicht-betroffenen Kantonen gibt es Landwirtschaftsdirektoren mit gesundem Menschenverstand. Kritischer muss man gegenüber den Jagddirektoren ein. Sie waren gegen die proaktive Regulierung - zumindest für dieses Jahr.
Der Wolf gehört genaugenommen nicht zu Ihrem Departement, aber der Herdenschutz. Was tut sich da?
Es ist richtig, die Jagd ist nicht in meinem Departement. Aber der Herdenschutz ist wichtig und notwendig, aber nicht so effizient, wie man es gern hätte. Es gibt Spezialisten von der Uni, die behaupten, dass Wölfe nicht über Zäune springen. Ich habe aber Fälle gesehen, wo die Wölfe mit einem 30 Kilo schweren Lamm über 5 Litzen gesprungen sind – mit Strom. Schutzhunde halten Schäden lediglich in Grenzen. Viele Bauern unternehmen extrem viel um ihre Herden zu schützen, aber es kostet viel. Ich erwarte, dass der Bund das bezahlt.
Auch der Kanton Wallis stellt Herdenschutzhunde zur Verfügung. Wie funktionieren diese in der Praxis?
In der ersten Phase hat uns der Bund die Hundezucht schmackhaft gemacht und sehr viel dafür berappt. Jetzt spürt man nicht mehr so viel Interesse. Jetzt, im dümmsten Moment, wo die Situation völlig nicht mehr zu ertragen ist, lässt man uns im Stich. Das ist unschön – um es mal sanft zu formulieren. Der Bund stellt 50 Bundes-Hunde zur Verfügung, das Wallis stellte letztes Jahr mit dem Verein Arcadia 50 weitere Hunde zur Verfügung. Wir werden nächstes Jahr den Hundebestand um wahrscheinlich 30 weitere Hunde ausbauen. Aber das Bafu tut schon wieder pingelig, und anerkennt ein Konzept aus Detailgründen nicht. Das verstehe ich nicht. Ich zähle da wieder auf den Agronomen, Albert Rösti.
Der Herdenschutz ist wichtig und notwendig, aber nicht so effizient, wie man es gern hätte.
Was sind das für Details?
Angeblich ein veralteter Test, und die Diskussion ob man nebst dem Pyrenäen-Hund auch andere Rassen nutzen darf, wie zum Beispiel den Kangal.
Das ist eine Rasse, die etwa im Tessin verboten ist, weil eine gewisse Gefahr von ihnen ausgeht.
Ob von den Pyrenäen, oder Kangal – für den Tourismus sind Herdenschutzhunde, wenn sie herrennen und bellen, nicht ganz ohne. Ich bin ja auch Tourismus-Minister dieses Kantons - und auch ich habe als Wanderer, Renner und Bikefahrer meine Mühe mit diesen Hunden, aber das ist das kleinere Übel.
Welches sind, nebst dem Wolf, die grössten Herausforderungen für die Walliser Landwirtschaft?
Die Landwirtschaft ist Opfer Nummer 1 vom Klimawandel. Wir sind von Frühjahresfrost, Hagel und neuen Schädlingen massiv betroffen. Wie der Thurgau sind wir der Obstgarten der Schweiz, die Nummer 1 für Aprikosen und Birnen, die Nummer 2 für Äpfel. Diese Kulturen leiden besonders unter den extremen Witterungen. Was früher jedes zehnte Jahr mal vorgekommen ist, passiert heute viel häufiger. Mit Ernteausfällen von bis zu 50 Prozent. Für solche Katastrophenfälle haben wir jetzt einen Fonds freigestellt. Wir streben demnächst eine Versicherungslösung an, vielversprechende Kontakte haben wir bereits. Der Kanton erklärt die Allgemeinverbindlichkeit, und stellt die ersten Summen zur Verfügung, danach ist es aber die Verantwortung der Branche.
Wie viel Geld fliesst in diesen Fonds?
Wir beginnen mit 1,5 Millionen Franken für Aprikosen, denn das ist die Kultur, die am meisten betroffen ist. Es gibt etwa 20 bis 25 Bauern, die sich darauf spezialisiert haben und sehr professionell arbeiten. In der Rhoneebene kann man den Frost mit Berieselung bekämpfen. Aber am Hang ist das hoffnungslos. Da hat man schon mit Kerzen und allem möglichen versucht, aber bis jetzt hat sich noch nichts wirklich bewährt. Man muss weiter forschen, vielleicht in Bekämpfungsmethoden oder Sortenforschung. Eine andere Herausforderung ist die Parzellierung im Kanton, vor allem beim Rebbau. Da leidet das Wallis noch unter Napoleon, sodass wir heute zum Teil winzig kleine Parzellen haben, ohne Zugang und ohne Wasser. Da kann man nicht so einfach eine Melioration durchführen. Wie das jedoch bereits für die Berglandwirtschaft im Lötschental umgesetzt wurde, indem man die Parzellen so gruppiert hat, dass sich sinnvolle Arbeitseinheiten ergeben, streben wir das nun auch im Rebbau an. Das ist eine enorme Herausforderung und ein grosses Paket, das jetzt in den Grossrat kommen wird – der Rebberg des 21. Jahrhunderts.
Auch die Sucharbeit muss entschädigt werden.
Wird, aufgrund der Schliessung der einzigen Brotmühle in Naters, das Walliser Roggenbrot AOP verschwinden?
Für das Wallis wäre es imagemässig ein Trauma, würde das Walliser Roggenbrot verschwinden. Bäcker, Bauern, die ganze Wertschöpfungskette sind aber bereits involviert, und ich bin zuversichtlich, dass es in Riddes eine Lösung geben wird.
Wie steht es um das Landwirtschaftszentrum in Visp, dessen Leiter demnächst in Pension geht?
Wenn jemand in Pension geht, der sich durch Bescheidenheit, Engagement und Kompetenz auszeichnet, ist es nicht leicht, den zu ersetzen. Für mich unbestritten ist, dass das Landwirtschaftszentrum in Visp im Oberwallis sehr wichtig und sehr stark verwurzelt ist. Auch in der Bevölkerung. Doch der Fachkräftemangel ist auch in der Landwirtschaft ein Problem. Weil es in Visp auch noch eine Orientierungsschule gibt, ist vielleicht ein Mischsystem möglich, mit einem Leiter, der ein Schulprofil hat, aber mit starker Sensibilität für die Landwirtschaft und mit Spezialisten, die als Ergänzung mitarbeiten können. Ich hätte aber vor allem gern einen Agronomen oder eine Agronomin aus dem Oberwallis an der Spitze des Landwirtschaftszentrums. Wir suchen aber noch.
Man muss die proaktive Regulierung unbedingt weitertreiben, damit die Wolfspopulation auf ein vernünftiges Niveau reduziert werden kann.
Christophe Darbellay will nicht sagen, ob er auf der Wolfsjagd einen Wolf geschossen hat.
Christian Zufferey
herr barner und an alle besserwisser wenn man den gesunden menschverstand gebrauchen würde wüsste man dass all die herdenschutzsmassnahmen nur bedingt etwas nützen und aber mit einem masiven arbeitsaufwnad verbunden sind und im steinigen gelände unmöglich sind ,und noch kurz zu den entschädigungen die sind lächerlich im vergleich zum waren schaden .